Seit dem 1. Juli 2005 gibt es in der Schweiz einen gesetzlich geregelten 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub für erwerbstätige Frauen. 15 Jahre später besteht nun auch ein konkreter Zeitplan für die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs, vorausgesetzt, das Volk stimmt der Referendumsvorlage zu. Bis es so weit war, erhielten Männer nach der Geburt ihres Kindes in der Regel einen bis zwei bezahlte Urlaubstage, es sei denn, sie waren in Unternehmen mit grosszügigeren Regelungen tätig. Auf politischer Ebene gab es zahlreiche Vorstösse, um dem Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen, vorerst ohne Erfolg.
Am 4. Juli 2017 reichte der Verein Vaterschaftsurlaub jetzt! die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» ein. Die Initianten aus dem Umfeld der Dachverbände Travail Suisse, dem Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen, von Alliance F und Pro Familia Schweiz forderten einen im Bundesrecht verankerten und über die Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigten Vaterschaftsurlaub von vier Wochen. Der Bundesrat anerkannte das Anliegen zwar als Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, erachtete in seiner Stellungnahme den Ausbau von Angeboten zur ausserfamiliären Kinderbetreuung jedoch als wichtiger. Und weil er die Verantwortung für einen Vaterschaftsurlaub weiterhin den Arbeitgebern und Sozialpartnern überlassen wollte, empfahl er den eidgenössischen Räten die Initiative zur Ablehnung (Bundesrat 2018).
Am 21. August 2018 beschloss die Sozialkommission des Ständerates (SGK-S), der Volksinitiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen (parlamentarische Initiative SGK-S 18.441). Dieses Gesetzesprojekt beinhaltete einen über die EO finanzierten Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen (bzw. zehn Arbeitstagen), zu beziehen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes. Die Ausgestaltung erfolgte – wie dies die Initianten der Volksinitiative und die im Jahr 2014 von Nationalrat Martin Candinas eingereichte parlamentarische Initiative «Zwei Wochen über die EO bezahlten Vaterschaftsurlaub» (14.415) forderten – nach dem Vorbild des bestehenden Mutterschaftsurlaubs.
Innerhalb von gut einem Jahr hatten die zuständigen vorberatenden Kommissionen und die beide Räte die Volksinitiative und den indirekten Gegenvorschlag durchberaten. Sie lehnten die Volksinitiative ab, stimmten jedoch dem Gegenvorschlag zu. In der Schlussabstimmung vom 27. September 2019 bestätigte das Parlament mit einer grossen Mehrheit den Gegenvorschlag mit einem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub (BBL 2019 6855). Daraufhin zog das Initiativkomitee das Begehren für vier Wochen Vaterschaftsurlaub zurück unter der Bedingung, dass die Gesetzesvorlage für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub in Kraft tritt (BBL 2019 6863). Nachdem das Referendum für den beschlossenen Gegenvorschlag zustande gekommen ist, wird das Volk voraussichtlich im Herbst 2020 darüber abstimmen können. Falls der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub an der Urne abgelehnt werden sollte, wird die Initiative reaktiviert.
Vaterschaftsentschädigung und Vaterschaftsurlaub gemäss Gegenvorschlag
Vorbild Mutterschaftsurlaub Der Vaterschaftsurlaub ist in weiten Teilen nach den gleichen Prinzipien wie der bestehende Mutterschaftsurlaub ausgestaltet. Das bedeutet, dass das bestehende Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (EOG, SR 834.1) nun auch die Entschädigung bei Vaterschaft regelt. Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen sind im Obligationenrecht (OR) integriert.
Erwerbstätige Männer haben Anspruch Der Anspruch auf eine EO-Entschädigung für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub setzt voraus, dass der Vater zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes erwerbstätig ist, sei es als Arbeitnehmer oder als Selbständigerwerbender. Zudem muss er in den neun Monaten vor der Geburt bereits in der AHV obligatorisch versichert und in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang erwerbstätig gewesen sein. Gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen mit der EU und das entsprechende EFTA-Übereinkommen zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme werden die in einem Mitgliedstaat der EU oder EFTA zurückgelegten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten für die Erfüllung der Mindestversicherungsdauer bzw. Erwerbsdauer angerechnet.
Der Vater muss nachweisen, dass er im Zeitpunkt der Geburt der rechtliche Vater des Kindes ist, sei es kraft der Ehe oder durch eine Vaterschaftsanerkennung. Eine Vaterschaft ist nicht in allen Fällen schon bei der Geburt geklärt. Wird das Kindsverhältnis erst nachträglich durch Anerkennung oder durch einen Gerichtsentscheid begründet, ist der Vater berechtigt, so lange es nach der Feststellung des Kindsverhältnisses noch möglich ist, in den sechs Monaten nach der Geburt den Vaterschaftsurlaub zu beziehen (Rahmenfrist für den Bezug des Vaterschaftsurlaubs).
Erfüllt der Vater diese Voraussetzungen, gibt es keine zusätzlichen Einschränkungen, etwa bezüglich seines Alters oder der Geburt des Kindes im Ausland. Wie bei der Mutterschaftsentschädigung entsteht bei einer Mehrlingsgeburt nur eine Entschädigung. Nicht ausgeschlossen ist aber mehr als eine Entschädigung pro Jahr, wenn der Mann innerhalb eines Jahres mehrmals Vater wird.
Anspruchsberechtigung beim Bezug eines Ersatzeinkommens Männer, die im Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig sind, sei es, weil sie arbeitslos oder gesundheitsbedingt arbeitsunfähig sind, können die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsentschädigung ebenfalls erfüllen. Der Bundesrat wird die Details auf Verordnungsstufe regeln. Ausgeschlossen ist jedoch der gleichzeitige Bezug einer Vaterschaftsentschädigung und eines Taggeldes einer anderen Sozialversicherung. Macht der Vater die Vaterschaftsentschädigung geltend, hat diese Vorrang, das heisst, für diese Zeit werden keine Taggelder einer anderen Sozialversicherung ausbezahlt.
Entschädigungsanspruch und Rahmenfrist beginnen am Tag der Geburt Der Anspruch auf die Entschädigung entsteht am Tag der Geburt des Kindes. Dabei gibt es keine Anknüpfung an die Dauer der Schwangerschaft, das Kind muss jedoch lebensfähig geboren werden. Bei einer Totgeburt entsteht kein Anspruch. Am Tag der Geburt beginnt eine Rahmenfrist von sechs Monaten, innerhalb welcher der Vater den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub «realisieren» kann. Bezieht er in dieser Rahmenfrist nur einen Teil des Urlaubs, wird die Entschädigung lediglich für den bezogenen Anteil ausgerichtet. Es steht ihm frei, in Absprache mit dem Arbeitgeber den Urlaub im vorgegebenen zeitlichen Rahmen zwei Wochen am Stück, zweimal eine Woche oder tageweise zu beziehen. Diese flexible Bezugsmöglichkeit trägt der Planbarkeit für die Familien und die Arbeitgeber Rechnung.
Verfall des Entschädigungsanspruchs Der Vater muss seinen Vaterschaftsurlaub innerhalb der ersten sechs Monaten nach der Geburt beziehen, ansonsten verfällt der Anspruch auf die Entschädigung. Nach Ablauf dieser Rahmenfrist kann kein Entschädigungsanspruch mehr entstehen. Versterben der Vater oder das Kind, so erlischt der Entschädigungsanspruch für die bis zum Todesfall noch nicht bezogenen Tage. Der Anspruch geht somit nicht an die Mutter des Kindes über oder an eine andere Person, die für das Kind sorgt. Für diesen Fall sind im Sozialversicherungsrecht Hinterlassenenleistungen vorgesehen (Waisen- und Witwenrente). Ein weiterer Beendigungsgrund ist generell das Ende der Vaterschaft, etwa wenn die Vaterschaft aberkannt wird.
Die Entschädigung beträgt 80 Prozent des Erwerbseinkommens Die Vaterschaftsentschädigung beläuft sich wie die Mutterschaftsentschädigung auf 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, welches vor Beginn des Entschädigungsanspruchs erzielt wurde. Wie der Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft wird auch der Erwerbsersatz bei Vaterschaft in Form eines Taggeldes ausbezahlt und ist auf 196 Franken pro Tag begrenzt. Erfolgt der Bezug des Vaterschaftsurlaubs wochenweise, werden je sieben Taggelder (inkl. Samstag und Sonntag) ausgerichtet beziehungsweise 14 Taggelder, wenn der Vater zwei Wochen am Stück bezieht. Bezieht er den Urlaub tageweise, entspricht der zweiwöchige Urlaub zehn Arbeitstagen. Damit der tageweise Bezug nicht zu einer Schlechterstellung führt, werden auf fünf bezogene Arbeitstage zwei zusätzliche Tage entschädigt. Damit ist gewährleistet, dass beim Bezug von zehn Einzeltagen – bis zu einem Plafond von 196 Franken pro Tag – 80 Prozent des Erwerbseinkommens für zwei Wochen gedeckt sind.
Anders als bei der Entschädigung für Dienstleistende, jedoch gleich wie die Entschädigung bei Mutterschaft, umfasst der Erwerbsersatz bei Vaterschaft weder Kinderzulagen, Zulagen für Betreuungskosten noch eine Betriebszulage für Selbständigerwerbende, sondern nur die Grundentschädigung.
Berechnung auf dem Einkommen vor der Geburt und Auszahlung durch die Ausgleichskassen Die Entschädigung wird auf dem Einkommen, das der Vater unmittelbar vor der Geburt des Kindes erzielt hat, berechnet. Für die Bemessung des Erwerbsersatzes gelten die gleichen Prinzipien und Regeln wie für Dienstleistende und die Mutterschaftsentschädigung. Dabei sind auch hier die Ausgleichskassen dafür zuständig, die Taggelder dem Arbeitgeber auszurichten, wenn dieser einen Lohn bezahlt, andernfalls direkt dem Vater. Damit sich der administrative Aufwand für den Arbeitgeber in Grenzen hält, wird das Taggeld erst nach dem vollständigen Bezug des Vaterschaftsurlaubs abgerechnet.
Vorrang der Vaterschaftsentschädigung und Besitzstandsgarantie Während des Bezugs eines Erwerbsersatzes bei Vaterschaft werden in der Regel keine anderen Taggelder von verschiedenen Sozialversicherungen (etwa Taggelder der Arbeitslosen- oder Invalidenversicherung) ausgerichtet. Diese Koordinationsbestimmung entspricht derjenigen der Mutterschaftsentschädigung. Bezog der Vater indessen vor der Geburt des Kindes ein Taggeld, welches ein Erwerbseinkommen ersetzte, wird die Vaterschaftsentschädigung mindestens in der gleichen Höhe wie das vorangegangene Taggeld ausgerichtet (Besitzstandsgarantie). Auch diese Regelung ist eine analoge zur Mutterschaftsentschädigung.
Das Recht auf Vaterschaftsurlaub für Arbeitnehmer Während der Erwerbsersatz für alle erwerbstätigen Väter, also auch die Selbständigerwerbenden, in der EO geregelt ist, ist das Recht auf Urlaub auch arbeitsrechtlich zu gewährleisten (Regelung im OR). In Übereinstimmung mit der in der EO geregelten Vaterschaftsentschädigung gelten bezüglich Vaterschaft, Dauer des Urlaubs und Bezugsmodalitäten die gleichen Voraussetzungen wie für die Entschädigung. Anders als für die Taggeldentschädigung ist der Urlaubsanspruch für die Arbeitnehmer nicht an eine vorangehende Versicherungs- oder Erwerbsdauer geknüpft. Somit sind auch diejenigen Arbeitnehmer zum Bezug des Vaterschaftsurlaubs berechtigt, die keinen Anspruch auf eine EO-Entschädigung haben. Der Arbeitnehmer hat das Recht, nicht aber die Pflicht, einen Vaterschaftsurlaub zu beziehen. Bezieht er ihn nicht in den sechs Monaten nach der Geburt, verfällt er. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer jedoch nicht verpflichten, auf die Ausübung seines Rechts auf Vaterschaftsurlaub zu verzichten.
Verlängerung der Kündigungsfrist Im Gegensatz zu den gesetzlichen Vorgaben bei Mutterschaft kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag des Vaters, der Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub hat, künden. Eine solche Kündigung kann vor Beginn oder während der sechsmonatigen Rahmenfrist ausgesprochen werden. Hat der Vater den Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt nicht oder nicht vollständig bezogen, hat er die Möglichkeit, den Urlaub im noch verbleibenden Umfang zu beziehen, bevor sein Arbeitsverhältnis endet. Die Kündigungsfrist wird in solchen Fällen um die Anzahl Tage verlängert, die im Zeitpunkt der Kündigung an Urlaub noch bezogen werden können. Die Verlängerung der Kündigungsfrist gilt zum einen für Arbeitsverhältnisse, die vor der Geburt aufgelöst wurden, im Zeitpunkt der Geburt aber noch nicht beendet sind: In diesem Fall verlängert sich die Kündigungsfrist um zwei Wochen. Zum anderen bei Kündigungen in der sechsmonatigen Rahmenfrist: In diesem Fall verlängert sich die Kündigungsfrist um die Anzahl Tage, die bis zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht bezogen wurden. Endet das Arbeitsverhältnis schon vor der Geburt, kann die Kündigungsfrist nicht verlängert werden. Bezieht der Vater den Urlaub trotz der verlängerten Kündigungsfrist nicht, verliert er seinen Anspruch. Die Verlängerung der Kündigungsfrist muss für den Bezug des Vaterschaftsurlaubs verwendet werden und nicht etwa für Ferien, die noch nicht bezogen wurden.
Keine Kürzung der Ferien Was bezüglich des Ferienanspruchs für die Arbeitnehmerinnen, die Mutterschaftsurlaub beziehen, geregelt ist, gilt auch für die Arbeitnehmer: Beziehen sie einen Vaterschaftsurlaub, dürfen die Ferien nicht gekürzt werden.
Finanzierung und Durchführung Die Finanzierung erfolgt paritätisch über Lohnprozente im Rahmen der bestehenden Erwerbsersatzordnung. Für die geschätzten Kosten von rund 230 Millionen Franken im Jahr 2021 wird voraussichtlich eine Erhöhung des EO-Beitragssatzes von heute 0,45 auf 0,5 Prozent notwendig sein. Betreffend die Auszahlung der Entschädigung gelten die gleichen Prinzipien wie für die andern EO-Entschädigungen (für Dienstleistende und Mütter im Mutterschaftsurlaub). Für die Auszahlung der EO-Taggelder sind die AHV-Ausgleichskassen zuständig.
- Literatur
- Bundesrat (2018): Botschaft vom 1. Juni 2018 zur Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» (18.052), in BBl 2018 3699: www.admin.ch > Bundesrecht > Bundesblatt > 2018.
- SR 834.1 Bundesgesetz vom 25. September 1952 über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft: www.admin.ch > Bundesrecht > Systematische Rechtssammlung.