Alterspolitik der Stadt Schaffhausen – gemeinsam unterwegs

Die Stadt Schaffhausen will älteren Menschen nach dem Grundsatz des Alterns zu Hause ein selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Umgebung ermöglichen und so deren Lebensqualität erhalten. Mit Quartierbegehungen wurde der Bedarf der Betroffenen ermittelt. Durch die Vernetzung der Akteure werden Angebote koordiniert und weiterentwickelt.
Simon Stocker
  |  14. März 2019
  • Alter
  • Generationen
  • Gesellschaft

Der Kanton und die Stadt Schaffhausen bilden eine der Regionen mit dem höchsten Anteil an älteren Menschen in der ganzen Schweiz. Rund ein Drittel der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt. Die Alterspolitik der Stadt Schaffhausen ist geprägt vom Grundsatz «zu Hause alt werden». Ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben sowie der Erhalt der Lebensqualität im gewohnten Rahmen stehen im Vordergrund. Das Ziel ist, dass die Unterstützungsangebote und die Quartierstrukturen in der Stadt Schaffhausen den Bedürfnissen der älteren Menschen entsprechen, damit diese möglichst lange selbstständig wohnen und leben können. Dass die Gruppe der älteren Menschen sehr heterogen ist und Lebenslagen und Bedürfnisse unterschiedlich und vielfältig sind, wird dabei berücksichtigt.

Um älteren Menschen in der Stadt Schaffhausen ein Leben in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen, wurden drei Handlungsansätze gewählt:

  • Förderung altersgerechter und vielfältiger Wohnformen;
  • Bereitstellung einer breiten Palette pflegerischer und hauswirtschaftlicher Dienstleistungen mit niederschwelligem Zugang, die den persönlichen Bedarf berücksichtigen und möglichst wohnortsnah bezogen werden können;
  • Förderung altersfreundlicher Quartierstrukturen und der sozialen Einbindung von älteren Menschen.

Altersfreundliche Quartierstrukturen sind dann gegeben, wenn Einkaufsmöglichkeiten, medizinische und andere Dienstleistungen wie die Post oder der Coiffeur, sichere Gehwege und Möglichkeiten für Aktivitäten und soziale Kontakte im Quartier vorhanden sind. Durch die soziale Einbindung kommen die Ressourcen der älteren Menschen dem Gemeinwesen zugute. Werden Isolation oder Vereinsamung verhindert und die Teilhabe an der Gesellschaft gesichert, hat dies eine sehr positive Wirkung auf die Gesundheit älterer Menschen.

Konzept «Quartierbegehung»: Methode zur Bedarfserhebung und Plattform für Verne­tzung und Koordination der Angebote Zur Überprüfung der Altersfreundlichkeit der Quartiere hat die Stadt das Konzept der Quartierbegehung entwickelt. Mit dem Projekt sollen folgende übergeordnete Ziele erreicht werden:

  • Die Unterstützungsangebote und die Quartierstrukturen in der Stadt Schaffhausen entsprechen den individuellen Bedürfnissen der älteren Menschen. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass ältere Menschen möglichst lange selbstständig und selbstbestimmt leben können.
  • Die stadtinternen und -externen Akteure arbeiten zusammen. Die Entwicklung und die Organisation von passgenauen Angeboten werden koordiniert. Für Betroffene wie für Angehörige und weitere Beteiligte lässt sich gezielte Unterstützung einfach organisieren.

Eine erste Begehung mit rund 100 Seniorinnen und ­Senioren fand im Herbst 2014 statt. Damit sollte in Erfahrung gebracht werden, wie altersfreundlich die Teilnehmenden das Quartier erlebten und in welchen Punkten Handlungsbedarf zur Schaffung von Strukturen bestand, die das möglichst lange autonome Wohnen und die soziale Teilhabe im Quartier unterstützen. Die älteren Menschen waren in zwölf Gruppen auf sechs verschiedenen Routen unterwegs. Die vorgegebenen Routen entsprachen nach Möglichkeit den Alltagswegen der Teilnehmenden und deckten insgesamt einen grossen Teil des Quartiers ab. Auf dem rund einstündigen Spaziergang wurde an vier «anregenden» Orten Halt eingelegt und über folgende Themenbereiche gesprochen:

  • Versorgung mit Alltäglichem und Dienstleistungsangeboten;
  • Möglichkeiten für Aktivitäten und soziale Kontakte;
  • Mobilität und Sicherheit;
  • öffentlicher Busbetrieb.

Die Gespräche wurden mithilfe eines Leitfadens strukturiert und von Begleitpersonen moderiert und aufgenommen. Anschliessend wurden die Gespräche wortgetreu schriftlich protokolliert. Für die Rolle der Begleitpersonen wurden die Mitglieder des Fachbeirats Alter beigezogen. In diesem Gremium sind alle relevanten Akteure der Altersarbeit vertreten. Der Fachbeirat Alter wurde im Frühling 2014 unter der Leitung des Stadtrates gegründet, um die Akteure der Altersarbeit besser zu vernetzen und deren Arbeit zu koordinieren. Als Hauptaufgaben des Fachbeirats wurden der Informationsaustausch, die Koordination der Angebotsentwicklung und -abstimmung sowie die Förderung der Vernetzung definiert.

Die Ergebnisse der ersten Quartierbegehung wurden unter Einbezug der zuständigen Abteilungen der Stadtverwaltung und der Partnerorganisationen besprochen. Davon wurden konkrete Massnahmen abgeleitet. Die Ergebnisse und Massnahmen wurden im Rahmen einer Nachfolgeveranstaltung vorgestellt. Zu dieser wurden wieder alle Teilnehmenden der Quartierbegehung eingeladen. Neben Vertretungen verschiedener Abteilungen der Stadtverwaltung (Tiefbau, Stadtgärtnerei, Busbetrieb, Sicherheit) wirkten daran wiederum auch die Partnerorganisationen des Fachbeirats aktiv mit. Sie informierten über Angebote und traten mit den älteren Menschen in Dialog im Rahmen von Tisch­gesprächen zu verschiedenen Fragen und Themen, die sich bei der Quartierbegehung stellten.

Umsetzung der Massnahmen Die Massnahmen wurden einerseits in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Verwaltungsabteilungen umgesetzt, so beispielsweise wenn es um zusätzliche Sitzbänke, fehlende Beleuchtung oder unsichere Strassenabschnitte im öffentlichen Raum ging. Andererseits wurden Folgeprojekte auf den Weg gebracht, die unter Einbezug der Ressourcen und Potentiale der älteren Menschen und der Mitarbeit der Fachkräfte aus dem Fachbeirat verwirklicht werden.

Die Quartierbegehung fand sowohl bei der Zielgruppe als auch bei den Partnerorganisationen ein positives Echo. Die älteren Menschen schätzen es, wenn sie als Expertinnen und Experten für ihre Lebenswelt und für die Bedürfnisse der Älteren ernst genommen und einbezogen werden. Die Veranstaltung bietet ihnen die Gelegenheit, mit Vertretungen von Fach- und Verwaltungsstellen sowie von Fachdiensten in Kontakt zu treten und Anliegen zu deponieren oder Fragen zu klären.

Die Mitglieder des Fachbeirats wiederum konnten bei der Quartierbegehung den zentralen Lebensraum ihrer Klienten durch die Brille der Betroffenen kennenlernen – und nicht durch die oft institutionell gefärbte Brille. Es zeigte sich weiter, dass sowohl die Quartierbegehungen wie auch die Ergebniskonferenzen eine gute Plattform für die gemeinsame Arbeit und Vernetzung sind.

Zusammenarbeit
ZUSAMMENARBEIT IN DER VERWALTUNGZu den wichtigsten Rahmenbedingungen für das Gelingen kommunaler Alterspolitik gehört eine politisch verankerte Entwicklung und Umsetzung durch die Verwaltung. Denn nur wenn die Einstellungen, Ziele und Massnahmen politischen Rückhalt geniessen, können sie von allen Departementen getragen und umgesetzt werden. Folgende Dimensionen wurden in der Stadt Schaffhausen besonders berücksichtigt.

  • Strukturen: Die Themenfelder der Alterspolitik sind breit und betreffen neben der Gesundheit auch den Städtebau, den öffentlichen Raum, den Verkehr oder die Finanzen. Eine sozialraumorientierte und partizipative Umsetzung der Alterspolitik verlangt zudem eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens und der sozialen Arbeit. In der Stadt Schaffhausen beispielsweise wurde die Alterspolitik von der Exekutive wie auch vom Parlament verabschiedet. Innerhalb der Verwaltung wurde eine departementsübergreifende Arbeitsgruppe (AG Stadtentwicklung) eingesetzt, die u. a. die Entwicklung und Umsetzung begleitet. Mit der Zusammenarbeit von Sozialem und Gesundheit wurde die dem zuständigen Stadtrat direkt unterstellte Stabstelle «Quartierentwicklung» beauftragt. Von dem Projekt «Quartierbegehungen», dem Fachwissen zur Sozialraumorientierung und Partizipation profitieren auch die Mitarbeitenden aus dem Gesundheitsbereich.
  • Prozesse: Neben den beschriebenen Strukturen sind jedoch auch Prozesse nötig, die die Zusammenarbeit regeln. Die Erfahrung zeigt, dass diese oft erst Wirkung entfalten, wenn an ganz konkreten Projekten und Massnahmen gearbeitet wird. Im Rahmen des Projekts Quartierbegehungen konnten Verkehrsbetriebe oder Stadtgrün in der konkreten Umsetzung die vorher definierte Zusammen­arbeit mit Inhalt füllen. Es ist zudem sinnvoll, in der Verwaltung konkrete Stellen zu bezeichnen, die sich um die Umsetzung der Alterspolitik und die interne Zusammenarbeit kümmern. Dazu gehört auch das Monitoring der Massnahmenumsetzung, um Unterlassungen vorzubeugen.
  • Menschen: Die Verwaltung wird regelmässig mit verschiedenen Spezialbedürfnissen konfrontiert. Dazu gehören nicht nur Anliegen der Alterspolitik und die damit verbundene Altersfreundlichkeit. Verwaltungsstellen sollen heute zudem kinder- und jugendgerecht, familienfreundlich und behindertengerecht ausgerichtet sein. Damit sich solche gesellschaftspolitischen Anforderungen auch wirkungsvoll umsetzen lassen, sind nicht nur Strukturen und Prozesse nötig, sondern auch die damit beauftragten Mitarbeitenden in den verschiedenen Departementen. In der Stadt Schaffhausen ist es mit dem beschriebenen Projekt gelungen, durch gemeinsame Quartierbegehungen eine Verbindung zwischen älteren Menschen und der Verwaltung herzustellen. Zahlreiche städtische Mitarbeitende konnten so direkt zu einer verbesserten Lebensqualität der betroffenen Quartierbewohnerinnen und Quartierbewohner beitragen. Das hat zur gegenseitigen Wertschätzung geführt und die Mitarbeitenden dazu motiviert, eine eigentliche altersfreundliche Haltung zu entwickeln.
  • Kultur: Ziel einer umfassenden Alterspolitik ist die Schaffung einer Kultur in der Verwaltung, die über Projekte und Massnahmen hinaus nachhaltig Wirkung entfaltet. Das setzt eine gemeinsame Haltung und Sprache voraus. Die Berichterstattung über die Alterspolitik, die Präsentation von erfolgreichen Projekten und der Gebrauch einer sensiblen und wertschätzenden Text- und Bildsprache in kommunalen Publikationen oder Mitteilungen schaffen hierfür eine gute Grundlage. Ältere Menschen nehmen sehr gut und feinfühlig wahr, wie über sie gesprochen und berichtet wird. In der Stadt Schaffhausen hat man sich entschieden, die Potenziale und Leistungen älterer Menschen zu betonen. Geringschätzige Aussagen wie «Kostenfaktor ­Alter» und « Überalterung» werden in der Kommunikation kaum mehr verwendet.

Zusammenarbeit zwischen den Akteuren Kommunale Akteure der Altersarbeit arbeiten oft in Kommis­sionen und Netzwerken zusammen. Diesen Gremien kommt die Aufgabe zu, die in der Kommune verankerte Alters­politik gemeinsam umzusetzen und die Angebote so zu entwickeln, dass sie die Bedürfnisse der Zielgruppe und deren soziales Netz treffen. Unabhängig von der Form des Gremiums ist es entscheidend, dieses mit dem entsprechenden politischen Rückhalt, Auftrag und den notwendigen Steuerungsinstrumenten auszustatten. Hier steht den Städten noch viel Arbeit bevor. Die heutigen Gremien der Zusammenarbeit, deren Struktur und vor allem Kultur sind noch nicht ausreichend ausgeprägt, um der Idee einer gemeinsamen Steuerung und Versorgung Genüge zu tun. Als erfolgsversprechend zeigt sich hier die Zusammenarbeit in organisierten Netzwerken. Diese aufzubauen, eine gemeinsame Identität herauszubilden, mit Instrumenten zu versehen und dann auch zu steuern, stellt eine nicht zu unterschätzende Aufgabe dar. Es bestehen jedoch schon viele gute Beispiele dafür. Auch die Stadt Schaffhausen hat hier noch wichtige Hürden zu nehmen. Die bestehenden Gremien werden zurzeit überprüft. Gemeinsam mit den Akteuren wird entschieden, welche Anpassungen notwendig sind.

Fazit In der Stadt Schaffhausen hat es sich gelohnt, Alters­politik als departementsübergreifende Aufgabe zu verstehen und interdisziplinär wie auch partizipativ zu entwickeln und umzusetzen.

Aufgrund der Quartierbegehungen konnten viele konkrete Verbesserungen für ältere Menschen erreicht werden. Neben baulichen konnten auch solche Massnahmen umgesetzt werden, die die Ressourcen älterer Menschen mobilisieren und im Rahmen von Treffpunkten und sozialen Gruppen zur Verfügung stellen. Es werden stets die positiven Eigenschaften und die Rolle der älteren Generation betont und der despektierliche Begriff der Überalterung wird vermieden. Seither haben das Selbstbild und die Selbstwahrnehmung der älteren Menschen eine spürbare Verbesserung erfahren.

Die Alterspolitik der Stadt Schaffhausen zielt zudem darauf ab, die verschiedenen Akteure in einem Netzwerk zu organisieren und die Aktivitäten in diesem zu koordinieren und bestenfalls auch zu steuern. Hierfür müssen noch vertiefte Angaben zur Zielgruppe und deren Erreichbarkeit erarbeitet werden. Denn nur so können die Alterspolitik und deren Wirkung auch regelmässig überprüft werden. Ein Stück des Weges hin zu einer altersgerechten Gestaltung der Stadt Schaffhausen ist zurückgelegt, aber dieser Weg ist noch nicht zu Ende gegangen und stellt die Politik sowie die Akteure weiterhin vor Herausforderungen.

Beigeordneter, Departement für Soziales und Sicherheit der Stadt Schaffhausen.
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