In den letzten Jahren hat Autismus eine hohe Medienpräsenz erfahren. Forschung und wissenschaftliche Publikationen zum Thema haben sehr stark zugenommen. Damit steigt auch das Verständnis für Autismus-Spektrum-Störungen. Die Fortschritte in der Diagnostik ermöglichen es, Fehldiagnosen zu vermeiden und so die Ressourcen und Unterstützung bedarfsgerecht zu bündeln. Aber es bleibt dennoch viel zu tun, um die Entwicklungsstörung als solche zu erkennen und um die Betreuung sowie vor allem die Lebensbedingungen der Betroffenen und ihres Umfelds zu verbessern. Cécile Bachmann, Präsidentin von Autismus Schweiz, bringt es auf den Punkt: Die Herausforderungen sind seit Jahren die gleichen. Der Bericht des Bundesrates vom 17. Oktober 2018 versteht sich als Handlungsimpuls, indem er alle relevanten Akteure auffordert, konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Situation zu ergreifen. Die damit angestrebte zielgerichtete Koordination aller Beteiligten ist nicht nur im Interesse der Betroffenen, sondern der gesamten Gesellschaft.
Die Invalidenversicherung (IV) hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Seit Mai 2019 arbeitet sie gemeinsam mit den Kantonen an den Modalitäten, den Qualitätsstandards und an einer Finanzierungslösung für die intensive Frühintervention, die sich nach heutigem Kenntnisstand am besten zur Behandlung von frühkindlichem Autismus eignet. Und auch mit der Weiterentwicklung der IV sind Massnahmen vorgesehen, die insbesondere die berufliche Integration von Menschen mit Autismus verbessern sollen, indem sie die Bedürfnisse und die speziellen Erfordernisse der Betroffenen besser berücksichtigen.
Autismus betrifft aber nicht nur die IV. Im Gegenteil, die Vielzahl an beteiligten Akteuren und Institutionen zeigt, dass Autismus die Gesellschaft als Ganzes herausfordert; eine Gesellschaft, die Mühe damit hat, Menschen zu verstehen, die die Welt aus einer anderen Perspektive sehen. Autistischen Menschen wird oft vorgeworfen, zu wenig flexibel und zu wenig anpassungsfähig zu sein. Aber wissen wir, wie wir den Bedürfnissen eines Kindes begegnen sollen, das kein grelles Licht verträgt oder einen stark strukturierten Unterricht benötigt? Gibt es genügend Arbeitsplätze für Menschen, die einen Rückzugsort brauchen, wenn sie zu vielen Eindrücken auf einmal ausgesetzt sind? Dank der Forschung wissen wir, dass es nicht nur eine Art von Autismus gibt, sondern ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Formen. Die grosse Herausforderung besteht darin, jede Person bedürfnisgerecht zu unterstützen. Und gleichzeitig gilt es, den Wert einer besseren Integration herauszustreichen: Es ist nicht nur eine Chance für die Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft, wenn erstere dank einem besseren Verständnis von Autismus selbstständig leben und einer Aufgabe nachgehen können.