Auf einen Blick
- Die Invalidenversicherung kann Jugendliche in der erstmaligen beruflichen Ausbildung unterstützen.
- Die IV berät und begleitet die Jugendlichen und ihre Arbeitgebenden während einer den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand der Jugendlichen entsprechenden Ausbildung.
- Der IV stehen verschiedene Massnahmen zur Unterstützung der Jugendlichen zur Verfügung. Auch vor und nach der Ausbildung.
Im Teenagealter ist der Übertritt von der Schule in eine geeignete Ausbildung nicht immer einfach – auch für Jugendliche mit gesundheitlichen Problemen. Die Invalidenversicherung (IV) legt daher ein besonderes Augenmerk auf diese Lebensphase. Sie verfährt dabei nach dem Grundsatz «Eingliederung vor Rente»: Je früher die IV mit jungen Menschen in Kontakt kommt, die aufgrund gesundheitlicher Probleme Mühe beim Übertritt in eine Ausbildung haben, desto eher kann sie sie unterstützen. Durch eine rechtzeitige Intervention kann vermieden werden, dass sich bestimmte gesundheitliche Probleme chronifizieren oder verschlechtern.
Beim Übergang von der Schule in die Ausbildung «Übergang I» stehen der Invalidenversicherung verschiedene berufliche Eingliederungsmassnahmen wie Beratung und Begleitung oder Integrationsmassnahmen zur Verfügung. Die wichtigste Massnahme jedoch ist die erstmalige berufliche Ausbildung. Im Jahr 2023 gab die IV dafür 436 Millionen Franken aus, was knapp der Hälfte der Gesamtkosten der beruflichen Eingliederungsmassnahmen entspricht.
Ziel der erstmaligen beruflichen Ausbildung ist es, den Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen, die ihren Fähigkeiten, ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand entspricht. Wenn immer möglich, soll die Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt und/oder in den öffentlichen Bildungsstrukturen stattfinden. Dabei übernimmt die IV jene Mehrkosten, die den Jugendlichen aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen entstehen. Das sind zum Beispiel Kosten für den Transport oder Stützkurse und Nachhilfe.
Mit der IV-Revision «Weiterentwicklung der Invalidenversicherung», die Anfang 2022 in Kraft trat, wurde die erstmalige berufliche Ausbildung weiter gestärkt. So wurde gesetzlich verankert, dass die Ausbildung nach Möglichkeit im ersten Arbeitsmarkt erfolgen oder, falls sie im (teil-)geschützten Rahmen stattfindet, sich daran orientieren soll. Zudem werden die Jugendlichen und ihre Arbeitgeber (Ausbildungsbetriebe oder Institutionen) während der Ausbildung von einer Fachperson der IV-Stelle beraten und begleitet. Die Intensität und Ausgestaltung der Beratung und Begleitung wird im Einzelfall festgelegt.
IV unterstützt formale Ausbildungen
Im Jahr 2023 unterstützte die IV insgesamt 13 300 junge Versicherte in einer erstmaligen beruflichen Ausbildung. Rund zwei Drittel davon absolvierten eine formale Ausbildung. Zu den formalen Ausbildungen zählen Ausbildungen der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe gemäss dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Darunter fällt einerseits die berufliche Grundausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz, die mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder einem eidgenössischen Berufsattest (EBA) abgeschlossen wird (z. B. Koch- oder Informatiklehre). Andererseits gehören allgemeinbildende Schulen der Sekundarstufe II (Fachmittelschulen und Gymnasien) sowie Ausbildungen der Tertiärstufe (Hochschulen und höhere Berufsbildung) zu den formalen Ausbildungen.
Daneben sind im Rahmen der erstmaligen beruflichen Ausbildung auch andere, nicht formale Ausbildungen möglich. Rund ein Drittel der Ausbildungen sind nicht formale Ausbildungen. So unterstützt die IV auch Ausbildungen zur Vorbereitung auf eine Hilfsarbeit oder auf eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte (IV-Anlehren oder praktische Ausbildungen), wie beispielsweise Küchenpraktiker oder Hauswirtschaftspraktikerin. Es sind auch weitere, gesetzlich nicht geregelte, Ausbildungen möglich, die berufsrelevante Qualifikationen vermitteln und mit einem vom zuständigen Branchenverband anerkannten Zertifikat abgeschlossen werden (z. B. Staplerkurse, Branchenzertifikate, Lehrgang Pflegehelfende SRK etc.).
Hingegen gehört die allgemeine Schulbildung nicht zum Leistungskatalog der IV. Diese fällt in den Zuständigkeitsbereich der Kantone (Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen).
Wichtig ist, dass die Ausbildung im richtigen Setting erfolgt. Sprich: Die Eingliederungsfachpersonen der IV-Stellen klären das geeignete Bildungsniveau (zum Beispiel eine Lehre mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder eine Lehre mit eidgenössischem Berufsattest (EBA)) und die angemessenen Unterstützungsleistungen ab, damit die Ausbildung den individuellen Fähigkeiten der Jugendlichen entspricht. Es sollen keine Ausbildungen auf einem zu hohen Niveau oder in einem zu anspruchsvollen Umfeld (Ausbildungssetting) stattfinden. Stattdessen kann eine formale oder nicht formale Ausbildung auf einem höheren Ausbildungsniveau im ersten Arbeitsmarkt weitergeführt werden, wenn die Jugendlichen die dazu notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten mitbringen und nach erfolgreichem Abschluss mit grosser Wahrscheinlichkeit rentenreduzierend oder rentenausschliessend im Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.
Ausbildungen im ersten Arbeitsmarkt
Gut die Hälfte aller von der IV unterstützten Ausbildungen finden bei einem Arbeitgeber im ersten Arbeitsmarkt statt. Bei den Ausbildungen auf Attestniveau (EBA) sind es etwas mehr als ein Drittel und bei den Ausbildungen mit Fähigkeitszeugnis (EFZ) sind es sogar gut die Hälfte (siehe BSV 2024).
Findet eine Ausbildung ausschliesslich im ersten Arbeitsmarkt statt, kann die IV Jugendliche und Arbeitgeber mit einem Coaching unterstützen, wenn es um die Lösung einer spezifischen Fragestellung im Zusammenhang mit der Ausbildung geht. Das Coaching kann durch die IV-Stelle selbst erfolgen oder von der IV-Stelle an einen externen Leistungserbringer delegiert werden. Es ergänzt in Einzelfällen die allgemeine Beratung und Begleitung durch die IV-Stellen, die allen versicherten Personen offensteht.
Alternativ kann dem Arbeitgeber auch eine finanzielle Entschädigung bezahlt werden, wenn ihm ein erheblicher Mehraufwand bei der Betreuung des Jugendlichen oder der Anpassung von Arbeitsabläufen entsteht.
Diese Unterstützungsleistungen stellen sicher, dass ein erworbener Ausbildungsabschluss (beispielsweise ein Lehrabschluss oder ein Diplom) auf dem ersten Arbeitsmarkt auch erfolgreich verwertet werden kann.
Ist aus gesundheitlichen Gründen eine Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt oder in den öffentlichen Bildungsstrukturen nicht möglich, kann sie auch ausserhalb dieser Regelstruktur im (teil)geschützten Rahmen stattfinden. Die IV-Stellen beraten und begleiten die Jugendlichen auch dort.
Weitere IV-Massnahmen
Wenn Jugendliche nach der obligatorischen Schule (Übergang I) die Anforderungen für eine berufliche Ausbildung aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen noch nicht erfüllen, können sie von der IV mit Integrationsmassnahmen gezielt unterstützt werden. Diese Massnahmen orientieren sich an der individuellen Ausgangslage der Jugendlichen. Die IV kann auch kantonale Brückenangebote finanziell unterstützen, sofern diese eine Zusatzleistung bieten, damit sie auch für Jugendliche, die von der IV begleitet werden, zugänglich sind.
Die IV unterstützt Jugendliche auch bei der Berufswahl, falls aus gesundheitlichen Gründen die schulische Hilfe unzureichend sein sollte. Diese Unterstützung kann bereits ab dem 13. Altersjahr erfolgen.
Nach abgeschlossener Ausbildung – bei der Schwelle in die Erwerbsarbeit («Übergang II») – unterstützt die IV mit Massnahmen zur Arbeitsvermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.
Erst wenn alle Eingliederungsbestrebungen ausgeschöpft sind, prüft die IV den Anspruch auf eine Rente.