Auf einen Blick
- Die Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS) erlauben eine Einschätzung der künftigen Ausgaben und Einnahmen der Sozialversicherungen.
- Die jüngsten Ereignisse wie die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Unsicherheiten in Bezug auf Migration, Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit noch verstärkt.
- Die Zahl der Rentenbeziehenden dürfte deutlich steigen, während das Wachstum der Erwerbsbevölkerung moderat ausfällt.
Bevölkerungsszenarien liefern für die Sozialversicherungen eine wichtige Basis, um die künftigen Einnahmen und Ausgaben zu schätzen. Unter anderem lassen sich die erwartete Anzahl Personen nach Alter und Geschlecht aufschlüsseln. Dies ermöglicht Annahmen zur Zahl der Personen im Pensionsalter, wobei auch Rentenbeziehende im Ausland berücksichtigt werden müssen.
Einnahmeseitig ist für Sozialversicherungen insbesondere die Zahl der Personen entscheidend, die in den nächsten Jahren Beiträge leistet. Um diesen Wert bestmöglich zu antizipieren, muss die Anzahl der Erwerbstätigen geschätzt werden. Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie im Ausland lebende Schweizer Staatsangehörige, die freiwillig Beiträge bezahlen, sind ebenfalls einzubeziehen.
Laut den neusten Szenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS 2025) schreitet die demografische Alterung in den nächsten 30 Jahren fort. Gemäss dem Referenzszenario steigt die Zahl der über 65-Jährigen – und insbesondere die Zahl der 80-Jährigen und Älteren – stark (siehe Grafik 1). Im Gegensatz dazu wächst die Zahl der 20- bis 64-Jährigen und der unter 20-Jährigen im Referenzszenario nur minim. In weiteren Szenarien, die von tieferen Migrationssaldi und Geburtenhäufigkeit ausgehen, stagniert die Zahl der unter 20-Jährigen oder ist rückläufig (BFS 2025).
Fachwissen gefragt
Das BFS verwendet für die Berechnung der Bevölkerungsszenarien der Schweiz die sogenannte Komponentenmethode: Auf der Grundlage von natürlichen Ereignissen (Geburten, Todesfälle) und Migrationsbewegungen (Einwanderungen, Auswanderungen) werden die Bevölkerungsbilanzen für die nächsten Jahrzehnte berechnet. Das BFS berechnet diese Ereignisse und Migrationsbewegungen, indem es Quoten auf die nach Geschlecht, Alter und Staatsangehörigkeit geschätzte Bevölkerung anwendet. Dabei greift es auf Hypothesen zur zukünftigen Entwicklung verschiedener demografischer Indikatoren zurück – wie beispielsweise die durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau, die Lebenserwartung von Männern und Frauen bei der Geburt oder Wanderungssaldi.
Die Hypothesen zu Geburtenhäufigkeit, Sterblichkeit und Migration wurden dabei von zwei Arbeitsgruppen mit Fachpersonen aus Fachbereichen wie Demografie, Geografie, Soziologie und Wirtschaft erarbeitet. Die Expertinnen und Experten äusserten sich zunächst in einem Fragebogen über die künftige Entwicklung der jeweiligen Bereiche und nahmen anschliessend an Diskussionsrunden teil, in denen die verschiedenen Standpunkte verglichen und erörtert wurden. Danach wurden die Hypothesen einer Begleitgruppe mit Bundesämtern, die mit den Bevölkerungsszenarien des BFS arbeiten, vorgestellt.
Unterschiede zu den vorherigen Szenarien
Das BFS aktualisiert die Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung alle fünf Jahre. Bei jeder neuen Reihe werden die Hypothesen überprüft, um einerseits den Veränderungen bei der demografischen Entwicklung und andererseits den neuen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten Rechnung zu tragen.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen der neusten Szenarienreihe gegenüber der Vorgängerversion sind eine geringere Geburtenhäufigkeit, tiefere Lebenserwartungen und ein höherer Wanderungssaldo. Sprich: Sowohl die Zahl der 0- bis 19-Jährigen als auch der über 65-Jährigen ist in der neuen Reihe niedriger, während die Zahl der Erwerbstätigen grösser ausfällt.
Dass die Lebenserwartung langsamer ansteigen dürfte als bisher angenommen, hat zwei Hauptgründe: Einerseits konnte in den vergangenen Jahren eine Verlangsamung des Anstiegs der Lebenserwartung beobachtet werden, und anderseits gibt es keine Hinweise auf einen deutlichen Rückgang der Sterblichkeit in den nächsten drei Jahrzehnten. Bei der Migration hingegen wird von einem höheren jährlichen Wanderungssaldo ausgegangen, da sie sich in den letzten Jahren auf hohem Niveau bewegt hat und nichts auf einen Trendbruch hindeutet.
Wo liegen die Unsicherheiten?
In Bezug auf alle Komponenten der Bevölkerungsentwicklung gibt es grosse Unsicherheiten. So ist die künftige Geburtenziffer ungewiss: In den letzten Jahren ist die durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau von 1,52 im Jahr 2021 auf 1,33 im Jahr 2023 rasch gesunken – was nicht den bisherigen Erwartungen entsprach. In den nächsten Jahren könnte diese Zahl somit ebenso gut wieder steigen, gleich bleiben oder weiter sinken.
Auch die Entwicklung der Sterblichkeit ist weniger vorhersehbar als in der Vergangenheit: Aufgrund der Covid-19-Pandemie sank die Lebenserwartung in der Schweiz im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr – und zwar für Männer um 0,9 Jahre auf 81 Jahre im Jahr 2020 und für Frauen von um 0,5 Jahre auf 85,1 Jahre. Bereits zuvor hatten Grippeepidemien und Hitzewellen dazu geführt, dass die Entwicklung der Sterblichkeit stärker schwankte als in den letzten Jahrzehnten. Die Lebenserwartung könnte daher in den nächsten Jahren sowohl ansteigen als auch auf dem aktuellen Stand bleiben.
Die am schwierigsten zu projizierende Komponente ist die Migration: In den vergangenen 20 Jahren schwankte die Zahl der Einwanderungen auf einem hohen Niveau, während die Auswanderungen einen mässigen, relativ stabilen Aufwärtstrend zeigten. Das Wanderungsvolumen war insgesamt sehr hoch und dürfte auch in den nächsten Jahren hoch bleiben. Ereignisse wie die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben jedoch zu starken Schwankungen beim Wanderungssaldo geführt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass andere Ereignisse in Zukunft erneut ähnliche Schwankungen mit sich bringen werden.
Die Unsicherheiten bei der Bevölkerungsentwicklung spiegeln sich in der Abweichung zwischen dem «tiefen» und dem «hohen» Szenario wider (BFS 2025, Grafik 2). Angesichts der relativ grossen Trägheit von Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die beobachtete Entwicklung in den kommenden Jahren zwischen den beiden Szenarien bewegen wird.
Die Projektion ist logischerweise umso unsicherer, je weiter entfernt der betrachtete Zeithorizont liegt. Entwickeln sich Geburtenhäufigkeit, Sterblichkeit und Migration deutlich anders als in den verwendeten Hypothesen angenommen, können die beobachteten Werte erheblich von den projizierten Werten abweichen. Wenn sich die kontextuellen und quantitativen Hypothesen bestätigen, wird die künftige Entwicklung nahe an den projizierten Szenarien liegen.
Tendenzen bis 2055
Die wichtigsten Zahlen für die Sozialversicherungen sind die Zahl der über 65-Jährigen, die Zahl der Erwerbstätigen und das zahlenmässige Verhältnis zwischen den beiden Gruppen. Die Entwicklung dieser Grössen wird vor allem von der aktuellen Altersstruktur der Bevölkerung und den künftigen Wanderungssaldi abhängen. Gemäss Referenzszenario dürfte sich die Bevölkerungsgruppe der 65-Jährigen und Älteren von 1,8 Millionen im Jahr 2025 auf knapp 2,7 Millionen im Jahr 2055 erhöhen (BFS 2025, Grafik 3).
Die Erwerbsbevölkerung – alle Erwerbstätigen und Arbeitslosen gemäss Definition der Internationalen Arbeitsorganisation – steigt gemäss Referenzszenario von 5,2 Millionen im Jahr 2025 auf 5,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen. Entsprechend steigt der Altersquotient, der das Verhältnis zwischen den Personen ab 65 Jahren zu 100 Erwerbspersonen im Alter von 20 bis 64 Jahren abbildet: Er steigt von knapp 38 im Jahr 2025 auf fast 51 im Jahr 2055.