Auf einen Blick
- Die meisten verheirateten Paare im Rentenalter würden von einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge profitieren.
- Ein Wegfall des Einkommenssplittings wirkt sich negativ auf die geringerverdienende Person aus.
- Auf Versicherungsebene hätte eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge finanziell negative Konsequenzen auf die erste Säule, da der Wegfall der Plafonierung für viele Ehepaare zu höheren Renten führen würde.
Im heutigen System der Schweizer Altersvorsorge spielt der Zivilstand eine wichtige Rolle: Sowohl die erste als auch die zweite Säule kennen unterschiedliche Regelungen für verheiratete Paare und Einzelpersonen. Davon profitieren in erster Linie geringerverdienende Ehegatten und Ehegattinnen, die typischerweise mehr Care-Arbeit leisten und im heutigen System im Falle einer Scheidung oder Verwitwung durch die Renten finanziell abgesichert sind. Demgegenüber sind die Renten bei Ehepaaren mit mittleren bis hohen Einkommen in der ersten Säule auf das Anderthalbfache der maximalen Einzelrente plafoniert.
Welche Konsequenzen hätte ein Wegfallen der zivilstandsabhängigen Komponenten auf individuelle Renten und auf die Ausgaben der Altersvorsorge? Im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) sind wir dieser Frage in einer Studie nachgegangen (Buchmann et al 2025). Deren Ergebnisse flossen in die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» Im Folgenden beschränken wir uns dabei auf ausgewählte Auswirkungen in der ersten Säule.
Plafonierung der AHV-Renten
Derzeit haben in der ersten Säule beide Ehegatten einen individuellen Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente. Wenn beide rentenberechtigt sind, darf die Summe der beiden Einzelrenten jedoch höchstens 150 Prozent der gesetzlichen Maximalrente (basierend auf der zur Anwendung kommenden Rentenskala) betragen. Wird dieser Höchstbetrag überschritten, werden die beiden Einzelrenten entsprechend gekürzt. Im Jahr 2024 waren die zusammengezählten Renten eines Ehepaares bei 3675 Franken pro Monat plafoniert.
Sollte die Altersvorsorge in Zukunft unabhängig vom Zivilstand sein, könnte diese Plafonierung wegfallen. Beide Ehepartner könnten, wenn sie vorher eine plafonierte Rente erhalten haben, potenziell je die individuelle Maximalrente beziehen. Die theoretisch mögliche Maximalrente eines bisher plafonierten Ehepaars wäre für beide Ehegatten jeweils 100 Prozent der eigenen Rente – also zusammengezählt maximal 4900 Franken pro Monat für das Jahr 2024.
Splitting der Einkommen
Bei der Berechnung der Altersrenten kommt in der ersten Säule bei Ehepaaren derzeit ein sogenanntes Splitting zum Zuge. Das heisst, die Einkommen, die Verheiratete während der Ehejahre erzielt haben, werden aufgeteilt und den Ehegatten je zur Hälfte gutgeschrieben. Demgegenüber würden – je nach Ausgestaltung der zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge – die ab dem Einführungszeitpunkt während der Ehe erzielten Einkommen nicht mehr aufgeteilt.
Derzeit dient während den Ehejahren das gemeinsam erzielte Einkommen eines Ehepaares als Basis für die Berechnung der Rentenhöhe. Indem das gemeinsam erzielte Einkommen halbiert wird, findet eine Umverteilung vom Ehegatten mit dem höheren Einkommen zum Ehegatten mit dem tieferen Einkommen statt.
Was passiert nun, wenn dieses Splitting wegfällt? Unter der Annahme, dass ein Ehepaar verheiratet bleibt und seine Finanzen gemeinsam verwaltet, ist die Umverteilung auf Haushaltsebene in den meisten Fällen vernachlässigbar. Im Falle einer Scheidung oder Verwitwung wirkt sich ein Systemwechsel ohne Einkommensteilung deutlich auf die individuellen AHV-Altersrenten aus.
In den meisten Fällen bedeutet die Einkommensteilung auch heute noch eine Umverteilung vom Ehemann zur Ehefrau, da Männer im Durchschnitt ein höheres Einkommen erzielen. So betrug z. B. die durchschnittliche, zwischen März und Juni 2023 erzielte monatliche AHV-Rente für verheiratete Männer 1532 und für verheiratete Frauen 1431 Franken. Die Differenz zwischen den Geschlechtern ist auf die Jahre vor der Ehe zurückzuführen, in denen Frauen tiefere Einkommen erzielten als Männer. Ohne die Einkommensteilung hätte sie für Männer 1692 Franken (+ 160 Fr.) und für Frauen 1255 Franken (–176 Fr.) betragen.
Einfluss von Maximum und Minimum
Die AHV-Altersrenten sind nach oben und nach unten limitiert: Im Jahr 2024 betrug die Mindestrente der AHV 1225 Franken pro Monat und die Maximalrente belief sich auf 2450 Franken.
Das Verhältnis zwischen der AHV-Rente und dem Einkommen ist nicht linear: Geringverdienende profitieren bei einer Erhöhung des massgebenden durchschnittlichen Einkommens (RAM) von einem schnelleren Rentenanstieg als Gutverdienende (siehe Grafik 1). Dadurch führt die Einkommensteilung im Durchschnitt zu einer stärkeren Erhöhung der Rente der geringerverdienenden Person als die Senkung der Rente der Person mit dem höheren Einkommen.
Eine Person mit einem hohen individuellen Einkommen profitiert also möglicherweise nicht von einem Wegfall der Einkommensteilung, auch wenn der Ehepartner oder die Ehepartnerin deutlich weniger verdient. Dies weil eine solche Person sowohl mit als auch ohne Einkommensteilung eine nach oben limitierte (oder plafonierte) Rente bezieht. Gleichermassen verliert eine Person mit einem sehr tiefen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen unter Umständen nicht an Rente, wenn die Einkommensteilung wegfällt, da die Rente dieser Person ohnehin nicht unter die Minimalrente sinken kann, sofern die volle Beitragsdauer erreicht wurde.
Eine ähnliche Situation kann auftreten, wenn bei einem Ehepartner das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen über 44 100 Franken liegt und beim anderen Ehepartner darunter. In diesem Fall würde die besserverdienende Person bei einem Wegfall der Einkommensteilung weniger gewinnen als die geringerverdienende Person verlieren würde. Da in der Realität deutlich mehr Personen am oberen Ende der Rentenkurve liegen als am unteren, führt dies in der Summe dazu, dass die gesamte Rentensumme bei einem System mit Einkommensteilung leicht höher ausfällt als ohne Einkommensteilung. Auf Versicherungsebene würde sich ein Wegfall der Einkommensteilung also leicht positiv auf das AHV-Ergebnis auswirken.
Wegfall von Plafonierung und Einkommensteilung
Einen besonders grossen Effekt hat der gleichzeitige Wegfall von Plafonierung und Einkommensteilung bei Eheleuten mit grossen Einkommensunterschieden.
Zur Veranschaulichung soll folgendes intuitives Extrembeispiel herangezogen werden: Ein sehr gut verdienender Mann mit einem (individuellen) massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen von 200 000 Franken ist verheiratet mit einer Frau, die nie gearbeitet hat. Die Ehe besteht bereits seit dem 20. Altersjahr und das Ehepaar geht im Jahr 2024 gemeinsam in Rente.
Unter den aktuellen rechtlichen Bedingungen erzielen beide Ehegatten ein massgebendes durchschnittliches Jahreseinkommen von 100 000 Franken (Einkommensteilung). Beide Ehegatten erhalten damit die maximale plafonierte AHV-Rente von 1837.50 Franken.
Fällt nur die Einkommensteilung weg, kommt es zur maximalen Umverteilung zwischen den Eheleuten: Der Mann erhält neu die individuelle Maximalrente von 2450 Franken (+612.50 Fr.), die Frau die Minimalrente von 1225 Fr. (–612.50 Fr.). Fällt stattdessen nur die Plafonierung weg, erhalten beide Ehegatten die individuelle Maximalrente (+612.50 Fr.).
Spannend ist nun die Interaktion zwischen Plafonierung und Einkommensteilung: Fallen beide Komponenten weg, gewinnt der Mann weiterhin lediglich 612.50 Franken, da der maximale Gewinn mit der individuellen Maximalrente limitiert ist. Die Frau hingegen verliert 612.50 Franken und erhält neu die individuelle Minimalrente. Der gleichzeitige Wegfall der Plafonierung spielt für sie keine Rolle, da sie ohnehin die Minimalrente erhält.
Während es in diesem Beispiel für den Mann keinen Unterschied macht, ob nur die Plafonierung oder die Plafonierung und die Einkommensteilung wegfallen, ist die Differenz für die Frau gross: Wenn nur die Plafonierung wegfällt, gewinnt sie 612.50 Franken pro Monat. Wenn zusätzlich auch die Einkommensteilung wegfällt, verliert sie 612.50 Franken pro Monat gegenüber dem Status Quo. Das entspricht einer monatlichen Differenz von 1225 Franken (Buchmann et al. 202X: p. 67, Tabelle 21).
Simulation für das Jahr 2040
Um den Wegfall von Plafonierung und Einkommensteilung zu simulieren, und um die resultierenden Effekte auf individuelle Rentenhöhen und das AHV-Ergebnis bis zum Jahr 2040 zu berechnen, gingen wir in unserer Studie hypothetisch davon aus, dass die zivilstandsunabhängige Altersvorsorge im Jahr 2019 eingeführt wurde. Dabei wird unterstellt, dass bisher geteilte Einkommen von Ehegatten nicht rückwirkend individualisiert werden. Für neue und laufende Renten wurde die Plafonierung per Einführungszeitpunkt aufgehoben.
Die Auswirkungen dieser Massnahmen auf die individuellen monatlichen Rentenhöhen in der AHV lassen sich an folgendem Beispiel eines Neurentnerehepaars im Jahr 2040 aufzeigen: Die beiden Ehegatten, beide mit Schweizer Staatsbürgerschaft und einer Ausbildung auf Sekundarstufe II, haben im Alter von 31 Jahren geheiratet. Das Paar hat während 20 Jahren gemeinsam seine Kinder betreut, wobei der Mann – vor und während der Ehe – ein höheres Erwerbseinkommen erzielte als die Frau. Beide Ehegatten haben Anrecht auf eine AHV-Vollrente.
Bei einem gleichzeitigen Wegfall von Einkommensteilung und Plafonierung würde sich die monatliche AHV-Rente des Mannes im Jahr 2040 um 527 Franken erhöhen, diejenige der Frau um 133 Franken (siehe Tabelle). Da in diesem typischen Schweizer Haushalt beide Ehegatten erwerbstätig waren und die Einkommensunterschiede gering sind, profitieren beide Ehegatten von einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Ein allfälliger Rentenrückgang des Geringerverdienenden durch das Wegfallen der Einkommensteilung wird durch den Gewinn aufgrund der wegfallenden Plafonierung überkompensiert.
Diese Beobachtung gilt aber nur, solange das Ehepaar verheiratet ist. Im Falle einer Scheidung oder Verwitwung würde die Plafonierung ohnehin nicht zur Anwendung kommen (siehe dazu auch die Auswertungen im Bericht Buchmann et al. 202x).
Geschiedene und Verwitwete als Verlierer
Abschliessend lässt sich sagen: Eine Mehrheit der Ehepaare profitiert auf Haushaltsebene von einem Wegfall der Plafonierung und Einkommensteilung. Auf individueller Ebene sind meist die Männer im Vorteil – zulasten ihrer Ehefrauen. Die Verlierer einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge sind in erster Linie geschiedene und verwitwete Personen, die ein tieferes durchschnittliches Einkommen erzielt haben als ihr ehemaliger Ehepartner oder ihre ehemalige Ehepartnerin.
Die Zusammenhänge und Interaktionen sind komplex und die Effekte eines Wegfalls von Plafonierung und Einkommensteilung auf die späteren Renten sind bei verschiedenen Einkommensprofilen für die betroffenen Personen nur schwer überschaubar. Aus diesem Grund ist nicht davon auszugehen, dass sich das Erwerbs- und Heiratsverhalten der Schweizer Bevölkerung grundlegend ändert, falls diese zivilstandsabhängigen Komponenten in Zukunft wegfallen sollten. Dennoch würde ein solches System Anreize setzen, dass beide Ehegatten einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
Auf Versicherungsebene würde eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge die AHV insgesamt belasten, da die Rentensumme für Ehepaare zunimmt. Obwohl sich ein Wegfall der meisten zivilstandsabhängigen Komponenten der ersten Säule für die Betroffenen finanziell positiv auswirken würden, sind die Kosten eines Wegfalls der Plafonierung so hoch, dass dies in Summe zu zusätzlichen Ausgaben der AHV in der Grössenordnung von ungefähr 2,5 Milliarden Franken pro Jahr führen würde.
Mögliche Auswirkungen auf die Gleichheit der Geschlechter sind umstritten. Einerseits verlieren typischerweise Frauen, die öfter informelle Arbeit verrichten (Care-Arbeit), eine wichtige Absicherung ihrer Rente, wenn es zu einer späteren Scheidung oder Verwitwung kommt – und zwar zugunsten einer höheren Rente des besserverdienenden Ehegatten. Andererseits könnte eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge die Eigenverantwortung, sich aktiv mit der eigenen Vorsorge auseinanderzusetzen, fördern.
Literaturverzeichnis
Buchmann, Manuel; Budliger, Hendrik; Unterhofer, Ulrike; Triolo, Lisa, Bütler, Monika (2025). Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Studie im Auftrag des BSV, Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht Nr. 4/24.