Auf einen Blick
- Drei grosse Finanzierungsreformen haben seit Ende der Nullerjahre die obligatorische Krankenpflegeversicherung zuletzt geprägt.
- 2009 trat die neue Spitalfinanzierung in Kraft, auf Anfang 2011 erfolgte eine Änderung zur Finanzierung der Pflegeleistungen, und im November 2024 wurde die einheitliche Finanzierung der Gesundheitsleistungen an der Urne angenommen.
- Da auch künftig mit wachsenden Ausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu rechnen ist, bleiben wirksame Kostendämpfungsmassnahmen wichtig.
Seit seiner Einführung im Jahr 1996 hat das Parlament das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) stetig weiterentwickelt. Dazu gehörten beispielsweise Reformen bei der Prämienverbilligung, beim Risikoausgleich zwischen den Krankenversicherern sowie Massnahmen zur Kosteneindämmung (siehe auch Rückblick auf 20 Jahre KVG). Seit Ende der Nullerjahre standen mit der neuen Spitalfinanzierung, der Neuordnung der Pflegefinanzierung und mit der einheitlichen Finanzierung drei Finanzierungsreformen im Zentrum.
Die KVG-Revision der Spitalfinanzierung trat 2009 in Kraft. Sie änderte die Vergütung der stationären Spitalleistungen erheblich: Seit 2012 wird nicht mehr das Spital als Betrieb finanziert, sondern die effektiv von ihm erbrachten KVG-Leistungen. Die Kantone übernehmen mindestens 55 Prozent der Vergütung, die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) übernimmt maximal 45 Prozent.
Die Massnahmen der Revision zielten auf eine Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Spitälern durch wirtschaftliche Anreize und erhöhte Transparenz. Zudem wurde die freie Spitalwahl gestärkt: Wollen sich Versicherte ohne medizinische Gründe beispielsweise in einem ausserkantonalen Spital behandeln lassen, müssen sie nur für zusätzliche Kosten aufkommen, wenn die Behandlung teurer ist als in einem vergleichbaren Spital ihres Wohnkantons. Gleichzeitig müssen sich die kantonalen Spitalplanungen stärker an den Kriterien Effizienz und Qualität orientieren, und Spitäler mit öffentlicher und privater Trägerschaft können sich gleichermassen für Leistungsaufträge bewerben.
Koordination bei Spitalplanung verbessern
Eine Evaluation zu den Auswirkungen der Reform zeigte, dass es gelungen ist, das Kostenwachstum im stationären Spitalbereich einzudämmen. Verbesserungspotenzial wurde insbesondere bei der Transparenz über die Wirtschaftlichkeit der Spitäler sowie bei der Spitalplanung identifiziert. Mitte 2021 hat der Bundesrat mit einer Verordnungsänderung die Spitalplanungskriterien präzisiert. Diese zielt insbesondere darauf ab, dass die Kantone ihre Spitalplanungen interkantonal besser koordinieren und diejenigen Spitäler auf die Spitallisten aufnehmen, die ihre Leistungen wirtschaftlich und in der notwendigen Qualität erbringen.
Darüber hinaus erarbeitet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zusammen mit den Kantonen, den Spitälern und den Krankenversicherern sogenannte Tarifermittlungsgrundsätze. Hier geht es darum, datengestützt und mit einheitlichen Methoden die Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Spitäler möglichst gut vergleichen zu können.
Diese Änderungen dürften die Schweizer Spitallandschaft mittel- bis langfristig verändern und insbesondere dazu führen, dass spezialisierte Leistungen in weniger Spitälern angeboten werden als dies heute der Fall ist.
Neuordnung der Pflegefinanzierung
Mit dem KVG waren 1996 auch Pflegemassnahmen ausserhalb des Spitalbereichs in den Leistungsumfang aufgenommen worden (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung 1991: 122). Die Ausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für Pflegeleistungen wuchsen danach stark.
Hauptziel der Neuordnung der Pflegefinanzierung, die Anfang 2011 in Kraft trat, war deshalb, die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen und diejenige der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, das heisst der Finanzierung über Prämien, zu begrenzen und zu vermeiden, dass Pflegebedürftigkeit zu Sozialhilfeabhängigkeit führt.
Dafür wurden Beiträge der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an die Pflegeleistungen eingeführt, deren Höhe vom Bundesrat festgelegt wird und vom individuellen Pflegebedarf abhängig ist. Die Regelung der Restfinanzierung, das heisst die Finanzierung der übrigbleibenden Kosten von effizient erbrachten Pflegeleistungen, übertrug der Gesetzgeber an die Kantone.
Eine Evaluation der Reform hat gezeigt, dass nicht alle Kantone die Restfinanzierung zufriedenstellend geregelt haben. Verbesserungspotenzial besteht insbesondere bei der Restfinanzierung der Pflege in komplexen Situationen – beispielsweise bei der Pflege von Menschen mit Demenz oder bei der Palliative Care.
Einheitliche Finanzierung der Leistungen
Die dritte grosse Finanzierungsreform wurde mit der einheitlichen Finanzierung der Gesundheitsleistungen im November 2024 an der Urne angenommen: Ab 2028 werden die stationären und ambulanten Leistungen, ab 2032 dann auch die Pflegeleistungen nach einem fixen Finanzierungsschlüssel vergütet (siehe Grafik).
Dank des medizinischen Fortschritts können heute immer mehr Behandlungen ambulant durchgeführt werden, also ohne Übernachtung im Spital. Eine entsprechende Verlagerung ist bereits teilweise erfolgt, wie das Schweizerische Gesundheitsobservatorium im Februar 2025 in einem Bericht festhielt.
Mit der Reform haben künftig alle Finanzierer denselben Anreiz, die zumeist kostengünstigere und für die Patientinnen und Patienten oft auch medizinisch sinnvollere ambulante Behandlung gegenüber den teureren stationären Eingriffen zu bevorzugen.
Zurzeit werden die Kosten für ambulante Leistungen vollumfänglich von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung getragen, das heisst über Prämien finanziert. Ab 2028 werden sich auch die Kantone an der Finanzierung der ambulanten Leistungen beteiligen. Durch die Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen hat sich die Finanzierungslast in den letzten Jahren insgesamt von den Steuern zu den Prämien verschoben. Künftig dürfte die einheitliche Finanzierung dazu führen, dass die Prämienzahlenden im Vergleich zu einer Weiterführung des bisherigen Systems unter dem Strich entlastet und die Kantone stärker belastet werden.
Massnahmen zur Kostendämpfung
Trotz der Finanzreformen ist im Gesundheitswesen weiter mit einem Kostenwachstum zu rechnen. Hauptgründe dafür sind die demografische Entwicklung – und die damit verbundene Zunahme an chronischen Krankheiten –sowie die medizinisch und technologisch begründete Zunahme an Behandlungsmöglichkeiten. Hinzu kommt ein Anstieg des Preisniveaus sowie eine «medizinisch nicht begründbare Mengenausweitung» (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Kostendämpfungspaket 1 BBl 2019: 6078).
Im Jahr 2018 hat der Bundesrat deshalb ein breit angelegtes Kostendämpfungsprogramm verabschiedet. In der Folge hat er zwei Kostendämpfungspakete geschnürt und eine Vorlage für Kostenziele, also das maximal angestrebte Kostenwachstum, erarbeitet.
Die Massnahmen des ersten Pakets (Paket 1a und 1b) sind bereits weitgehend umgesetzt. Dazu gehört beispielsweise, dass die Tarifpartner – also die Leistungserbringer und die Versicherer – verpflichtet sind, die Kostenentwicklung zu überwachen. Wachsen die Kosten zu stark, müssen sie Korrekturmassnahmen ergreifen.
In der Frühjahrssession 2025 hat das Parlament das zweite Paket verabschiedet. Es enthält Massnahmen wie eine differenzierte Prüfung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der KVG-Leistungen oder die Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung.
Die Kostenziele wiederum sollen die Transparenz über diejenige Kostenentwicklung stärken, welche mit Blick auf Faktoren wie die demografische Entwicklung, den medizinischen Fortschritt sowie das vorhandene Effizienzpotenzial als gerechtfertigt erscheint. Die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Verordnungsänderung wird derzeit ausgewertet.
Reformen im ambulanten Bereich
Vor dem Hintergrund des starken Kostenanstiegs im ambulanten Bereich hat das Parlament im Juni 2020 eine KVG-Revision über die Zulassung von Leistungserbringern verabschiedet. Die Reform ersetzt die bisherige, befristete Lösung mit einer langfristigen und definitiven Lösung. Die ärztlichen Leistungen machen einen wesentlichen Teil der Kosten des ambulanten Bereichs aus. Die Reform ermöglicht es den Kantonen unter anderem, die Zulassung von ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu beschränken. Zudem können die Kantone Höchstzahlen für medizinische Fachgebiete und für Versorgungsregionen festlegen und zudem die Zulassung aussetzen, wenn die Kosten überproportional wachsen.
Mit der Reform haben die Kantone, die für die Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung verantwortlich sind, somit dauerhaft ein wichtiges Steuerungsinstrument erhalten. Ausserdem werden sie mit dem Inkrafttreten der einheitlichen Finanzierung auf Anfang 2028 zusätzlich auch den nichtärztlichen Bereich stärker steuern können.
Ein weiterer wichtiger Reformschritt im ambulanten Bereich wird die geplante Einführung eines Gesamttarifsystems per Anfang 2026 sein. Dieses umfasst TARDOC als Einzelleistungstarifstruktur sowie eine Tarifstruktur, die für bestimmte ärztliche Behandlungen Patientenpauschaltarife (ambulante Pauschalen) vorsieht. Das Gesamttarifsystem löst die derzeitige Tarifstruktur TARMED ab. Es muss kostenneutral eingeführt werden – das heisst grundsätzlich, der Wechsel vom TARMED zum neuen Gesamttarifsystem darf per se keine Mehrkosten verursachen.
Demografische Herausforderungen
Abschliessend lässt sich sagen: Eine der grössten Herausforderungen für unser Gesundheitswesen bleibt die demografische Entwicklung. Mit der steigenden Lebenserwartung nimmt die Zahl älterer Menschen zu, und mit dem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an einer oder mehreren chronischen Krankheiten zu leiden. Dies führt zu höheren Gesundheitskosten, da der Bedarf an medizinischer Behandlung zunimmt. Gleichzeitig manifestiert sich zunehmend, dass die Zahl der Fachkräfte, die das Rentenalter erreicht und aus dem Berufsleben aussteigt, höher ist als die Zahl der neu ausgebildeten Fachkräfte.
Damit unser Gesundheitssystem und insbesondere auch die obligatorische Krankenpflegeversicherung nachhaltig finanzierbar bleibt und die vorhandenen personellen und finanziellen Mittel effizient und am richtigen Ort eingesetzt werden, wird es deshalb weiterhin kostendämpfende Massnahmen brauchen. Mit anderen Worten: Kostendämpfung und Effizienzsteigerung bleiben Daueraufgaben.
Die Herausforderung ist, kostendämpfende Massnahmen so zu konzipieren, dass sie möglichst wirksam sind und gleichzeitig die Ziele des KVG – den allgemeinen und gleichen Zugang aller Versicherten zu den notwendigen Leistungen sowie die Solidarität zwischen Kranken und Gesunden einerseits und zwischen Einkommensstarken und Einkommensschwachen andererseits – nicht gefährden.