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Innovation stärkt das KVG

Im Verlauf der 30 Jahre seit Einführung des KVG hat sich auch die Rolle der Krankenversicherer in der Grundversicherung weiterentwickelt und an Facetten gewonnen. Als Vertreter der Interessen ihrer Versicherten werden sie zunehmend auch zum innovativen Mitgestalter der Versorgung, um das System zu verbessern und strukturelle Probleme zu beseitigen.
Saskia Schenker
  |  11. November 2025
    Meinung
  • Krankenversicherung

Die Versicherten in der obligatorischen Grundversicherung haben im Wesentlichen zwei Anliegen an das Gesundheitssystem: Sie wollen einen guten Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen und dies zu bezahlbaren Prämien. Den Versicherern, die gesetzlich in der Grundversicherung keinen Gewinn machen, kommt dabei die Rolle als Interessenvertreterin ihrer Versicherten zu.

Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) brachte 1996 mit dem Obligatorium einen echten Paradigmenwechsel. In den darauffolgenden Jahren galt es, dieses neue System zu verfeinern. Es ging darum, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und Ungereimtheiten zu beseitigen.

So stellte der weiter verfeinerte Risikoausgleich sicher, dass der Wettbewerb zwischen den Versicherern über effiziente Administration, innovative Versicherungsmodelle und guten Service erfolgt und nicht darüber, möglichst guten Risiken anzuziehen. Heute lohnt es sich für die Krankenversicherer, verstärkt in eine gute Begleitung der Versicherten durch das Gesundheitssystem zu investieren und unnötige Behandlungen oder Doppelspurigkeiten zu vermeiden, um im Wettbewerb durch gute Dienstleistungen und tiefere Prämien attraktiv zu bleiben.

Zweites Beispiel: Seit der Revision der Spitalfinanzierung 2009 werden die Spitäler nicht mehr als Betrieb, sondern für ihre effektiv erbrachten stationären Leistungen vergütet. Dadurch stärkte die Politik den Wettbewerb zwischen den Spitälern durch wirtschaftliche Anreize und mehr Transparenz. Das dämpfte die Kosten im stationären Spitalbereich – ohne Abstriche bei der Versorgungsqualität.

Mit dieser Spitalreform versprach man sich eine Strukturbereinigung in der Spitallandschaft. Unter den Versicherern ist eine solche Bereinigung seit der Einführung des KVG durch den permanenten Wettbewerbsdruck erfolgt und weiter im Gange: Jedenfalls boten 1996 noch satte 145 Versicherer die OKP an, heute sind es gerade noch 37 – allein 10 davon vertreten 90 Prozent der Versicherten.

Durch Wettbewerb effizient und innovativ

Die Wahlfreiheit der Versicherten und der daraus resultierende Wettbewerb wirken bei den Versicherern zudem bis heute als ständiger Motor für mehr Effizienz und Innovation. Fortlaufend investierten die Krankenversicherer in die Effizienz ihrer Prozesse und trieben die Digitalisierung voran. So konnten sie ihren Verwaltungskostenanteil von 8,9 Prozent der Prämien im Jahr 1996 auf 4,6 Prozent im Jahr 2024 senken – und dies, obwohl der Regulierungsgrad stark gestiegen ist.

Aber nicht nur das: Auch eine der Kernkompetenzen der Versicherer, die Rechnungskontrolle, verläuft inzwischen weitgehend automatisiert. Heute prüfen die Versicherer rund 130 Millionen Rechnungen auf nicht gerechtfertigt in Rechnung gestellte Kosten. Die Prämienzahlerinnen und -zahler sparen dadurch 3,5 Milliarden Franken – und das pro Jahr.

Als Innovationsmotor beweist sich der Wettbewerb auch in den unterschiedlichen Alternativen Versicherungsmodellen, mit denen sich die Versicherer am Markt differenzieren können. Heute haben über 80 Prozent der Versicherten ein ihnen entsprechendes alternatives Versicherungsmodell gewählt. Die Ansätze dahinter sind vielfältig: Integrierte Versorgungsnetzwerke, Gatekeeping wie Hausarztmodelle, Capitation (Pro-Kopf-Pauschalen) oder Telemedizin – alle haben sie gemein, dass sie bei gleichbleibender oder sogar verbesserter Versorgungsqualität Kosten einsparen. Der Einzelne kann dadurch seine Prämienlast um bis zu 20 Prozent senken.

Mitgestalter struktureller Reformen

Um jedoch auch das immense Effizienzpotenzial des Schweizer Gesundheitssystems insgesamt zu erschliessen, braucht es weitere strukturelle Reformschritte. Auf dieser Ebene agieren die Versicherer über die Jahre hinweg zunehmend als lösungsorientierter Mitgestalter, partnerschaftlicher Vermittler und Koordinator. Erster weichenstellender Meilenstein dieser Arbeit war die grosse Finanzierungsreform der einheitlichen Finanzierung, die im November 2024 an der Urne deutlich angenommen wurde.

Bisher sorgten tief verankerte Fehlanreize dafür, dass Behandlungen in Medizin und Pflege noch zu oft stationär und damit deutlich teurer durchgeführt werden. Die einheitliche Finanzierung wird die Verlagerung in den ambulanten Bereich beschleunigen – ein Entscheid, der meist kostengünstiger ist und obendrein oft medizinisch sinnvoller und bedarfsgerechter.

Immenses Potenzial der Spitalplanung

Die Spitalstrukturen in der Schweiz und damit die Spital- und Versorgungsplanung der Kantone sind ein weiterer zentraler Hebel, um das immense Einsparpotenzial des Gesundheitssystems im Interesse der Prämienzahlenden auszuschöpfen. Das KVG hält die Kantone an, ihre Spitalplanung nach dem Bedarf auszurichten. Die Spitallandschaft der Schweiz ist heute geprägt von vielen unnötigen und teuren Doppelspurigkeiten. Das Denken in grösseren, kantonsübergreifenden Versorgungsräumen ermöglicht eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung und einen verantwortungsvollen Umgang mit begrenzten Ressourcen. Eine interkantonale Koordination ist in der Spitalplanung unerlässlich.

Hier bieten die Versicherer den Kantonen konkret Hand zum Dialog mit dem Ziel, sie darin zu unterstützen, ihre Leistungsverträge an die Spitäler – also das tatsächliche stationäre Angebot – über die Kantonsgrenzen hinweg besser aufeinander abzustimmen und gemeinsam zu vergeben. Es müssen nicht alle Spitäler auf engstem Raum alle Leistungen anbieten. Es gilt, die Notversorgung vor Ort sicherzustellen und sich einander sinnvoll ergänzend zu spezialisieren sowie verstärkt in ambulante Strukturen zu investieren. So können hohe Beträge im Interesse der Prämienzahlenden eingespart werden und gleichzeitig die Qualität der stationären Versorgung durch erhöhte Fallzahlen in den spezialisierten Spitälern verbessert werden.

 

«Standpunkt» ist ein Format, in dem Organisationen von ausserhalb der Bundesverwaltung ihre Sichtweise darlegen. Ihre Meinung kann von derjenigen des Bundesrats abweichen.

Direktorin, Prio.swiss, Verband Schweizer Krankenversicherer
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