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Kostenwachstum im Gesundheitswesen gemeinsam dämpfen

An einem «Runden Tisch» haben die Akteure des Gesundheitswesens Massnahmen zur Kostendämpfung beschlossen. Ab 2026 sollen über 300 Millionen Franken pro Jahr eingespart werden.
Monika Rüegg
  |  18. Dezember 2025
    Recht und Politik
  • Gesundheitspolitik
  • Krankenversicherung
Im Oktober 2025 haben sich Akteure des Gesundheitswesens zu einem «Runden Tisch Kostendämpfung» getroffen. Im Vordergrund Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (r.) und GDK-Präsident Lukas Engelberger (Keystone).

Auf einen Blick

  • Die vom «Runden Tisch Kostendämpfung» verabschiedeten Massnahmen ermöglichen Einsparungen im Gesundheitswesen von jährlich mindestens 303 Millionen Franken.
  • Die Mehrheit der Massnahmen basiert auf der Selbstverpflichtung der Akteure.
  • Gemeinsames Handeln erhöht die Erfolgschancen von Kostendämpfung im Gesundheitswesen.

Der Bundesrat hält in der Strategie Gesundheit 2030 fest: Die Menschen in der Schweiz sollen von einem modernen, qualitativ hochwertigen und gleichzeitig finanziell tragbaren Gesundheitssystem profitieren. Dieser Grundsatz macht deutlich: Kosten und Kostendämpfung können nicht isoliert betrachtet werden. Sie stehen immer im Zusammenhang mit Qualität, Versorgung und Zugang.

Kostendämpfung ist in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, auch Grundversicherung genannt, von zentraler Bedeutung. Als solidarisch finanzierte Sozialversicherung muss sie das Gleichgewicht zwischen Leistungen und Kosten wahren.

Im Jahr 2024 beliefen sich die Kosten der Grundversicherung auf rund 55 Milliarden Franken (siehe Grafik). Davon stammen etwa 37 Milliarden Franken aus Prämien der Versicherten, rund 12 Milliarden Franken aus Beiträgen der Kantone und Steuerzahlenden sowie etwa 6 Milliarden Franken aus Kostenbeteiligungen der Patientinnen und Patienten.

Ein Teil der Kosten ist beeinflussbar

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen seit Jahren. Gründe dafür sind insbesondere der demografische Wandel, medizinisch-technischer Fortschritt, steigende Personalkosten, Mengenausweitungen, aber auch Ineffizienzen und Fehlanreize im Gesundheitssystem. Der Kostenanstieg kann in einigen Fällen gerechtfertigt sein – denken wir an neue Behandlungsmöglichkeiten.

Kurz gesagt: Ein Teil der Gründe für das Kostenwachstum ist bekannt, lässt sich beeinflussen und ist gerechtfertigt – ein anderer nicht. Genau das macht den Umgang mit Gesundheitskosten komplex und die Kostendämpfung anspruchsvoll.

Deshalb gilt es sorgfältig zu prüfen, bei welchen Kostentreibern angesetzt werden kann und soll. Der Fokus soll dabei dort liegen, wo die Gelder ineffizient ausgegeben werden oder Leistungen medizinisch nicht sinnvoll sind.

Drei Pfeiler der Kostendämpfung

Hier setzt die «Kostendämpfung» des Bundes an: Sie soll das Wachstum der Gesundheitskosten bremsen, damit die Grundversicherung auch künftig finanziell tragbar bleibt. Sie basiert auf folgenden drei Pfeilern:

  • Erstens: die Pflege des Leistungskatalogs und der Tarifierung.
  • Zweitens: die «gute» Umsetzung der Reformen, die Volk und Parlament beschlossen haben (einheitliche Finanzierung, Kostenziele, Zulassung der Leistungserbringer, Qualität).
  • Drittens: zusätzliche Massnahmen, die kurzfristig umsetzbar sind.

Partizipativer Ansatz

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Akteure des Gesundheitswesens den Wunsch nach stärkerem Einbezug bei der Entwicklung von Kostendämpfungsmassnahmen geäussert. Diesem Anliegen trägt der «Runde Tisch Kostendämpfung», den Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider im Jahr 2024 initiiert hat, Rechnung: Er bietet eine Plattform, um konkrete Massnahmen zu erarbeiten.

Im November 2024 kamen Kantone, Ärzteschaft, Spitäler, Krankenversicherer, Pharmaindustrie, Patientenorganisationen, Forschende sowie der Preisüberwacher erstmals unter der Leitung der Bundesrätin zusammen. Ziel war es, gemeinsam kurz- und mittelfristig umsetzbare Massnahmen zu entwickeln und die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren zu fördern. Die Teilnehmenden einigten sich darauf, ab 2026 jährlich rund 300 Millionen Franken bei den Kosten der Leistungen der Grundversicherung einzusparen.

Für die Ausarbeitung der Massnahmenvorschläge setzte der Runde Tisch eine Expertengruppe ein, in der alle beteiligten Organisationen vertreten sind. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wurde beauftragt, die Arbeiten fachlich und organisatorisch zu unterstützen.

Zwischen November 2024 und Oktober 2025 erarbeitete die Expertengruppe Massnahmen, um das Kostenwachstum im Gesundheitswesen zu bremsen. Wenn Bereiche betroffen waren, die am Runden Tisch nicht vertreten waren, wurden diese jeweils konsultiert.

Selbstverpflichtung der Akteure

In der Vergangenheit wurden kostendämpfende Massnahmen häufig über regulatorische Vorgaben umgesetzt. Im Gegensatz dazu konzentrierte sich die Expertengruppe bei ihren Arbeiten bewusst auf Ansätze, die von den beteiligten Akteuren eigenständig in Angriff genommen werden können.

Dazu gehört beispielsweise die Selbstverpflichtung der Krankenversicherer, ihre Verwaltungskosten um 2 Prozent zu senken, was Einsparungen von rund 40 Millionen Franken bedeutet. Ein weiterer Ansatz ist, dass die Ärzteschaft Wirkstoffe verschreibt, um Generika und Biosimilars zu fördern. Zudem soll die Initiative «smarter medicine» gefördert werden. Diese verfolgt das Ziel, mit konkreten Behandlungsempfehlungen Fehl- und Überbehandlungen zu reduzieren.

Insgesamt hat die Expertengruppe in 8 Sitzungen, diversen Untergruppen-Treffen und weiteren Gesprächen und Austauschen einen Katalog von 38 Massnahmen in 12 Bereichen erstellt (siehe Kasten). Diese wurden im Oktober 2025 in einem Massnahmenpapier festgehalten. Alle Massnahmen zielen darauf ab, bestehende Fehlanreize und Ineffizienzen im Gesundheitssystem zu beseitigen und dadurch Kosten zu senken. Dabei bleibt gewährleistet, dass keine medizinisch notwendigen und sinnvollen Leistungen gekürzt werden.

Bereiche der kostendämpfenden Massnahmen

  • Health Technology Assessments (HTA) – Empfehlungen
  • Effizientere Umsetzung Preismodelle
  • Einsparungen Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)
  • Förderung «Ambulantisierung»
  • Förderung «smarter medicine»
  • Förderung von Generika und Biosimilars
  • Information der Versicherten
  • Labore
  • Reduktion Papierrechnungen
  • Schärfung des Kostenbewusstseins und Stärkung der Systemkompetenz
  • Verwaltungskosten der Versicherer
  • Weitergabe von Rabatten

Sparziel erreicht

Mit dem Massnahmenpapier kann das Sparziel des «Runden Tischs» erreicht werden: Durch die Umsetzung der Massnahmen sollen mindestens 303 Millionen Franken in der Grundversicherung pro Jahr gespart werden. Die effektiven Einsparungen dürften noch grösser sein, da bei gewissen Massnahmen keine verlässliche Schätzung möglich war und sie daher nicht in die Berechnungen eingeflossen sind. Somit werden insgesamt Einsparungen in der Höhe von 1 Prozent der Prämien erreicht.

Diese Massnahmen und die angestrebte engere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren zeugen vom Willen und Engagement der Branche zur sinnvollen Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Das Massnahmenpapier geniesst eine breite Unterstützung im Gesundheitswesen durch die am Runden Tisch vertretenen sowie die zusätzlich konsultierten Branchen. Die Treffen haben eine Vertrauensbasis geschaffen, auf der alle Beteiligten für die Arbeiten im nächsten Jahr aufbauen können.

Arbeiten gehen 2026 weiter

Da die meisten der verabschiedeten Massnahmen direkt von den Akteuren des Gesundheitswesens umgesetzt werden, ist keine Gesetzesrevision erforderlich. Gewisse Massnahmen werden vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) durch Verordnungsänderungen umgesetzt, was rasch realisierbar sein sollte. Die Expertengruppe wird die Umsetzung begleiten und, soweit möglich, ein Monitoring einrichten.

Im Mai und Juni 2025 konnte die Bevölkerung in einem elektronischen Briefkasten ebenfalls Ideen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen einreichen. Rund 7400 Eingaben sind eingegangen, mit Vorschlägen unter anderem zur Ausgestaltung der Krankenversicherung, zu verschiedenen Leistungserbringern oder zu Medikamenten.

Das grosse Interesse unterstreicht die Bedeutung von Kostendämpfungsmassnahmen für die Bevölkerung. In den kommenden Monaten werden die Expertinnen und Experten des Runden Tischs die Eingaben sorgfältig analysieren und zielführende Vorschläge in ihre Arbeiten zuhanden des Runden Tischs einfliessen lassen.

Abschliessend lässt sich sagen: Kostendämpfung bleibt eine Daueraufgabe. Es braucht Massnahmen in allen drei Pfeilern der Kostendämpfung, denn die eine Lösung existiert nicht. Die Erfahrungen des Runden Tischs zeigen: Wenn alle Akteure Verantwortung übernehmen und zusammenarbeiten, steigen die Erfolgschancen deutlich. Dies ist eine positive Grundlage für die nächsten Schritte.

Leiterin Stab, Kranken- und Unfallversicherung, Bundesamt für Gesundheit (BAG)
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