Auf einen Blick
- Die Prämienverbilligung ist ein zentrales Instrument zur finanziellen Entlastung einkommensschwächerer Haushalte in der Grundversicherung.
- Prämienverbilligungen geben den Anreiz zur Wahl tieferer Franchisen und damit besserer finanzieller Absicherung bei Gesundheitskosten.
- Kantonale Unterschiede in der Ausgestaltung geben Anlass, über eine generell einkommensbasierte Prämiengestaltung in der Grundversicherung nachzudenken, um Fehlanreize zu mildern und die Transparenz und Gerechtigkeit zu erhöhen.
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) ist für alle in der Schweiz wohnhaften Personen verpflichtend. Insbesondere für Haushalte mit niedrigem Einkommen stellt die Prämienbelastung dabei eine erhebliche finanzielle Herausforderung dar. Um diese zu mindern, sieht das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) vor, dass die Kantone Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen gewähren, mitfinanziert durch Mittel des Bundes.
Im Jahr 2023 erhielten in der Schweiz knapp 2,5 Millionen Personen Prämienverbilligungen. Das entspricht 28 Prozent der Versicherten. Im Durchschnitt bezogen die anspruchsberechtigten Personen eine Prämienverbilligung von 2421 Franken, insgesamt 5,9 Milliarden Franken (BAG 2025). Zum Vergleich: Die mittlere Krankenkassenprämie belief sich im Jahr 2023 auf 3963 Franken.
Bei den Einkommensgrenzen für den Bezug einer Prämienverbilligung und bei der Höhe der Verbilligung gibt es allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den Kantonen. Dasselbe gilt bei den Bezugsmodalitäten: In einigen Kantonen erfolgt die Auszahlung automatisch, wenn ein gewisses Einkommen unterschritten wird; in anderen muss ein schriftlicher Antrag auf Prämienverbilligung gestellt werden. Zudem ist kantonal geregelt, welches Einkommen als massgebend gilt und wie die Prämienverbilligung berechnet wird. So finden sich sogenannte Prozentmodelle mit Prämienverbilligungen in anteiliger Höhe des massgebenden Einkommens, Stufenmodelle mit fixen Einkommensschranken oder gemischte Modelle.
Diese Heterogenität führt dazu, dass die Entlastungseffekte der Prämienverbilligung regional unterschiedlich sind. Während in manchen Kantonen eine breite Bevölkerungsgruppe reduzierte Prämien bezahlt, profitieren in anderen Kantonen vor allem Haushalte mit sehr tiefen Einkommen (siehe Grafiken).
Wahl von niedrigeren Franchisen
In den vergangenen Jahren hat sich die Forschung intensiv damit befasst, welchen Einfluss Prämienverbilligungen auf das Versicherungsverhalten haben. Im Fokus lagen dabei insbesondere die Auswirkungen auf die Wahl der Franchise in der OKP. Die Franchise, also der feste Jahresbetrag, den Versicherte vor einer Kostenübernahme durch die Versicherung selbst tragen müssen, ist ein zentrales Steuerungsinstrument für das Verhalten der Versicherten und hat sowohl finanzielle als auch gesundheitspolitische Implikationen.
Eine Studie (Kaufmann, Schmid und Boes 2017) untersuchte die Wirkung von Prämienverbilligungen, wie sie derzeit in allen Kantonen gewährt werden – sprich, als Auszahlung direkt an die Versicherer, die dann die Versicherungsprämie reduzieren, im Vergleich zur bis 2014 noch möglichen Auszahlung an die Versicherten (de facto einem Transfer gleichkommend). Dabei zeigte sich: Prämienverbilligungen, wie im heutigen System angewandt, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine niedrige Franchise zu wählen, um 4 Prozentpunkte im Vergleich zum Transfersystem. Besonders stark tritt der Effekt bei Frauen, Versicherten mittleren Alters und Unverheirateten auf, was die Autoren auf höhere Risikoaversion und finanzielle Erwägungen zurückführen. Diese Ergebnisse, insbesondere auch zur Relevanz von Subventions- und Einkommenseffekten der Prämienverbilligung, wurden in weiteren Studien auch mit anderen respektive neueren Daten (Vaidya 2021; Zou 2024) bestätigt.
Eine höhere Wahrscheinlichkeit, die niedrigste Franchise zu wählen, kann grundsätzlich als positive Wirkung der Prämienverbilligung gewertet werden, da es die Bezügerinnen und Bezüger der Prämienverbilligung in finanzieller Hinsicht bei anfallenden Gesundheitskosten besser absichert. Schmid, Schreiner und Stutzer (2022) betrachten dahingehend auch die Wirkung der Prämienverbilligung auf das Zahlungsverhalten, und zeigen, dass der Anteil verspäteter Prämienzahlungen signifikant reduziert und die Betreibungswahrscheinlichkeit gesenkt werden konnten. Diese verbesserte Zahlungstreue ist essenziell, damit Versicherte die Vorteile einer tieferen Franchise tatsächlich nutzen können, ohne durch Zahlungsschwierigkeiten in finanzielle Notlagen zu geraten.
Eine noch unveröffentlichte Arbeit der Universität Luzern (Ackermann, Boes und Lordemus 2025) bestätigt und erweitert die bisherigen Erkenntnisse mit neuen Registerdaten. Insbesondere wurde die Wirkung der Prämienverbilligung auf die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und die Gesundheitskosten untersucht. Während es bei den Gesundheitskosten kaum einen Effekt gibt, zeigen die Ergebnisse eine signifikante Reduktion der direkten, selbst getragenen Gesundheitsauslagen («out-of-pocket health expenditures»), was wiederum auf den absichernden Effekt der Prämienverbilligung, nicht aber auf eine Nachfrageausweitung hindeutet.
Strukturelle Probleme beseitigen
Trotz dieser positiven Wirkungen gibt es strukturelle Herausforderungen im aktuellen System der Prämienverbilligung. Die Vielfalt der kantonalen Regelungen führt zu Intransparenz und unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten. Frühere Untersuchungen deuten darauf hin, dass nicht alle Personen, die bezugsberechtigt wären, tatsächlich Prämienverbilligungen erhalten (z.B. Balthasar, Bieri und Furrer 2001). Zudem hinkt der Anstieg der Prämienverbilligungen dem Anstieg der Versicherungsprämien hinterher, was zur einer steigenden Prämienbelastung führt.
Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der im Juni 2024 abgelehnten Prämienentlastungsinitiative wäre die Einführung einer stärker einkommensbasierten Versicherungsprämie in der Grundversicherung aus sozialpolitischer Sicht eine Überlegung wert. Dies hätte folgende Vorteile:
- Die Prämien würden direkt nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten gestaffelt, was eine gerechtere Belastungsverteilung ermöglicht.
- Die heute bereits de facto existierende Umverteilung durch Prämienverbilligung würde transparenter und einfacher gestaltet.
- Fehlanreize und regionale Ungleichheiten könnten reduziert werden.
Eine solche Reform müsste zunächst sorgfältig geprüft werden, um ihre finanzielle Tragbarkeit, ihre sozialen Effekte sowie die praktische Umsetzbarkeit zu gewährleisten. Gleichzeitig entlastet die Gestaltung der Prämien und der Prämienverbilligung das Gesundheitssystem als Ganzes nicht, das stetige Kostenwachstum gerade in der Grundversicherung systemisch anzugehen.
Literaturverzeichnis
Ackermann, Noel; Boes, Stefan; Lordemus, Samuel (2025). The Effect of Premium Subsidies on Health Plan Choice and Healthcare Demand. Center for Health, Policy, and Economics, Universität Luzern. Unveröffentlichtes Manuskript.
BAG (2025). Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2023. 11. Juni.2025
Balthasar, Andreas; Bieri, Oliver; Furrer, Cornelia (2001). Evaluation des Vollzugs der Prämienverbilligung im Kanton Luzern. Vertiefung zur Rahmenstudie des Bundesamtes für Sozialversicherung. Im Auftrag des Kantons Luzern, Gesundheits- und Sozialdepartement. 30. April 2001.
Kaufmann, Cornel; Schmid, Christian P.R.; Boes, Stefan (2017). Health Insurance Subsidies and Deductible Choice: Evidence from Regional Variation in Subsidy Schemes. Journal of Health Economics 55, 262–273.
Schmid, Christian P. R.; Schreiner, Nicolas; Stutzer, Alois (2022). Transfer Payment Systems and Financial Distress: Insights from Health Insurance Premium Subsidies. Journal of the European Economic Association 20(5), 1829–1858.
Vaidya, Shalvaree (2021). The impact of premium subsidies on health plan choices in Switzerland: Who responds to the incentives set by in-kind as opposed to cash transfers? Health Policy 125(6), 675–684.
Zou, Lan (2024). The Impact of Subsidies on Deductible Choice in Health Insurance. Universität St. Gallen. Unveröffentlichtes Manuskript.