Auf einen Blick
- Ob jemand verheiratet, ledig oder nicht mehr verheiratet ist, wirkt sich in der Schweiz auf die Lebenserwartung aus.
- Nicht Verheiratete weisen ein höheres Sterblichkeitsrisiko auf.
- Der Schutzeffekt der Ehe ist unter anderem auf Selektionsmechanismen zum Zeitpunkt der Heirat sowie auf ein unterschiedliches Risikoverhalten zurückzuführen.
In unserer durch vielfältige Lebensentwürfe und Familienmodelle geprägten Gesellschaft verliert der Zivilstand zunehmend an Bedeutung. Doch aus demografischer Betrachtung zeigt sich ein anderes Bild: Die Sterblichkeit variiert weiterhin signifikant, je nachdem, ob jemand verheiratet, ledig oder nicht mehr verheiratet ist. Das zeigt ein kürzlich vom Bundesamt für Sozialversicherungen veröffentlichter Bericht (Wanner 2025), der die in anderen Industrieländern beobachteten Entwicklungen bestätigt (Manzoli et al. 2007). Besonders bemerkenswert ist dieser Befund, da a priori kein kausaler Zusammenhang zwischen Zivilstand und Sterblichkeit besteht.
Signifikante Sterblichkeitsunterschiede nach Zivilstand
Die Grafiken 1 und 2 veranschaulichen die kürzere Lebenserwartung für Ledige sowie für nicht mehr Verheiratete im Vergleich zu Verheirateten für verschiedene Zeiträume seit 2011. Mit nicht mehr verheirateten Personen sind verwitwete und geschiedene Männer und Frauen gemeint. Die entsprechenden Originaldaten zeigen, dass ledige Männer im Alter von 25 Jahren rund sechs Jahre weniger lang leben als verheiratete Männer; die Lebenserwartung für ledige Frauen liegt rund 4 Jahre tiefer als jene der verheirateten. Bei nicht mehr Verheirateten liegt die Lebenserwartung für Männer 5 Jahre und für Frauen 3 Jahre tiefer als bei den Verheirateten.
Auch im Alter von 65 Jahren ist die Lebenserwartung von ledigen und nicht mehr verheirateten Personen kürzer als die von verheirateten Personen. Die Lebenserwartung lediger Männer ist um fast 4 Jahre, die der nicht mehr verheirateten Männer und ledigen Frauen um etwa 2,5 Jahre und die der nicht mehr verheirateten Frauen um 1,5 Jahre verkürzt.
Diese Unterschiede in der Lebenserwartung sind relativ bedeutend und fallen grösser aus als für andere Variablen wie etwa das Bildungsniveau, die Nationalität, das Einkommen oder den ausgeübten Beruf. Die zivilstandsbezogenen Sterblichkeitsunterschiede haben sich im Laufe der Zeit nicht verändert. Das belegt ein Vergleich der kürzlich berechneten Daten mit Zahlen einer Studie zum Zeitraum 1990‒2005 (Wanner und Lerch 2012).
Nicht verheiratete Personen weisen bei allen Todesursachen ein höheres Sterblichkeitsrisiko auf. Am grössten ist der Unterschied zwischen ledigen und verheirateten Personen bei Ursachen im Zusammenhang mit psychischen und Verhaltensstörungen sowie bei gewaltsamen Todesfällen. Die Übersterblichkeit bei diesen Ursachengruppen wurde bereits in der vorgängig erwähnten Studie von 2012 festgestellt.
Diese spezifischen Ungleichheiten vor dem Tod hängen mit verschiedenen Faktoren zusammen, die nicht immer ausreichend erforscht sind. Im Folgenden werden diese Faktoren erörtert, wobei zwischen Selektions- und Verhaltenseffekten unterschieden wird.
Selektion bei der Heirat als Faktor für Ungleichheiten
Im letzten Jahrzehnt sind bei den in den 1930er-Jahren geborenen Generationen die meisten Todesfälle verzeichnet worden: Im Jahr 2022 entfielen 38 Prozent der Todesfälle in der Schweiz auf diese Jahrgänge, während vor 1930 geborene Personen 21 Prozent ausmachten. Die entsprechenden Jahrgänge tragen somit massgeblich zu den nach Zivilstand festgestellten Unterschieden in der Lebenserwartung bei. Bezogen auf diese Generationen lässt sich denn auch ein Selektionseffekt zum Zeitpunkt der Heirat ermitteln.
Für die erwähnten Jahrgänge galt die Heirat noch weitgehend als Schritt in ein gemeinsames Leben als Paar: Daten des Bundesamts für Statistik (BFS) zufolge gingen rund 85 Prozent der 1930 geborenen Männer und Frauen vor ihrem 50. Geburtstag eine Ehe ein (Generation 1940, Männer 78%, Frauen 84%). Vor dem Wandel der familiären Normen Ende der 1960er-Jahre war die Eheschliessung für junge Menschen quasi ein Muss, um sich von den Eltern zu lösen und eine eigene Familie zu gründen. Vor diesem Hintergrund bilden ledige Personen nicht nur eine Minderheit, sondern auch eine selektierte Gruppe: Gemäss der Selektionstheorie der Ehe und verschiedenen Untersuchungen zum Heiratsmarkt bleiben Menschen in schlechter Gesundheit häufiger ledig (Hu und Goldman 1990). Da der Gesundheitszustand einer Person deren Sterblichkeit beeinflusst, weisen demnach Ledige ein höheres Sterblichkeitsrisiko auf.
Der ungleiche Zugang zur Ehe birgt zudem für Ledige lebenslang ein erhöhtes Armutsrisiko. Jüngere Daten zeigen im Übrigen, dass die Lebensbedingungen von ledigen Pensionierten weniger gut sind als jene von pensionierten Eheleuten (Wanner und Gerber 2021). In den 1930er-Jahren geborene ledige Personen sind somit fragiler und verfügen über weniger Ressourcen, was das erhöhte Risiko eines frühzeitigen Todes im Vergleich zu Verheirateten erklärt.
Ehe als schützender Faktor
Über den Ehe-Selektionseffekt hinaus lassen sich die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Ledigen und Verheirateten, aber auch zwischen Verheirateten und nicht mehr Verheirateten auf einen zweiten Faktor zurückführen: das unterschiedliche Risikoverhalten je nach Zivilstand. Die Schutzwirkung durch Eheschliessung scheint rasch einzutreten: Die Analysen ergeben eine starke Verringerung des Sterblichkeitsrisikos direkt nach der Heirat (siehe Grafik 3). Im Vergleich zum ledigen Status führt die Eheschliessung bei den Männern zu einer Verringerung des Sterblichkeitsrisikos um 40 bis 70 Prozent je nach betrachtetem Alter. Bei Frauen, die im relativ fortgeschrittenen Alter zwischen 40 und 70 Jahren heiraten, reduziert sich das Sterblichkeitsrisiko um 40 bis 60 Prozent.
Bei den Männern zeigt sich diese schützende Wirkung der Ehe stärker als bei den Frauen (Rendall et al. 2011). Für die älteren Generationen, die heute sterben, scheint der positive Einfluss jedoch erwiesen. Für jüngere Erwachsene wird dieser Effekt in der neueren Literatur zunehmend infrage gestellt, da in den Industrieländern eine starke Individualisierung stattgefunden hat (Kalmijn 2017). Die Sterblichkeitsraten für die Schweiz für die jüngsten Jahrgänge (in den 1970er-Jahren geborene und zum Zeitpunkt der Studie 40- bis 49-jährige Personen) weisen indessen darauf hin, dass die Ehe auch bei Jüngeren eine Schutzwirkung entfaltet.
Dieser Schutzeffekt zeigt sich auf drei verschiedene Arten: Erstens geht eine Person weniger Risiken ein, wenn sie familiäre Pflichten hat, was sicherlich zur Verringerung unfallbedingter Todesfälle beiträgt. Zweitens kann die emotionale Unterstützung oder die Pflege durch die Partnerin oder den Partner einen positiven Einfluss haben. Und drittens dürfte der Gesundheitsprävention, vor allem der Ernährung, bei einem Leben in Partnerschaft mehr Bedeutung beigemessen werden. Dies wiederum schlägt sich in einem tieferen Sterblichkeitsrisiko verheirateter Personen bei allen grossen Todesursachengruppen (Tumore, Herzkrankheiten, Atemwegserkrankungen) nieder.
Paradox Ehe
Abschliessend lässt sich demzufolge festhalten, dass die Ehe für die Jahrgänge mit dem derzeit höchsten Sterblichkeitsrisiko eindeutig mit einer markanten Verringerung des Sterblichkeitsrisikos korreliert. Die Gründe für diesen Schutz werden in der internationalen Literatur kontrovers diskutiert und teilweise infrage gestellt. Fakt ist aber: In der Schweiz hat sich der Einfluss des Zivilstands auf die Sterblichkeit seit drei Jahrzehnten nicht verändert.
Die für die Schweiz berechneten Daten lassen darauf schliessen, dass die schützende Wirkung der Ehe, obwohl diese als soziale Institution an Bedeutung verloren hat, durchaus real ist. Dieses Paradox erfordert weitere Studien, um die ihm zugrunde liegenden Mechanismen genauer zu verstehen.
Literaturverzeichnis
Hu, Yuanreng; Goldman, Noreen (1990). Mortality Differentials by Marital Status: an International Comparison. Demography, 27, 233–250.
Kalmijn, Matthijs (2017). The Ambiguous Link Between Marriage and Health: A Dynamic Reanalysis of Loss and Gain Effects. Social Forces, 95(4), 1607–1636.
Rendall, Michael. S.; Weden, Margaret. M.; Favreault, Melissa. M.; Waldron, Hilary (2011). The Protective Effect of Marriage for Survival: a Review and Update. Demography, 48(2), 481–506.
Wanner, Philippe; Lerch, Mathias. (2012) Mortalité différentielle en Suisse 1900–2005. Studie im Auftrag des BSV. Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht Nr. 10/12.
Wanner, Philippe; Gerber, Roxane (2021). La situation économique de la population en âge d’activité et à l’âge de la retraite. Studie im Auftrag des BSV. Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht Nr. 4/22.
Wanner, Philippe. (2025). Mortalité différentielle en Suisse 2011–2022. Studie im Auftrag des BSV. Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht Nr. 1/25.