Der Bericht zu diesem Thema, der im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) vom Büro BASS erstellt wurde, geht zwei Fragen nach: erstens, wie viele Kinder und junge Erwachsene in der Schweiz in welchen Familien- und Haushaltssituationen leben und wie viele davon Eltern haben, die eine AHV- oder IV-Rente mit Kinderzusatzrente beziehen; zweitens, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen die Renten auslösenden Kinder leben und welche Bedeutung den Kinderrenten aus der 1. Säule und der beruflichen Vorsorge dabei zukommt.
Mit dem Kommissionspostulat vom 14.11.2016 (16.3910 «Kinderrenten der ersten Säule vertieft analysieren») wurde der Bundesrat beauftragt, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bezügerinnen und Bezüger von Kinderrenten zu analysieren, die Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen sowie den Export von Kinderrenten der AHV und IV und von Waisenrenten an Pflegekinder ins Ausland zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten. Der vorliegende Artikel beschränkt sich auf die Analyse der wirtschaftlichen Situation von Bezügerinnen und Bezügern einer Kinderrente. Die Resultate der übrigen Untersuchungen, die das Postulat verlangte, wurden im Rahmen der Botschaft zur Stabilisierung der AHV (AHV 21) publiziert.
Datengrundlage Zur Beantwortung der Fragen wurde der Synthesedatensatz zur «wirtschaftlichen Situation von Personen im Erwerbs- und Rentenalter» (WiSiER) zur Verfügung gestellt. Dieser befand sich zu Beginn der Arbeiten noch im Aufbau. Er enthält Informationen aus der Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (Statpop), aus verschiedenen Registern der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS), aus der Strukturerhebung sowie aus den Steuerdaten von elf Kantonen (AG, BE, BL, BS, GE, LU, NE, NW, SG, TI, VS). Die Analysen zur wirtschaftlichen Situation der Unterstützungseinheiten von Renten auslösenden Kindern beschränken sich demnach auf diese elf Kantone. Bezogen auf die Gesamtheit aller Rentenempfänger und Rentenempfängerinnen mit Wohnsitz in der Schweiz liegt der Abdeckungsgrad bei rund 43 Prozent. Die Ergebnisse können insgesamt als repräsentativ für die Schweiz betrachtet werden, obwohl getrennt lebende Eltern im Analysesample leicht unter- und zusammen lebende leicht übervertreten sind. Das Basisjahr ist 2015.
Rentenauslösende Kinder und Rentenempfängerinnen und -empfänger Von 1000 in der Schweiz lebenden Kindern und jungen Erwachsenen bis 24 Jahre lösen sieben eine Kinderrente zur AHV und 27 eine solche zur IV aus. Bei der AHV sind dies deutlich häufiger junge Erwachsene (12 auf 1000) als Minderjährige (4 auf 1000). Bei der IV hingegen sind diese Unterschiede deutlich geringer mit 28 von 1000 Renten auslösenden Minderjährigen und 25 von 1000 jungen Erwachsenen.
Die rund 100 000 ausgerichteten Kinderrenten werden durch knapp 96 000 Renten auslösende Kinder begründet. Das bedeutet, dass in etwas mehr als 4000 Fällen eine Doppelrente ausgelöst wird. In diesen Fällen erhalten sowohl der Vater als auch die Mutter eine Kinderrente. Insgesamt werden die Kinderrenten an rund 68 000 Rentenempfänger und Rentenempfängerinnen ausbezahlt, was pro Person im Durchschnitt 5 Kinderrenten ergibt. Bei der AHV sind es mit 1,3 etwas weniger als bei der IV mit 1,6, wo der Anteil an Empfängern und Empfängerinnen mit mehr als einem Renten auslösenden Kind mit gut 40 Prozent deutlich höher ist als bei der AHV (25%).
Rund ein Viertel der Kinderrenten sind Zusatzrenten zur AHV, drei Viertel solche zur IV. Insgesamt 20 Prozent aller Kinderrenten werden an Rentenempfänger und Rentenempfängerinnen ausbezahlt, die im Ausland wohnen. Dies betrifft 33 Prozent aller AHV-Kinderrenten und 15 Prozent aller IV-Kinderrenten. Ins Ausland ausbezahlte Kinderrenten sind im Durchschnitt mit 390 Franken deutlich tiefer als Kinderrenten, die an Empfänger und Empfängerinnen mit Wohnsitz in der Schweiz gehen (770 Fr.). Insbesondere bei der AHV führt dies dazu, dass nur 20 Prozent der gesamten Ausgaben für Kinderrenten ins Ausland fliessen, obwohl ein Drittel der Kinderrenten dort bezogen wird.
Personen mit Geburtsgebrechen sind unter den Empfängern und Empfängerinnen von IV-Kinderrenten stark untervertreten, d. h. sie haben weniger oft Renten auslösende Kinder als Personen mit krankheits- oder unfallbedingten Renten. IV-Rentner und -Rentnerinnen mit psychischen Beeinträchtigungen sind mit knapp 50 Prozent leicht übervertreten und Personen mit nicht psychisch bedingten Krankheiten oder bleibenden Schäden nach einem Unfall mit 44 Prozent leicht untervertreten. In Bezug auf den Rentenanteil haben IV-Rentner und -Rentnerinnen mit Teilrenten (Viertel- bis Dreiviertelrenten) etwas häufiger Renten auslösende Kinder als Personen mit ganzen Renten. Insgesamt bezieht eine von fünf IV-Rentner und -Rentnerinnen mindestens eine Kinderrente.
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Im Zentrum dieser Untersuchung stand nicht primär die Frage, wie viele Kinderrenten, Renten auslösende Kinder und Empfänger und Empfängerinnen von Kinderrenten es gibt und in welchen Familienverhältnissen und Wohnsituationen die Kinder leben. Der Fokus lag vielmehr auf der Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen diese aufwachsen. Dazu wurde jedes Renten auslösende Kind einer Unterstützungseinheit zugeordnet, bestehend aus dem Empfänger oder der Empfängerin der Kinderrenten sowie dem zweiten Elternteil, sofern dieser nicht im Ausland wohnte oder verstorben war. Wenn der Vater und die Mutter nicht gemeinsam in einem Haushalt wohnten, wurden allfällig vorhandene neue Partner oder Partnerinnen auch als Teil der Unterstützungseinheit betrachtet. Wohnte der zweite Elternteil im Ausland oder war er verstorben, wurde die Unterstützungseinheit von dem Rentenempfänger oder der Rentenempfängerin gebildet. Auch hier wurde gegebenenfalls eine neue Partnerin oder ein neuer Partner mitberücksichtigt. Die Analysen beschränkten sich auf jene Unterstützungspersonen, die ihren Wohn- und Hauptsteuersitz in einem der elf Kantone hatten und zu denen Angaben aus den Steuerdaten verfügbar waren. Für alle Unterstützungseinheiten konnte ein Äquivalenzeinkommen ermittelt werden, mit dem die wirtschaftliche Situation unterschiedlich grosser Unterstützungseinheiten der Renten auslösenden Kinder und jungen Erwachsenen dargestellt und miteinander verglichen wurde.
Die Ergebnisse ermöglichen es, sich ein differenziertes Bild über die wirtschaftliche Situation der Renten auslösenden Kinder und jungen Erwachsenen in der Schweiz zu machen (vgl. Grafik G1). Drei Dimensionen sind dabei von entscheidender Bedeutung:
- Es gibt vergleichsweise grosse Unterschiede zwischen minderjährigen und volljährigen Renten ausösenden Kindern, die deutlich ausgeprägter in Unterstützungseinheiten mit AHV- als mit IV-Kinderrenten sind.
- Die wirtschaftliche Situation von Unterstützungseinheiten mit AHV-Kinderrenten unterscheidet sich sehr deutlich von jenen mit IV-Kinderrenten.
- Es bestehen sehr deutliche Unterschiede zwischen Schweizer Kindern und Kindern mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft.
Insgesamt leben minderjährige Renten auslösende Kinder relativ betrachtet deutlich häufiger in leistungsschwächeren Unterstützungseinheiten als Minderjährige in Unterstützungseinheiten von Eltern, die keine Rente aus der 1. Säule beziehen und damit auch keinen Anspruch auf eine Kinderrente haben (96,6% aller Kinder). So zeigt sich, dass die unteren 25 Prozent der Unterstützungseinheiten mit minderjährigen IV-Renten auslösenden Kindern ein Äquivalenzeikommen von maximal rund 32 000 Franken zur Verfügung haben. Bei den minderjährigen AHV-Renten auslösenden Kindern liegt die entsprechende Grenze bei 36 100 Franken und in der Vergleichsgruppe ohne Kinderrenten bei 41 100 Franken. Diese Ergebnisse widerspiegeln die Situation von Schweizer Kindern. Für die in der Schweiz lebenden ausländischen Kinder fehlt die Vergleichsgruppe, da deren Eltern in den Daten nicht hinreichend ermittelt werden können.
Etwas weniger gross sind die Unterschiede bei den jungen Erwachsenen, wobei auch hier Analysen nur zu Unterstützungseinheiten mit Schweizerinnen und Schweizern möglich sind. Die unteren 25 Prozent aller Unterstützungseinheiten mit volljährigen IV-Renten auslösenden 18- bis 24-jährigen Schweizer Kindern verfügen über ein Äquivalenzeikommen von maximal 32 600 Franken, im Bereich der AHV beträgt der Grenzwert 40 000 Franken und bei der Vergleichsgruppe mit Eltern im Erwerbsalter ohne IV-Rente liegt er bei rund 43 700 Franken.
In beiden Altersgruppen gibt es demnach relativ betrachtet häufiger Kinder und junge Erwachsene mit Kinderrenten, die in Unterstützungseinheiten mit geringer Leistungsfähigkeit aufwachsen als dies für Kinder von Eltern der Fall ist, die beide im Erwerbsalter sind und keine IV-Rente beziehen.
Bei den Kinderrenten auslösenden jungen Erwachsenen bis 24 Jahre gilt es zu beachten, dass die Einkommensdisparitäten der Unterstützungseinheiten deutlich grösser sind, wenn die Eltern eine AHV-Rente beziehen, als wenn diese im Erwerbsalter sind und keine IV-Rente beziehen. So gibt es unter den Unterstützungseinheiten mit AHV-Renten auslösenden jungen Erwachsenen nicht nur häufiger solche mit geringer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sondern auch solche, die aus einem Umfeld mit einer verhältnismässig hohen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stammen. Dies ist im Bereich der IV nicht der Fall.
In Bezug auf die Situation von Renten auslösenden Kindern mit ausländischer Staatsangehörigkeit fehlt eine Vergleichsgruppe zu ausländischen Renten auslösenden Kindern mit Eltern im Erwerbsalter, weil die Informationen zu Familienidentitäten bei der ausländischen Bevölkerung nur sehr lückenhaft in den Daten vorhanden sind. Es lässt sich jedoch festhalten, dass die ausländischen Renten auslösenden Kinder über alle Gruppen hinweg in deutlich schwächeren wirtschaftlichen Verhältnissen aufwachsen als Schweizer Renten auslösende Kinder.
Fazit Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Kinderrenten zu Renten aus der 1. und 2. Säule für einen verhältnismässig grossen Anteil der Renten auslösenden Kinder eine bedeutende Rolle spielen. Sie leisten einen Beitrag dazu, die Einkommensunterschiede von Unterstützungseinheiten mit Kindern von Empfängerinnen und Empfängern einer AHV- oder IV-Rente gegenüber denjenigen mit Eltern ohne Renten aus der 1. Säule zu verringern. Ohne Kinderrenten müsste ein grösserer Anteil von Kindern und jungen Erwachsenen in einem wirtschaftlich schwachen Umfeld aufwachsen. Weil sich, wie ein Expertenbericht des Schweizerischen Wissenschaftsrats (2018) deutlich aufzeigt, ein solches Umfeld schon in der Sekundarstufe I negativ auf die schulische Laufbahn der Kinder auswirkt, leisten die Kinderrenten auch einen Beitrag dazu, dass sich bestehende soziale Ungleichheiten weniger stark reproduzieren.
- Literatur
- Guggisberg, Jürg; Liechti, Lena (2019): Wirtschaftliche Verhältnisse der Bezügerinnen und Bezüger einer Rente aus der 1. Säule (AHV/IV) mit Anspruch auf eine Kinderzusatzrente; [Bern: BSV]. Beiträge zur Sozialen Sicherheit; Forschungsbericht Nr. 5/19: www.bsv.admin.ch > Publikationen & Service > Forschungspublikationen > Beiträge zur Sozialen Sicherheit.
- Becker, Rolf; Schoch, Jürg (2018): Soziale Selektivität: Empfehlungen des Schweizerischen Wissenschaftsrates SWR – Expertenbericht im Auftrag des SWR, Bern: SWR: www.wissenschaftsrat.ch > Publikationen.