Zum Ruhestand ins Ausland?

AHV-Neurentnerinnen und Neurentner, die zum Rentenbeginn auswandern, zieht es am häufigsten nach Portugal. Ausserhalb von Europa ist Thailand am beliebtesten, wie eine Auswertung des Bundesamts für Sozialversicherungen zeigt.
Ilka Steiner, Ann Barbara Bauer
  |  19. Oktober 2023
    Forschung und Statistik
  • Alter
  • Alters- & Hinterlassenenversicherung
Café in Lissabon, Portugal. (Alamy)

Auf einen Blick

  • Eine Untersuchung der AHV-Neurentenkohorte des Jahres 2016 zeigt: Nur sehr wenige wandern zum Zeitpunkt des AHV-Rentenbeginns aus.
  • Am wenigsten mobil sind Schweizerinnen und Schweizer sowie Personen aus sogenannten Nichtvertragsstaaten.
  • Angehörige aus EU-/EFTA-Staaten, die zum AHV-Rentenbeginn auswanderten, haben durch ihre kürzere Beitragsdauer eine tiefere AHV-Altersrente als ausgewanderte Schweizerinnen und Schweizer.

Mit Ausnahme eines temporären Einbruchs während Corona nahm die Zahl der Auswanderungen aus der Schweiz von Jahr zu Jahr zu. Gekoppelt mit der demografischen Alterung stellt sich die Frage: Wie viele Neurentner und Neurentnerinnen wandern aus – um unter anderem in ihr Heimatland zurückzukehren oder von einer höheren Kaufkraft ihrer Schweizer AHV-Altersrente zu profitieren? Gibt es Unterschiede nach Staatsangehörigkeit oder Destinationsland?

Um diese Fragen zu beantworten, haben wir eine Verknüpfung des Rentenregisters der AHV und der Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) ausgewertet. Dabei überprüften wir das Auswanderungsverhalten der Neurentnerinnen und Neurentner des Jahres 2016 rund um deren Rentenbeginn (siehe Kasten).

Neurentnerinnen und Neurentner 2016 – Einteilung in fünf Gruppen

Die Neurentenkohorte 2016 haben wir für unsere Analyse je nach Auswanderungsverhalten in fünf Gruppen unterteilt (siehe Grafik 1). Ende 2021 bezogen insgesamt rund zwei Drittel der Neurentenkohorte 2016 die Rente in der Schweiz, und ein Drittel bezog sie im Ausland. Für einen Grossteil der Rentenbeziehenden im Ausland lässt sich keine Auswanderung beobachten, weil sie entweder die Schweiz vor 2011 verlassen haben und diese Wanderungen nicht in den Daten abgebildet sind, oder weil es sich um Grenzgänger und Grenzgängerinnen handelt und somit gar nie eine Migration stattgefunden hat.

Wer hat Anspruch auf eine AHV-Rente?

Voraussetzung für einen Rentenanspruch in der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ist eine Beitragsdauer von mindestens einem Jahr. Obligatorisch in der AHV versichert sind grundsätzlich Personen mit Wohnsitz in der Schweiz ab dem 20. Altersjahr (Erwerbstätige ab 18 Jahren) und alle in der Schweiz erwerbstätigen Grenzgänger und Grenzgängerinnen.

Im Rentenalter erhalten alle in der Schweiz wohnhaften Personen, die einen Leistungsanspruch haben, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit eine Altersrente der AHV. Leben sie im Ausland, können sie sich ihre Altersrente dorthin auszahlen lassen – sofern sie die Staatsbürgerschaft der Schweiz, eines EU-/EFTA-Landes oder eines Staates haben, mit dem die Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, das den Leistungsexport regelt. Im Jahr 2016 wurde beispielsweise für 86 Prozent der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz der Rentenexport durch ein internationales Sozialversicherungsabkommen gewährleistet. Diese Personen haben beim Eintritt ins Rentenalter – gleich wie Schweizer Staatsangehörige – auch bei Wohnsitznahme im Ausland Anspruch auf eine AHV-Altersrente. Für unsere Analyse unterscheiden wir nachfolgend zwischen «Vertragsstaatsangehörigen» und «Staatsangehörigen aus EU-/EFTA-Ländern».

Demgegenüber erhalten Staatsangehörige aus Ländern ohne Sozialversicherungsabkommen bei Wohnsitznahme im Ausland keine AHV-Altersrente. Anstelle der Rente haben sie Anspruch auf die Rückerstattung der von ihnen und von ihrem Arbeitgeber bezahlten AHV-Beiträge in Form eines einmaligen, zinslosen Kapitalbezugs. Diese Rückerstattung ist nach oben begrenzt und entspricht maximal der kapitalisierten hypothetischen Altersrente basierend auf den geleisteten Beiträgen.

Zwei Drittel bleiben in der Schweiz

Im Jahr 2016 haben gemäss dem Rentenregister 126 200 Personen im In- oder Ausland erstmals eine AHV-Altersrente bezogen. Zwei Drittel von ihnen lebten Ende 2021 nach wie vor in der Schweiz, während ein Drittel die Rente im Ausland bezog: Nebst den Ausgewanderten umfasst diese Zahl allerdings auch die Grenzgänger und Grenzgängerinnen, die in der Schweiz arbeiteten.

Eine Auswanderung in ein Drittland oder Rückwanderung ins Heimatland rund um den Rentenbeginn ist dabei eher selten: Nur 5 Prozent aller Neurentenbeziehenden verliessen die Schweiz fünf Jahre vor oder nach ihrem ersten Rentenbezug, die meisten zum Rentenbeginn (3 % oder 3800 Personen), das heisst bis zu zwei Jahre vorher sowie bis zu einem Jahr nachher. 

Schweizer Staatsangehörige und Nichtvertragsstaatsangehörige sind besonders immobil: Neun von zehn Personen bezogen ihre Rente Ende 2021 in der Schweiz. Im Gegensatz dazu blieben nur 15 Prozent der Staatsangehörigen aus der EU/EFTA in der Schweiz wohnhaft (siehe Grafik 2). Charakteristisch ist in letzterer Gruppe vor allem der hohe Anteil an Auswanderungen im Erwerbsalter und an Grenzgängerinnen und Grenzgängern (insgesamt 76 %). Rund um den Rentenbeginn wanderten hingegen 5 Prozent aus. Zum Vergleich: Bei den Vertragsstaatsangehörigen ist dieser Anteil doppelt so hoch.

Portugal an der Spitze

Von den 3800 Neurentenbeziehenden, die rund um das Erreichen des ordentlichen Rentenalters auswanderten, zogen 83 Prozent in ein europäisches Land. An der Spitze steht Portugal mit 15 Prozent. Dahinter folgen Deutschland (13 %), Italien (11 %), Frankreich, Spanien und Serbien mit je 9 Prozent (siehe Grafik 3).

Bei Schweizer Staatsangehörigen besonders beliebt ist Frankreich: 62 Prozent der dort lebenden Neurentenbeziehenden, die rund um das ordentliche Rentenalter ausgewandert sind, besassen den Schweizer Pass. Neben einer grenznahen Wohnsitznahme von Schweizer Staatsbürgern handelte es sich dabei auch um eingebürgerte Schweizer und Schweizerinnen.

In den restlichen europäischen Ländern ist der Anteil von Schweizerinnen und Schweizern deutlich tiefer. An zweiter Stelle folgt Spanien mit 34 Prozent. Das Schlusslicht bildet Portugal, wo lediglich 13 Prozent der Neurentenbeziehenden, die zum Rentenbeginn ausgewandert sind, den Schweizer Pass besassen.

Die wichtigste Destination bei einer Auswanderung zum Rentenbeginn ausserhalb Europas ist Thailand: 3 Prozent der Neurentenbeziehenden lebten dort, wobei es sich bei 95 Prozent um Schweizerinnen oder Schweizer handelt. Im Durchschnitt aller Neurentenbeziehenden, die zum Rentenbeginn ausgewandert sind, liegt dieser Anteil bei 40 Prozent.

Beitragsdauer und Einkommen sind entscheidend

Im Jahr 2016 betrug die minimale Altersrente für eine alleinstehende Person 1175 Franken, die maximale Altersrente 2350 Franken. Ehepaare erhielten lediglich eine plafonierte Rente von maximal 3525 Franken.

Die Höhe der AHV-Rente hängt einerseits von der Beitragsdauer ab – also die Anzahl Jahre, in denen jemand AHV-Beiträge bezahlt hat. Um eine volle und maximale Rente zu erhalten, müssen Frauen 43 Jahre und Männer 44 Jahre lang einzahlen. Dieser Faktor ist im Migrationskontext besonders relevant, weil Migrantinnen und Migranten oftmals nicht auf die volle Beitragsdauer kommen – sei es, weil sie spät einwandern oder vor Erreichen des Rentenalters auswandern. Auch Grenzgängerinnen und Grenzgänger weisen häufig keine volle Beitragsdauer auf.

Andererseits beeinflusst das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen die Rentenhöhe: Um im Jahr 2016 die maximale Rente zu erhalten, mussten im Durchschnitt über alle Beitragsjahre hinweg 84 600 Franken erzielt werden.

Das Zusammenspiel der beiden Faktoren verdeutlicht sich anhand der erzielten durchschnittlichen AHV-Altersrenten der zum Rentenbeginn ausgewanderten Personen. So hatten Schweizer Neurentenbeziehende im Durchschnitt 38 Jahre lang Beiträge bezahlt und durchschnittlich 68 400 Franken pro Jahr verdient. Damit erreichten sie eine AHV-Rente von 1660 Franken – und somit mehr als beispielsweise Personen aus der EU/EFTA oder aus Vertrags- und Nichtvertragsstaaten (siehe Tabelle).

Die tiefste durchschnittliche Rente der zum Rentenbeginn Ausgewanderten weisen Staatsangehörige aus der EU/EFTA mit 1060 Franken auf – trotz eines durchschnittlichen Einkommens von 72 200 Franken. Grund dafür ist die tiefe durchschnittliche Beitragsdauer von 24 Jahren. Nichtvertragsstaatsangehörige weisen hingegen die tiefste durchschnittliche Beitragsdauer und das tiefste durchschnittliche AHV-pflichtige Einkommen auf. Wie erwähnt, können sie aufgrund eines fehlenden Sozialversicherungsabkommens ihre Rente nicht im Ausland beziehen.

Drei Destinationsgruppen

Betrachtet man die Destinationen – und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit –, so kristallisieren sich drei Gruppen heraus: In den deutschsprachigen Nachbarländern Deutschland und Österreich sowie in Nordamerika (USA und Kanada) beträgt die Beitragsdauer der AHV-Neurentenbeziehenden, die rund um den Rentenbeginn ausgewandert sind, durchschnittlich 20 bis 25 Jahre und das Jahreseinkommen ist mit 86 300 bis 100 000 Franken relativ hoch. Sie beziehen eine durchschnittliche Rente von ungefähr 1000 Franken pro Monat.

Die zweite Gruppe bilden die in die Vereinigten Arabischen Emirate, Monaco und Singapur ausgewanderten Personen: Sie weisen eine relativ kurze durchschnittliche Beitragsdauer von 19 Jahren auf, kommen aber auf ein hohes AHV-pflichtiges Jahreseinkommen von über 230 000 Franken. Ihre durchschnittliche Rente liegt bei 850 Franken.

Schliesslich weisen AHV-Rentenbeziehende in Thailand, Brasilien und den Philippinen eine hohe durchschnittliche Beitragsdauer (39 Jahre) und ein mittleres durchschnittliches AHV-pflichtiges Einkommen (knapp über 70 000 Franken) auf. Von den drei erwähnten Gruppen ist ihre Rente mit durchschnittlich 1740 Franken am höchsten. Dies erklärt sich mit dem erwähnten hohen Anteil an Schweizer Staatsangehörigen mit langer Beitragsdauer, die in diese Länder ausgewandert sind.

Auswanderung zum Leistungsbeginn?

Aufgrund unserer Auswertungen scheint eine Auswanderung zum Rentenbeginn deutlich weniger häufig vorzukommen, als man vielleicht erwartet hätte. Dabei ist jedoch zu beachten, dass hier ein Fokus auf die erste Säule gelegt wurde. Tatsächlich zeigen die Auswanderungsdaten von Ausländern und Ausländerinnen im Rentenkorridor (58 bis 70 Jahren) drei Peaks: mit 58, 60 und 65 Jahren.

Um ein umfassenderes Bild zur Auswanderung zum Rentenbeginn zu erhalten, müsste deshalb die zweite Säule, für die aktuell keine Informationen vorliegen, ebenfalls berücksichtigt werden. Ein Leistungsbezug aus der zweiten Säule ist ab 58 Jahren unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Wohnsitz möglich. Ausserdem fehlen Informationen zu den über Gesamtarbeitsverträge geregelten Überbrückungsrenten bei Frühpensionierung wie etwa im Bauhauptgewerbe. Es ist zu erwarten, dass eine Auswanderung rund um den Rentenbeginn bei Berücksichtigung dieser fehlenden Informationen häufiger vorkommt.

Doktorin in Demografie, Direktionsadjunktin, Bundesamt für Sozialversicherungen; Lehrbeauftragte, Universität Neuenburg
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Dr. rer. pol., Bereichsleiterin, Datengrundlagen und Analysen, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
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