Auf einen Blick
- Die Invalidenversicherung kann Jugendliche in der erstmaligen beruflichen Ausbildung unterstützen.
- Die IV berät und begleitet die Jugendlichen und ihre Arbeitgebenden während einer den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand der Jugendlichen entsprechenden Ausbildung.
- Der IV stehen verschiedene Massnahmen zur Unterstützung der Jugendlichen zur Verfügung. Auch vor und nach der Ausbildung.
Mit 15 Jahren ändert sich Armanda Berris Leben schlagartig. Ein schwerer Unfall auf dem elterlichen Bauernhof bringt das Leben der Bündnerin vorübergehend zum Stillstand. Beide Beine müssen amputiert werden. Diese Zäsur stellt Berri vor mehrfache Herausforderungen: Sie muss sich gesundheitlich hochkämpfen, ihren Berufswunsch Bäuerin aufgeben und sich komplett neu orientieren. Unter schwierigen Vorzeichen, denn gesundheitliche Einschränkungen werden sie ihr Leben lang begleiten. Auch heute ist die inzwischen 24-Jährige für längeres Gehen auf Stöcke angewiesen.
Nehmen wir es vorweg: Armanda Berri ist eine stille Kämpfernatur. Statt aufzugeben, nimmt sie die Herausforderung an. Heute arbeitet Berri als ausgebildete Kauffrau EFZ und blickt auf eine bemerkenswerte berufliche Eingliederung zurück. «Natürlich war die Lehre mit meinen gesundheitlichen Einschränkungen eine Herausforderung. Es gab Höhen und Tiefen. Aber ich bin sehr froh, dass ich die Ausbildung zur Kauffrau EFZ machen konnte. Heute bin ich unabhängig und selbstständig», sagt Berri.
Kurze Wege, flexible Pensen
Die Neuorientierung beginnt mit der Evaluation möglicher Berufslehren und der Suche nach einem passenden Lehrbetrieb. In diesem Prozess begleiten sie die Eingliederungsfachperson der IV-Stelle sowie ein externer Jobcoach. Die Wahl des Ausbildungsorts erweist sich als Schlüsselfaktor. «Ich war auf kurze Wege angewiesen», erklärt Berri und ergänzt: «Ausbildungsbetrieb, Berufsschule, Physiotherapie und Unterkunft mussten für mich gut erreichbar sein.» Das Spital Davos bietet diese Kombination und wird Ausbildungsbetrieb von Berri. Gleichzeitig bedeutet dieser Schritt, das Elternhaus zu verlassen und den Alltag eigenständig zu meistern.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die flexible Gestaltung der Ausbildung. Armanda Berri kann die Lehre in einem 80-Prozent-Pensum absolvieren. «Ich hatte regelmässig Therapien; Ausbildung und Alltag haben mich viel Energie gekostet», erinnert sie sich. Die Anpassung des Pensums ermöglicht es ihr, gesundheitliche Bedürfnisse mit den Anforderungen der Ausbildung in Einklang zu bringen.
Breite Unterstützung stärkt Persönlichkeit
Die Unterstützung durch ein starkes Netzwerk ist aus Berris Sicht unerlässlich. «Ein motivierendes Umfeld und zu wissen, dass ich Menschen an meiner Seite habe, die mir den Rücken stärken», nennt sie als entscheidende Hilfe. Eine Ausbildung ist in ihrer Situation kein Spaziergang. Eltern, die Ausbildungsverantwortlichen, die Eingliederungsfachperson der IV-Stelle und der Jobcoach haben ein stabiles Unterstützungssystem gebildet.
Besonders die Begleitung durch den von der Invalidenversicherung finanzierten Jobcoach wertet Berri als wichtig. «Ich wusste, dass ich bei Problemen eine ‹externe› Anlaufstelle habe», sagt sie. Diese Gespräche hätten sie oft sehr gefordert. Sie musste lernen, Probleme zu formulieren, mitzuteilen und an Lösungen mitzuarbeiten. Rückblickend betrachtet sie diese Auseinandersetzung als entscheidenden Schritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, um durchzuhalten und motiviert zu bleiben.
Schrittweiser Einstieg
Ein schrittweiser Einstieg in die Arbeitswelt durch ein vorgeschaltetes Praktikum erleichtert Berri den Übergang: «Im Praktikum konnte ich im Betrieb und im Beruf bereits ein Stück weit Fuss fassen», sagt sie rückblickend. Beginnend mit einem Pensum von 40 Prozent, hat sie ihre Arbeitszeit sukzessive gesteigert. Dieses schrittweise Vorgehen ermöglicht es ihr, die Arbeitsabläufe an ihre körperlichen Möglichkeiten anzupassen und gleichzeitig die Herausforderungen einer selbstständigen Lebensführung zu meistern.
Sicheres Umfeld
Dass der Ausbildungsbetrieb bzw. der Arbeitgeber ein sicheres Umfeld bietet, sieht Berri als weiteren Erfolgsfaktor. Dieses entsteht einerseits durch eine offene Kommunikation, andererseits durch eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen dem Ausbildungsbetrieb, Armanda und ihren Eltern sowie der Eingliederungsfachperson und dem Jobcoach der IV.
Die offene Kommunikation hilft, individuelle Aufgabenbereiche sowie mögliche Hindernisse frühzeitig zu erkennen. Beispielsweise Aufgaben, die Berri aufgrund der gesundheitlichen Einschränkung nicht erledigen kann. In diesem Zusammenhang wertet sie die Transparenz und die Akzeptanz im Team als wichtig. Es brauche zum Beispiel Verständnis dafür, dass nicht immer alles so schnell gehe. Dass sie mit Stöcken keine Ordner von A nach B tragen könne. Dass sie immer wieder am Arbeitsplatz gefehlt habe und ihre Stimmung manchmal gedämpft gewesen sei. Das, so Berri, sei auch für ihre Arbeitskolleginnen herausfordernd gewesen.
Heute ist Armanda Berri eine unabhängige, selbstständige junge Frau. Sie arbeitet in der Patientenadministration einer Klinik und lebt in einer eigenen Wohnung. Auf eine IV-Rente ist sie nicht mehr angewiesen.
Die Geschichte von Armanda Berri zeigt, dass die erfolgreiche berufliche Eingliederung von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen ein komplexer Prozess ist, der individuell gestaltet werden muss. Die Eingliederung erfordert Flexibilität, ein unterstützendes Netzwerk und die Offenheit aller Beteiligten, neue Wege zu gehen.