Herbstsession 2024: Themen der sozialen Sicherheit

Das Parlament hat sich in der Herbstsession vom 9. bis 27. September 2024 mit zahlreichen Vorlagen zur sozialen Sicherheit beschäftigt – unter anderem will es vulnerable Personen und Kinder besser schützen, die Digitalisierung vorantreiben und die Armut stärker bekämpfen.
Corinne Wirth
  |  01. Oktober 2024
    Recht und Politik
  • Session
Ständeratspräsidentin Eva Herzog (links) und Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (Parlamentsdienste / Franca Pedrazzetti)

Auf einen Blick

  • Versicherte in der AHV sollen künftig ihre Beiträge und voraussichtlichen Leistungen mittels eines digitalen Zugangs jederzeit online abrufen können.
  • Die Plattform zur Prävention und Bekämpfung von Armut wird weitergeführt, zudem wird eine nationale Armutsstrategie erarbeitet.
  • Der Nationalrat verlangt Schutzkonzepte zur Missbrauchsprävention von vulnerablen Personen und Kindern. Ausserdem will er Kinder im Internet besser vor Sharenting schützen.

Die AHV soll digitalisiert werden

Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat grünes Licht gegeben für das Digitalisierungsprojekt in der AHV. Künftig sollen die Versicherten einen digitalen Zugang zu ihren Angaben erhalten und ihre Beiträge und voraussichtlichen Leistungen sollen jederzeit online abrufbar sein. Der Bundesrat hat nun den Auftrag, eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) auszuarbeiten.

Zudem hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, eine Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vorzulegen. Mit dieser Änderung soll für alle Sozialversicherungen eine umfassende und gesamtheitliche Rechtsgrundlage für das elektronische Verfahren (eATSG) geschaffen werden.

AHV endlich digitalisieren

Sozialversicherung. Umfassende und einheitliche Rechtsgrundlage für das elektronische Verfahren schaffen (eATSG)

Räte kämpfen gegen Armut in der Schweiz

Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, die Plattform zur Prävention und Bekämpfung von Armut bis mindestens 2030 weiterzuführen. Zudem soll er eine neue, nationale Armutsstrategie verabschieden. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat einen entsprechenden Vorstoss von Estelle Revaz (SP/GE) angenommen. Für die Plattform und die Umsetzung der Strategie sind gemäss dem Vorstoss ausreichende finanzielle Mittel bereitzustellen.

Bekämpfung der Armut durch die Verlängerung des Präventionsprogramms und die Verabschiedung einer nationalen Strategie

Parlament verlängert Kita-Impulsprogramm bis Ende 2026

Das Impulsprogramm zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung läuft bis Ende 2026 weiter. Der Nationalrat hat als Zweitrat der Verlängerung ebenfalls zugestimmt. Das Parlament stockte dabei auch den Verpflichtungskredit für die Schaffung von Plätzen um 40 Millionen Franken auf; weitere 10 Millionen Franken sollen aus den bewilligten Mitteln für Subventionserhöhungen der Kantone und Gemeinden sowie für Projekte zur besseren Abstimmung des familienergänzenden Betreuungsangebots transferiert werden. Damit können für die Jahre 2025 und 2026 jeweils rund weitere 4000 neu geschaffene Betreuungsplätze unterstützt werden. Zudem bestehen weiterhin genügend Mittel zur Unterstützung der Subventionserhöhungen und Projekte.

Verlängerung der Bundesbeiträge an die familienergänzende Kinderbetreuung bis Ende des Jahres 2026

Der Nationalrat will Schutzkonzepte gegen Missbrauch von Kindern

Der Bund soll beispielsweise Landeskirchen oder Sportvereine dazu verpflichten, Schutzkonzepte zur Missbrauchsprävention einzuführen. Der Nationalrat hat sechs gleichlautende Motionen angenommen. Die Vorstösse stammen von Nationalrätinnen aus sechs Parteien und den fünf Fraktionen FDP, Mitte-EVP, GLP, SP und Grüne. Die Parlamentarierinnen argumentieren, der Schutz von Kindern und Jugendlichen sei bei einigen Organisationen heute nicht gewährleistet. Das zeigten die jüngsten Beispiele von sexuellem, physischem und psychischem Missbrauch bei der katholischen Kirche, im Leistungssport und in Ballettschulen. Die Motionen müssen noch im Ständerat diskutiert werden. Zudem hat der Nationalrat ein Postulat der Kommission für Rechtsfragen an den Bundesrat überwiesen, welches einen Bericht fordert, inwiefern solche Organisationen vergangene interne Fälle von sexuellem Missbrauch aufarbeiten, die zuständigen Strafbehörden einschalten sowie welche Massnahmen getroffen wurden, um künftige Missbrauchsfälle zu verhindern.

Sexueller Missbrauch in Organisationen mit einem Auftrag in der Betreuung von vulnerablen Personen in der Schweiz

Schutzkonzepte zur Prävention von Missbrauch bei Organisationen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten

Kinder im Internet besser vor Sharenting schützen

Mit knappem Mehr hiess der Nationalrat die Motion von Valentine Python (Grüne/VD) gut. Sie will einerseits Schranken setzen für Sharenting – das Teilen von Kinderfotos und -videos durch die eigenen Eltern auf sozialen Medien. Andererseits hat die Motion das Influencer-Marketing im Visier, wenn Kinder im Zentrum der Filme stehen, es aber um Werbung für Produkte geht. Kinderfotos im Netz seien ein Risiko für den Persönlichkeitsschutz und ebenso in Bezug auf Ausbeutung, wurde die Motion begründet. Weder die digitale Strategie der Schweiz noch das Datenschutzgesetz enthielten Bestimmungen zum Thema. Als Nächstes muss sich der Ständerat damit auseinandersetzen.

Übermässige Exponierung von Kindern im Internet (Sharenting und kommerzielle Nutzung von Bildern)

Nationalrat verlangt schnellere IV-Abklärungen

Wer eine Rente der Invalidenversicherung (IV) beantragt, soll weniger lang auf einen Entscheid warten müssen und finanziell abgesichert werden, z. B. durch ein Wartezeittaggeld für die Zeit zwischen dem Abschluss von beruflichen Eingliederungsmassnahmen und dem IV-Rentenentscheid. Das verlangt der Nationalrat mit der Motion von Patricia von Falkenstein (LDP/BS). Die Motion geht nun an den Ständerat.

IV-Verfahren beschleunigen und finanzielle Absicherung der Versicherten während des Verfahrens sicherstellen

Ständerat will neues Finanzierungssystem für den Bundesbeitrag an die AHV

Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) sieht vor, dass der Bund 20,2 Prozent der AHV-Ausgaben übernimmt. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich der Bundesbeitrag an die AHV künftig weiter erhöhen. Der Ständerat hat ein Postulat angenommen, das einen Systemwechsel anstrebt. Das Postulat beauftragt den Bundesrat, Mechanismen zur Finanzierung der AHV aufzuzeigen, die sich vom derzeitigen, an die AHV-Ausgaben geknüpften Finanzierungsmechanismus unterscheiden, um die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse einzuhalten.

Die Schuldenbremse muss zwingend eingehalten werden. Mechanismen zur Herleitung des Bundesbeitrags an die AHV

Nationalrat will Verwaltungskosten von Pensionskassen offenlegen

Der Nationalrat will mehr Transparenz bei den Verwaltungskosten von Pensionskassen. Er hat eine entsprechende Motion seiner Sozial- und Gesundheitskommission (SGK-N) gutgeheissen. Nur die FDP-Fraktion sowie wenige Mitglieder der SVP- und der Mitte-Fraktion stimmten dagegen. Auslöser für die Motion war ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). Demnach ist die Kostentransparenz in der beruflichen Vorsorge insgesamt zufriedenstellend. Bei den Verwaltungskosten gebe es teilweise aber verzerrte Angaben. Als Nächstes ist der Ständerat am Zug.

Kostentransparenz in der zweiten Säule

Nationalrat will Teilbezug von privaten Vorsorgegeldern ermöglichen

Wer über private Vorsorgegelder in der dritten Säule oder Freizügigkeitsleistungen verfügt, soll diese künftig in Raten beziehen können. Das fordert eine vom Nationalrat angenommene Motion des Zürcher FDP-Nationalrats Andri Silberschmidt. Heute können privat angesparte Vorsorgegelder nur auf einmal bezogen werden. Wie beim Teilkapitalbezug aus der beruflichen Vorsorge soll eine maximale Anzahl Bezüge und ein minimaler Betrag pro Bezug vorgesehen werden. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.

Teilbezug von Vorsorgegeldern ermöglichen

Knappe Mehrheit im Nationalrat für die Individualbesteuerung

Jede Person in der Schweiz soll eine eigene Steuererklärung einreichen und eigene Steuern bezahlen, unabhängig vom Zivilstand. Eine knappe Mehrheit im Nationalrat hiess eine Vorlage zur Individualbesteuerung gut, als indirekten Gegenvorschlag zur Steuergerechtigkeits-Initiative der FDP-Frauen. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.

Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)

Parlament genehmigt Genfer Elternurlaub vorerst nicht

Der Kanton Genf kann vorerst keinen 24-wöchigen Elternurlaub einführen. Das Parlament hat die Gewährleistung der entsprechenden Verfassungsänderung sistiert. Es pocht jedoch darauf, dass das Parlament rasch über eine Revision des Erwerbsersatzgesetzes entscheiden kann.

Die Genfer Stimmbevölkerung hatte den Elternurlaub im Juni beschlossen. Konkret sollte die bestehende 16-wöchige kantonale Mutterschaftsversicherung um acht Wochen zugunsten des Vaters oder der Partnerin, respektive des Partners, ergänzt werden. Sowohl die Mutterschaftsversicherung als auch die neue Elternschaftsversicherung sollten durch gleich hohe Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden finanziert werden. Dieser zweite Teil der Vorlage ist laut dem Bundesrat nicht mit geltendem Bundesrecht vereinbar. Mit der vom Bundesrat im Dezember 2023 in die Vernehmlassung geschickten Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz (EOG) hätten die Kantone künftig die Kompetenz, im Bereich der Entschädigung des andern Elternteils eine höhere oder länger dauernde kantonale Entschädigung auszurichten.

Angleichung der Erwerbsersatzleistungen

Nationalrat spricht Millionenkredit für neue Cloud-Infrastruktur

Der Bund soll seine eigene Cloud-Infrastruktur modernisieren und so die digitale Transformation vorantreiben. Die «Swiss Government Cloud» soll knapp 320 Millionen Franken kosten. Der Nationalrat hat als Erstrat ohne Gegenstimme einen Teilbetrag genehmigt. Die «Swiss Government Cloud» ist laut der Finanzkommission des Nationalrats eine entscheidende Grundlage für die erfolgreiche Bewältigung der anstehenden grossen Digitalisierungsherausforderungen des Bundes. Als Nächstes wird sich der Ständerat damit befassen.

Aufbau einer Swiss Government Cloud


Diese Übersicht basiert auf Meldungen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Redaktorin, Öffentlichkeitsarbeit, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
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