Auf einen Blick
- Die Aufsicht über die berufliche Vorsorge hat sich von einer kantonal geprägten Praxis zu einem koordinierten und stärker professionalisierten System entwickelt.
- Die 2012 geschaffene Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) fördert einheitliche Standards und stärkt die Kontrollqualität.
- Vertrauen in die zweite Säule erfordert eine unabhängige und risikoorientierte Aufsicht.
Die berufliche Vorsorge ist ein wichtiger Bestandteil des Sozialversicherungssystems der Schweiz. Sie soll es Erwerbstätigen ermöglichen, ihren gewohnten Lebensstandard auch nach der Pensionierung in angemessener Form fortzuführen. Dieses Ziel erfordert ein hohes Mass an Vertrauen in die Stabilität und Integrität der zweiten Säule.
Dazu sind wirksame Governance-Strukturen nötig – beispielsweise eine paritätische Vertretung der Sozialpartner im obersten Organ der Vorsorgeeinrichtungen, um die Interessen der Versicherten zu wahren. Zudem braucht es eine wirksame Aufsicht. Diese muss darum besorgt sein, dass die gesetzlichen Bestimmungen von den Akteuren eingehalten und allfällige Systemrisiken frühzeitig erkannt werden.
Dezentrale Aufsicht – Reformbedarf wächst
Vor 1985 war die Aufsicht über die berufliche Vorsorge nicht ausdrücklich geregelt. Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) im selben Jahr wurde sie erstmals gesetzlich verankert. Fortan wurde die grosse Mehrheit der Vorsorgeeinrichtungen durch die kantonalen Behörden beaufsichtigt. Der Bund, namentlich das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), beaufsichtigte die gesamtschweizerisch und international tätigen Einrichtungen – insbesondere die grossen Sammelstiftungen der Lebensversicherer.
Diese dezentrale Organisation brachte – wie im Schweizer Föderalismus nicht unüblich – erhebliche Unterschiede in der Aufsichtspraxis mit sich: Standards und Rechtsauslegungen variierten, Zuständigkeiten waren teils unklar. Kritisiert wurde unter anderem, dass sich Vorsorgeeinrichtungen gezielt in Kantonen mit «pragmatischer» Aufsicht ansiedelten. Diese Situation sowie einzelne bedeutende Betrugsfälle bei Vorsorgeeinrichtungen schwächten jedoch das Vertrauen in eine faire und verlässliche Regulierung der zweiten Säule in der Schweiz.
Zunehmend wurde der Ruf nach Vereinheitlichung und Unabhängigkeit der Aufsicht gegenüber Regierungen und Verwaltungen von Kantonen und Bund laut. Zudem zeigte die im Jahr 2010 an der Urne gescheiterte BVG-Vorlage zur Anpassung des Mindestumwandlungssatzes, dass punktuelle Leistungskürzungen ohne gleichzeitige strukturelle Verbesserungen in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig sind. Sie verdeutlichte damit die Notwendigkeit, das Vertrauen in die berufliche Vorsorge durch umfassendere Reformen – insbesondere im Bereich der Aufsicht und Governance – zu stärken.
Systemische Reform: Die Entstehung der OAK BV
Die Strukturreform im Jahr 2012 griff diesen Reformbedarf auf und strebte einheitlichere Standards, klare Zuständigkeiten und eine institutionell unabhängige Aufsicht an. Sie zielte auf eine einheitlichere Aufsichtspraxis sowie eine klare Trennung von Aufsicht und Gesetzgebungsarbeiten. Gleichzeitig sollten die gesetzlichen Anforderungen an Transparenz, Governance und Unabhängigkeit der Akteure in der ganzen zweiten Säule – inklusive der Aufsichtsbehörden – verstärkt werden.
Der Gesetzgeber entschied sich bewusst gegen eine zentrale Aufsichtsbehörde und wählte stattdessen eine dezentrale Struktur mit einer neu geschaffenen Oberaufsicht – Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) – als verbindendes Element. Die direkten Aufsichtsbehörden bezeichnen die Kantone. Dabei wurde ihnen politisch nahegelegt, sich zu kantonsübergreifenden Aufsichtsregionen zusammenzuschliessen, um die Behörden kosteneffizient mit den notwendigen Ressourcen ausstatten zu können.
Acht – und ab 2026 voraussichtlich noch sieben – solche Behörden übernehmen heute die direkte Aufsicht über fast alle Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, während die OAK BV die übergeordnete Oberaufsicht sowie die Direktaufsicht über Anlagestiftungen, Auffangeinrichtung und Sicherheitsfonds wahrnimmt. Neben der strukturellen Neuordnung wurde der gesetzliche Auftrag der regionalen Aufsichtsbehörden ausgeweitet: Die Aufsichtsbehörden sind seither ausdrücklich verpflichtet, auch die Tätigkeit von Experten und Revisionsstellen zu überwachen.
Vereinheitlichung und Qualitätssicherung
Die Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis der regionalen Behörden und die Qualitätssicherung im gesamten Kontrollsystem – einschliesslich Revisionsstellen und Experten – sind zwei Kernaufgaben der OAK BV. Zudem arbeitet die OAK BV seit ihrer Gründung daran, die Aufsicht verstärkt auf die Risiken für die finanziellen Interessen der Versicherten auszurichten.
Im Bereich der Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis erliess die OAK BV entsprechend verschiedene Weisungen und Mitteilungen. Zu erwähnen sind beispielsweise Weisungen zum Ausweis von Vermögensverwaltungskosten, zu Unterdeckungen oder zur internen Kontrolle und zu Transparenzpflichten von Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen.
Es zeigte sich bald, dass für die stärkere Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den regionalen Aufsichtsbehörden und der OAK BV unerlässlich ist. Die OAK BV kann gegenüber den Aufsichtsbehörden Weisungen erlassen, jedoch kann sie diese nicht gegen deren Willen durchsetzen.
Entsprechend sind die im Mai 2025 verabschiedete Weisungen zu Mindestanforderungen an die Aufsichtstätigkeit der regionalen Aufsichtsbehörden das Ergebnis intensiver Arbeiten mit den regionalen Aufsichtsbehörden. Diese Weisungen vereinheitlichen die Aufsichtsgrundsätze und bilden somit eine wichtige Basis für weitere Vereinheitlichungsschritte. Auch im Bereich der Qualitätssicherung der Kontrollarbeiten von Experten und Revisionsstellen erliess die OAK BV Weisungen – meist in enger Abstimmung mit den entsprechenden Verbänden. Die Qualitätssicherung dieser für das Aufsichtssystem zentralen Kontrollstellen war wesentlich, um das Aufsichtssystem insgesamt zu stärken.
Wichtige Evaluation
Das Scheitern der letzten BVG-Reformen vor dem Volk der Jahre 2010 und 2024 hat verdeutlicht, dass es um das Vertrauen in das System der beruflichen Vorsorge besser bestellt sein könnte. Um das Vertrauen wieder zu stärken, sind in erster Linie die Akteure der zweiten Säule gefordert.
Gleichzeitig muss auch die Aufsicht ihren Beitrag leisten: Die Aufsichtsbehörden müssen darüber wachen, dass die Governance der Einrichtungen sicherstellt, dass – wie vom Gesetz gefordert – Vorsorgevermögen zweckgemäss verwendet werden. Zudem darf die Komplexität der Organisation und der Risikoverteilung insbesondere von Sammeleinrichtungen mit massgeschneiderten Kleinstkollektiven nicht dazu führen, dass das oberste Organ einer solchen Einrichtung seine gesetzlichen Aufgaben bezüglich der Wahrung der finanziellen Stabilität nicht mehr erfüllen kann.
Dies sind zwei Gebiete, in denen die regionalen Aufsichtsbehörden und die OAK BV aktiv sind und weiterhin aktiv sein werden – sei es in der täglichen Aufsichtsarbeit, sei es mit Weisungen (wie z. B. der Weisungsentwurf zu Rechtsgeschäften mit Nahestehenden) und weiteren geplanten Massnahmen.
Im Rahmen einer Evaluation der Strukturreform prüft der Bundesrat derzeit, ob das bestehende Regelwerk einen allfälligen gesetzlichen Anpassungsbedarf erkennen lässt. Die OAK BV hatte zu diesem Zweck 2023 ein Positionspapier verfasst, das ihre Beobachtungen und Empfehlungen in die Diskussion einbrachte. Die OAK BV blickt mit Interesse dem Bericht des Bundesrates entgegen. Ziel muss es sein, die Aufsicht der geänderten Vorsorgelandschaft anzupassen und das Vertrauen in die zweite Säule langfristig zu sichern – stets mit Blick auf die finanziellen Interessen der Versicherten.