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Bundesrat plant digitale Plattform in der ersten Säule

Versicherte der AHV, der IV und weiterer Sozialversicherungen sollen künftig einfacher auf ihre Daten zugreifen können. Dies sieht der Bundesrat in seiner Botschaft zum Bundesgesetz über Informationssysteme in den Sozialversicherungen vor.
Leila Lamti, Isabelle Rogg
  |  12. September 2025
    Recht und Politik
  • AHV
  • Digitalisierung
Über die «E-Plattform 1. Säule» sollen Versicherte beispielsweise potenzielle Beitragslücken online einsehen können. (Alamy)

Auf einen Blick

  • Die vom Bundesrat vorgeschlagene «E-Plattform 1. Säule» soll es den Versicherten ermöglichen, ihre Daten online einzusehen und beispielsweise die AHV-Rente provisorisch zu berechnen.
  • Behörden können mit der Plattform Verfügungen und Rechnungen sicher und rechtsgenüglich übermitteln.
  • Die gesetzliche Grundlage soll das neue Bundesgesetz über Informationssysteme in den Sozialversicherungen (BISS) schaffen.

Bei einem Stellenwechsel ändert häufig auch die AHV-Ausgleichskasse. Die meisten Erwerbstätigen verfügen deshalb über mehrere AHV-Konten bei den rund 70 Ausgleichskassen in der Schweiz. In diesen Konten sind die AHV-pflichtigen Einkommen und Beiträge erfasst – Daten, die entscheidend für die Höhe der Rente sind. Im Gegensatz zur beruflichen Vorsorge werden diese Konten bei einem Wechsel nicht von der neuen Ausgleichskasse übernommen, sondern verbleiben dezentral bei den jeweiligen Kassen.

Bestellt jemand einen Kontoauszug – aktuell tun dies circa 340 000 Personen pro Jahr –, müssen die Daten erst durch die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) zusammengerufen werden. Die Personen bekommen ihren individuellen Kontoauszug anschliessend innerhalb von ein bis zwei Wochen per Post zugestellt. Da auch Behörden wie die Steuerämter und andere Sozialversicherungen auf Kontoauszüge angewiesen sind, wurden im Jahr 2024 beispielsweise rund 1,5 Millionen Zusammenzüge bestellt.

Transparenz und Sensibilisierung erhöhen

Der Bundesrat will eine digitale Plattform schaffen, auf der die Versicherten sich künftig selbstständig über ihre Ansprüche und Versicherungsleistungen informieren können. Im September 2025 hat er zu diesem Zweck die Botschaft zum Bundesgesetz über Informationssysteme in den Sozialversicherungen (BISS) verabschiedet. Mit der geplanten «E-Plattform 1. Säule» erhalten die Versicherten eine zentrale digitale Anlaufstelle für ihre Anliegen rund um die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), die Invalidenversicherung (IV), die Erwerbsersatzordnung (EO) und die Ergänzungsleistungen (EL).

Beispielsweise werden sie überprüfen können, ob individuelle Beitragslücken vorhanden sind. Lücken können etwa entstehen, wenn ein Arbeitgeber keine AHV-Beiträge zahlt oder eine versicherte Person über eine längere Zeit auf Reisen ist und keine Beiträge entrichtet. Auch ein Unfall oder eine Krankheit können die Ursache für eine Beitragslücke sein. Mit der Plattform will der Bundesrat die Transparenz erhöhen und die Eigenverantwortung der Versicherten stärken.

Digitale Dienstleistungen für gesamte erste Säule

Von der Plattform profitieren auch die Leistungsbeziehenden in der IV sowie die Dienstleistenden in der EO: Sie sollen Rückerstattungs- und Entschädigungsanträge digital einreichen können, um die Gelder rasch zu erhalten.

Ein weiterer Vorteil der Plattform für die Versicherten ist, dass dem sogenannten Once-Only-Prinzip Rechnung getragen wird: Leistungsanträge von Versicherten können mit den bereits vorhandenen Daten in den zentralen Registern der ersten Säule angereichert werden –  eine mehrfache Eingabe ist somit nicht mehr notwendig. Anschliessend werden die Anträge automatisch an die zuständigen Durchführungsstellen (AHV-Ausgleichskasse oder IV-Stelle) zur Bearbeitung weitergeleitet. Dies bringt den Versicherten eine Vereinfachung der Interaktionen mit den Behörden und damit auch eine Zeitersparnis.

Durch das zentrale Behörden-Log-in AGOV, welches dereinst auch auf der Plattform verwendet werden soll, können die Versicherten mit den gleichen Zugangsdaten auch andere Behördenleistungen wie zum Beispiel diejenigen der dezentralen Durchführungsstellen nutzen, ohne sich erneut einzuloggen. Dies führt zu mehr Sicherheit, weil die Log-in-Daten nur noch an einem Ort bewirtschaftet werden. An der bewährten dezentralen Durchführung von AHV und IV ändert sich nichts.

Gesetzliche Grundlage schaffen

In den vergangenen Jahren hat in der ersten Säule eine Digitalisierung stattgefunden. So stellt die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) in Genf zentrale Register mit Daten der Versicherten zur Verfügung, die von verschiedenen Durchführungsstellen wie den IV-Stellen oder den Ausgleichskassen genutzt werden. Zudem stellen viele Durchführungsstellen den Arbeitgebenden digitale Dienstleistungen zur Verfügung. Für die Versicherten hingegen gibt es derzeit in der ersten Säule noch kaum digitale Angebote. Auch die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren im Schweizer Sozialversicherungssystem ist nicht standardisiert.

Für eine durchgehende Digitalisierung, wie sie in parlamentarischen Vorstössen gefordert wird und in verschiedenen Strategien des Bundes vorgesehen ist, braucht es eine gesetzliche Grundlage – diese liefert das neue Bundesgesetz über Informationssysteme in den Sozialversicherungen. Zudem hat der Bundesrat auch in anderen Sozialversicherungsgesetzen Bestimmungen angepasst und insbesondere im Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) diverse Digitalisierungsprinzipien verankert.

Die Durchführungsstellen und die Sozialversicherer nach ATSG werden gesetzlich verpflichtet, untereinander elektronisch zu kommunizieren, ebenso die berufsmässig Handelnden wie Anwältinnen und Anwälte. Damit nimmt der Bundesrat auch eine Forderung des Parlaments auf. Für die Versicherten bleibt die elektronische Kommunikation freiwillig. Für die Nutzung reicht es aus, sich mit einer vom Bundesrat anerkannten elektronischen Identität anzumelden.

Umsetzung in zwei Etappen

Die Plattform wird im Rahmen eines Projekts von ZAS, BSV und den Durchführungsstellen aufgebaut und soll dereinst von der ZAS betrieben werden. Die ZAS ist seit vielen Jahren die wichtigste IT-Dienstleisterin im Bereich der ersten Säule. Sie verantwortet zentrale Register wie das Versichertenregister oder das Rentenregister sowie weitere Informationssysteme – beispielsweise zur Unterstützung bei der Rentenberechnung.

In einer ersten Etappe wird das zentrale Behörden-Log-in bereitgestellt, und die bereits bestehenden Benutzeroberflächen der zentralen Register werden modernisiert und vereinfacht. Die Plattform wird vorerst für Fachpersonen der Durchführung der ersten Säule sowie andere gesetzlich berechtigte Sozialversicherer aufgebaut. Für diese Etappe sind die rechtlichen Grundlagen bereits heute vorhanden.

In einer zweiten Etappe werden die Versicherten Zugang zu ihren Daten erhalten und ihre Anträge direkt über die Plattform abwickeln können. Ziel ist, diesen Zugang bereitzustellen, sobald das neue Bundesgesetz in Kraft tritt. Dies dürfte frühestens 2028 der Fall sein.

Kosten für die Durchführung sinken

Die Durchführungsstellen profitieren von den modernen digitalen Dienstleistungen wie zum Beispiel der sicheren und modernen Behörden-Log-in-Lösung oder dem elektronischen Siegel für rechtsverbindliche Dokumente. Diese digitalen Dienstleistungen können anhand der offenen Schnittstellen mit wenig Aufwand in die eigenen IT-Systeme integriert werden. Dadurch werden Medienbrüche reduziert, Doppelspurigkeiten verhindert und die Datenqualität verbessert. Die zentrale Bereitstellung dieser Grundfunktionalitäten durch die Plattform reduziert die IT-Kosten für die Durchführungsstellen und indirekt die Verwaltungskosten der angeschlossenen Arbeitgebenden. Die Unternehmen und die versicherten Personen profitieren von einer effizienteren und wirtschaftlicheren Abwicklung.

Die Ausgleichsfonds profitieren von den digitalisierten Prozessen, indem die von ihnen bezahlten Posttaxen von heute 25 Millionen Franken jährlich reduziert werden können. Zudem können Prozesse automatisiert und die Effizienz der Abläufe erhöht und dadurch die Verwaltungskostenzuschüsse von jährlich 10 Millionen als Entschädigung für die Zustellung der individuellen Kontenauszüge und der Rentenvorausberechnungen optimiert werden. Das Wegfallen von manuellen Schritten führt zu effizienteren Abläufen, minimiert Fehlerquellen und verbessert die Datenqualität. Die Daten wiederum dienen als Entscheidungsgrundlage für eine kohärente Sozialversicherungspolitik.

Über die standardisierten Schnittstellen können auch Behörden wie kantonale Steuerämter und weitere Sozialversicherer wie die SUVA im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Daten aus den zentralen Registern der ersten Säule beziehen.

Einmalige Kosten von 15 Millionen Franken

Der Bund rechnet mit Investitionskosten für die «E-Plattform 1. Säule» und die integrierten digitalen Dienstleistungen von 15 Millionen Franken. Für den Betrieb im Endausbau werden jährlich Kosten von rund 1,5 Millionen Franken anfallen. Die Entwicklungs- und Betriebskosten werden vom Ausgleichsfonds der AHV, der IV und der EO übernommen. Für die Bundesverwaltung ist das Vorhaben haushaltsneutral.

Responsable IT Management, Office fédéral des assurances sociales (OFAS)
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Rechtsanwältin, Leiterin Bereich Recht, Bundesamt für Sozialversicherungen
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