Auf einen Blick
- Charakteristisch für die berufliche Vorsorge der Schweiz sind der staatliche Rahmen, das Obligatorium sowie die Finanzierung im Kapitaldeckungsverfahren.
- In den OECD-Ländern existiert eine Vielzahl von Modellen: tarifvertragliche Lösungen, automatische Mitgliedschaften oder freiwillige Rentensysteme.
- Damit das Schweizer Vorsorgesystem seine Stärken bewahren kann, sind Anpassungen an demografische, wirtschaftliche und berufliche Veränderungen erforderlich.
In einem globalen Umfeld, das durch die demografische Alterung und die Suche nach nachhaltigen Rentenmodellen geprägt ist, stellt das System der beruflichen Vorsorge (BVG) der Schweiz eine Ausnahme dar: Die zweite Säule ist in der Bundesverfassung verankert, für alle Angestellten mit einem Einkommen über einer bestimmten Eintrittsschwelle obligatorisch und basiert auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Im Gegensatz dazu beruhen die meisten ausländischen Systeme auf Freiwilligkeit oder auf Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern.
Internationale Vergleiche der Sozialversicherungssysteme sind wegen unterschiedlicher Rahmenbedingungen nur bedingt aussagekräftig. In der Europäischen Union (EU) fallen die Rentensysteme in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die EU regelt lediglich Fragen der grenzüberschreitenden Mobilität, des Konsumentenschutzes und des Binnenmarktes. Daraus ergibt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Rentenmodelle. In Europa kombinieren einzig Island und seit Kurzem auch Norwegen wie die Schweiz ein gesetzliches Obligatorium mit einer Finanzierung über individuelle Kapitalisierung.
Im Folgenden betrachten wir die wichtigsten Modelle der betrieblichen Altersvorsorge in ausgewählten Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Aufgrund der Eigenheiten der zweiten Säule in der Schweiz erscheint ein Überblick sinnvoller als ein Vergleich mit dem Schweizer System.
Auf Tarifvereinbarungen basierende Systeme
In mehreren Staaten basiert die Mitgliedschaft in einem betrieblichen Vorsorgesystem auf Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern. Dies trifft insbesondere auf das niederländische System zu, wo branchenspezifische Pensionsfonds stark verbreitet sind. Obwohl die Mitgliedschaft dort nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, gibt es in vielen Branchen ein über kollektive Vereinbarungen geregeltes Obligatorium. Auch in Dänemark oder Schweden beispielsweise decken branchenspezifische Pensionsfonds einen Grossteil der Arbeitnehmenden ab. Gemäss der OECD liegt die Schwäche dieser Systeme darin, dass sie nicht alle Erwerbstätigen erfassen. So decken diese die Arbeitnehmenden ohne Tarifvertrag sowie die Selbstständigerwerbenden nicht ab (siehe OECD 2024). Laut dem Mercer CFA Institute Global Pension Index verfügen die Niederlande, Dänemark und Schweden über die leistungsstärksten Systeme.
Dieser Referenzindex bewertet 52 Rentensysteme weltweit anhand von drei Kriterien: Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität. Dabei werden insgesamt mehr als 50 Indikatoren herangezogen. Im Jahr 2025 erreichten nur drei europäische Länder – die Niederlande, Island und Dänemark – die Bestnote A. Schweden wurde mit der Gesamtnote B+ bewertet, während die Schweiz die Note B erhielt, allerdings mit einer gegenüber 2024 verbesserten Punktzahl. Laut den Experten könnte die Schweiz dieses Ergebnis noch verbessern, wenn sie beispielsweise das Rentenalter an die Entwicklung der Lebenserwartung koppeln würde.
Einige von den Sozialpartnern verwaltete betriebliche Vorsorgesysteme funktionieren im Umlageverfahren – beispielsweise das französische Modell AGIRC/ARRCO. AGIRC/ARRCO deckt Arbeitnehmende des privaten Sektors beziehungsweise Führungskräfte ab und funktioniert nach einem Punktesystem: Jährlich werden Beiträge in Rentenpunkte umgewandelt und einem individuellen Konto gutgeschrieben. Angesichts einer steigenden Lebenserwartung und einer sinkenden Geburtenrate müssen diese umlagefinanzierten Rentensysteme zwangsläufig angepasst werden.
Modelle mit automatischer Mitgliedschaft
Andere Länder haben sich für ein staatliches Modell entschieden, das für Arbeitnehmende allerdings freiwillig ist. Im Vereinigten Königreich beispielsweise aktiviert sich die Mitgliedschaft im Rentensystem von Arbeitnehmenden automatisch (auto-enrolment), sobald eine bestimmte Einkommensschwelle erreicht wird. Im Jahr 2025 betrug diese umgerechnet rund 10 500 Franken pro Jahr. Dabei haben Arbeitnehmende die Möglichkeit auszutreten (opt-out).).
Die Beitragshöhe des britischen Modells wird jedoch als unzureichend kritisiert. So sehen die Mindestvorschriften einen Arbeitgeberbeitrag von 3 Prozent und einen Arbeitnehmerbeitrag von 5 Prozent vor, wodurch die Rente relativ tief ausfällt. Ähnliche Systeme finden sich zum Beispiel in der Türkei und in Neuseeland. Anfang 2026 führt auch Irland einen solchen Mechanismus (My Future Fund) ein, wobei die Schwelle für Arbeitnehmende bei einem Jahreseinkommen von 20 000 Euro liegt.
Nach Ansicht der EU-Kommission sind automatische Mitgliedschaften ein wirksames Mittel, um die Beteiligungsquoten der Beschäftigten über Zusatzrentensysteme zu erhöhen und die Renditen der Versorgungsberechtigten dank Diversifizierung der Anlagen und Skaleneffekten bei den investierten Mitteln zu steigern. Im November 2025 verabschiedete sie eine Reihe von Massnahmen zur Ergänzung der staatlichen Renten, darunter eine Empfehlung zur automatischen Mitgliedschaft in Zusatzrentensystemen. Die EU-Kommission wird die Umsetzung der Empfehlung auf nationaler Ebene über mehrere Mechanismen überwachen.
Prinzip der Freiwilligkeit
In vielen Ländern sind betriebliche Vorsorgesysteme nach wie vor ausschliesslich freiwillig und von der Arbeitgeberpolitik abhängig. Dies ist insbesondere in Deutschland (betriebliche Altersvorsorge) und den USA der Fall. Der Staat ist nicht direkt involviert, fördert die Entwicklung solcher Vorsorgepläne aber durch steuerliche Anreize.
Zur Förderung der «Zusatzaltersvorsorge», die sich in Deutschland nicht richtig durchsetzen konnte, wurde die sogenannte Riester-Rente eingeführt. Dabei handelt es sich um einen privaten Vertrag, den Arbeitnehmende oder Arbeitgeber freiwillig abschliessen können und der mit staatlichen Zulagen und Steuervorteilen gefördert wird. Mit einem für 2027 geplanten Reformvorhaben will die Bundesregierung die Attraktivität der Riester-Rente erhöhen. Der Bundestag verabschiedete im Dezember 2025 zudem das «Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz» (BRSG II), das ab 2026 schrittweise in Kraft tritt. In den Vereinigten Staaten profitieren Altersvorsorgesysteme von einer bevorzugten steuerlichen Behandlung auf Bundesebene, das heisst landesweit geltend. In der EU verhindert hingegen die fehlende Harmonisierung eine solche einheitliche steuerliche Vorzugsbehandlung von Altersvorsorgeprodukten.
Schweizer Ausnahmemodell
Die schweizerische berufliche Vorsorge stellt somit im internationalen Vergleich eine Sonderform dar: Sie fusst auf einer staatlichen Grundlage in Kombination mit einem gesetzlichen Obligatorium und einer Finanzierung im Kapitaldeckungsverfahren. Zusammen mit der ersten Säule sorgt die zweite Säule für einen umfassenden Versicherungsschutz und relative finanzielle Stabilität. Je höher das Einkommen, desto entscheidender ist die zweite Säule, um den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Diese besondere Architektur spiegelt das für die Schweiz typische Gleichgewicht zwischen individueller Verantwortung und kollektiver Solidarität wider.
Um die Zukunft der beruflichen Vorsorge in der Schweiz zu sichern, braucht es jedoch Anpassungen an demografische, wirtschaftliche und berufliche Veränderungen, wie dauerhaft niedrige Zinsen, die steigende Lebenserwartung oder die Diversifizierung der Laufbahnen. Nur so kann die zweite Säule auch in einem sich wandelnden Umfeld weiterhin als wirksames Modell bestehen.