Am 1. Januar 1960 wurde das Gesetz über die Invalidenversicherung (IVG) in Kraft gesetzt. «Es ist bemerkenswert, dass es von Anfang an das primäre Ziel der IV war, Menschen mit einer Behinderung einen Platz im Erwerbsleben und in der Gesellschaft zu sichern», stellt Sozialminister Alain Berset im Kerninterview dieser CHSS fest. Der inhaltliche Bogen des Schwerpunkts spannt sich von der Entstehung der IV und ihrer Entwicklung, über die Herausforderungen der Gegenwart, bis zu den Erwartungen an die Zukunft der Versicherung.
Wir stecken in einer temporeichen Zeit. Die Corona-Krise schwächt den Arbeitsmarkt erheblich, die Integrationsarbeit der IV wird dadurch noch anspruchsvoller. Zudem verlangt die Digitalisierung eine grosse Anpassungsfähigkeit aller Beteiligten.
Die Aufgabe der IV ist bis heute dieselbe geblieben: Integration als permanente Aufgabe; im Zentrum der Mensch. Die berufliche Integration erfolgt im Spannungsfeld zwischen einem dynamischen Arbeitsmarkt, der Entwicklung in der Medizin und der Biografie des Einzelnen. Dem gegenüber stehen das Gesetz über die Invalidenversicherung und die unterschiedlichen Erwartungen dessen, was das Gesetz zu leisten in der Lage ist.
Die IV ist stetig bemüht, qualitative Verbesserungen für die Solidaritätsempfänger zu erarbeiten und zusammen mit dem Gesetzgeber entsprechend zu normieren. Die Gesetzesvorlage zur Weiterentwicklung der IV, die das eidgenössische Parlament in diesem Sommer verabschiedet hat, legt ihren Fokus auf die Optimierung der Integration von Jugendlichen und Menschen mit psychischen Problemen in die Berufsbildung und ins Arbeitsleben, unter anderem mit Massnahmen zur Früherkennung und verbesserten Koordination der persönlichen Begleitung.
«Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass Arbeitsintegration nur dann gelingt, wenn alle Beteiligten am gleichen Strick ziehen und die Lasten fair verteilt werden», betont der Historiker Urs Germann im Schwerpunkt dieser CHSS. Die IV kann die Herausforderung der beruflichen Integration nicht alleine lösen. Dafür braucht es die intensive Zusammenarbeit der IV mit den beteiligten Akteuren und die sorgfältige Koordination mit der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe. Die Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ), die hierzu vor zehn Jahren auf Bundesebene implementiert wurde, hat sich seither bewährt, wie das entsprechende Interview aufzuzeigen vermag.
Gemeinsam mit ihren Anspruchsgruppen sucht die IV permanent nach Lösungen für diejenigen Menschen, die Unterstützung brauchen, um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder (wieder) in den Arbeitsmarkt zu finden. Im Ausblick dieses Schwerpunktes anerkennen die Anspruchsgruppen die Arbeit der IV. Wir nehmen diese Wertschätzung als Verpflichtung für die Zukunft, zumal uns einige prüfenswerte Verbesserungsvorschläge unterbreitet wurden. Es ist in der Konstruktion der halbdirekten Demokratie begründet, dass die gesetzliche Normierung die gesellschaftliche Entwicklung zeitlich verschoben nachzeichnet. Folglich wird die IV viele dieser Vorschläge mit der Zeit aufgreifen und einer Lösung zuführen, die den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht wird, aber auch wirtschaftlich und zweckmässig ist. Auch wenn Integration und Inklusion Fortschritte erzielten, werde es die IV immer brauchen, meint Bundesrat Berset im erwähnten Interview weiter: «Inklusion ist eine ständige Aufgabe.»