Auf einen Blick
- Die Erträge aus den Vermögensanlagen der beruflichen Vorsorge finanzieren etwa 30 Prozent der Leistungen.
- Angesichts der wiederholten Finanzkrisen haben die Vorsorgeeinrichtungen ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt.
- Die Autonomie der Pensionskassen und dynamische rechtliche Rahmenbedingungen tragen zu dieser Resilienz bei.
Das Vermögen der beruflichen Vorsorge ist von 157 Milliarden Franken im Jahr 1987 auf 1161 Milliarden Franken im Jahr 2021 angestiegen. Im Jahr 1987 machten diese Vorsorgevermögen 74 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus, 34 Jahre später waren es 135 Prozent des BIP. Diese Zahlen gehen aus der Schweizerischen Sozialversicherungsstatistik 2023 des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) hervor. Der Grossteil des Vermögens wird auf in- und ausländischen Finanzmärkten angelegt. Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) im Jahr 1985 ist das Vermögen der beruflichen Vorsorge kontinuierlich angewachsen.
Die erzielten Anlageerträge aus dem Vorsorgevermögen sind so bedeutend, dass die Akteure der beruflichen Vorsorge sie als «dritten Beitragszahler» bezeichnen. Im Schnitt wurden rund 30 Prozent der Leistungen über Anlageerträge finanziert, der Rest über Beiträge der Arbeitgeber und Versicherten. Ohne diese Anlageerträge würden die während 40 Jahre hinweg eingezahlten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge nicht ausreichen, um den künftigen Rentnerinnen und Rentnern die vorgeschriebenen Leistungen zu garantieren.
Aufgrund der zentralen Rolle des dritten Beitragszahlers – einem Wesensmerkmal des Kapitaldeckungsverfahrens – gilt für die Anlagepolitik seit Inkrafttreten des BVG-Obligatoriums das Sorgfaltsprinzip Prudent Investor Rules. Das BVG hält dazu fest: «Die Vorsorgeeinrichtungen verwalten ihr Vermögen so, dass Sicherheit und genügender Ertrag der Anlagen, eine angemessene Risikoverteilung sowie die Deckung des voraussehbaren Bedarfes an flüssigen Mitteln gewährleistet sind» (Art. 71 Abs. 1 BVG). Mit dem Sorgfaltsprinzip soll in erster Linie die Bonität der Vorsorgeeinrichtungen sichergestellt werden.
Ein Sicherheitspolster
Da mit dem Sorgfaltsprinzip hauptsächlich die Bonität der Vorsorgeeinrichtungen gewährleistet werden soll, stellt sich die Frage, wie sich das an den Märkten angelegte Vermögen der beruflichen Vorsorge entwickelt hat, insbesondere vor dem Hintergrund der regelmässig auftretenden Finanzkrisen.
Die Bonität einer Vorsorgeeinrichtung misst sich an ihrer Fähigkeit, die Verpflichtungen gegenüber den Versicherten zu erfüllen. Die Zahlungsfähigkeit kann mithilfe eines Indikators gemessen werden: dem Deckungsgrad. Dieser weist das Verhältnis zwischen dem Vermögen und den Verpflichtungen einer Pensionskasse aus. Ab einem Deckungsgrad von 100 Prozent hat eine Pensionskasse genug finanzielle Mittel, um alle Leistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen, wenn ihre Tätigkeit von einem Tag auf den anderen eingestellt würde. Liegt der Deckungsgrad hingegen unter 100 Prozent und kann die Situation nicht schnell behoben werden, ist die Vorsorgeeinrichtung verpflichtet, Sanierungsmassnahmen zu ergreifen.
Die Wertschwankungsreserve wiederum dient dem kurzfristigen Ausgleich von Schwankungen auf den Finanzmärkten. Sie ist ein Sicherheitspolster und soll Einbrüche der Finanzmärkte abfedern sowie verhindern, dass eine Unterdeckung entsteht, die Sanierungsmassnahmen notwendig macht. Je nach Anlagestrategie der einzelnen Vorsorgeeinrichtungen liegt die Ziel-Wertschwankungsreserve üblicherweise zwischen 10 und 20 Prozent der Verpflichtungen.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung des Deckungsgrades der privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen von 2004 bis 2023. Ab 2012 ist zusätzlich der Anteil der Einrichtungen mit einer Wertschwankungsreserve zwischen 75 und 100 Prozent des Zielgrates dargestellt. Die grauen Flächen beziehen sich auf Turbulenzen auf den Finanzmärkten – wie unter anderem die Finanzkrise 2008, die europäische Schuldenkrise 2011 und 2012 sowie die Neuausrichtung der geldpolitischen Strategie der Zentralbanken 2018 und 2022.
Ein Blick auf die Entwicklung des Deckungsgrads seit 2003 zeigt: Mit Ausnahme der folgenschweren Subprime-Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009, die in Ausmass und Schwere einzig mit der Krise von 1929 vergleichbar ist, lag der durchschnittliche Deckungsgrad der privatrechtlichen Einrichtungen nie unter 100 Prozent lag. So waren im Durchschnitt zwischen 100 und 120 Prozent der Verpflichtungen mit Vermögenswerten gedeckt. Daraus könnte man schliessen, dass die Finanzmarktkrisen der letzten 20 Jahre nur geringe Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität der beruflichen Vorsorge gehabt haben.
Auflösung von Reserven
Die Kurve zum Anteil der privatrechtlichen Kassen mit Wertschwankungsreserven zwischen 75 und 100 Prozent der Zielvorgabe zeigt jedoch eine andere Realität: Ein starker Abschwung an den Finanzmärkten zwingt die Vorsorgeeinrichtungen, ihre Wertschwankungsreserven aufzulösen, um den Schock zu absorbieren. Der Zickzack-Verlauf deutet darauf hin, dass die Wertschwankungsreserven ihre Rolle als «Sicherheitspolster» für die meisten Pensionskassen tatsächlich erfüllt haben. Die Auflösung der Reserven (Tiefpunkte der Kurve in der Grafik) zeigt, dass die betroffenen Vorsorgeeinrichtungen damit die Verluste an den Finanzmärkten ausgleichen konnten.
Aus der Analyse der Tiefstwerte bei den Wertschwankungsreserven in den Jahren 2011–2012, 2018 und 2022 (Daten zur Subprime-Finanzkrise waren bei Swisscanto nicht verfügbar) lässt sich ein gemeinsames Merkmal ableiten: Die entsprechenden Jahre fallen auf Zeitspannen, in denen es auf den Obligationenmärkten infolge der neu ausgerichteten Geldpolitik der Zentralbanken zu einer Kehrtwende kam.
Zwischen 2011 und 2012 hatte die Überschuldung mehrerer europäischer Länder massiv höhere Zinsen für Staatsanleihen in Europa zur Folge. Im Jahr 2018 führte die Kombination aus geldpolitischer Straffung (die US-Notenbank Fed erhöhte die Leitzinsen viermal), Handelskonflikten, Angst vor einer Konjunkturabschwächung und Liquiditätsverknappung zu gleichzeitigen Rückgängen an den Aktien- und den Obligationenmärkten.
Im Jahr 2022 schliesslich sahen sich die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank gezwungen, ihre Leitzinsen schnell und stark anzuheben, um der Rekordinflation infolge der Covid-19-Pandemie entgegenzuwirken, was wiederum zu einem Obligationencrash führte, dem zu Jahresende ein Einbruch der Aktienmärkte folgte. Hingegen scheint der durch die Pandemie verursachte abrupte, aber zeitlich begrenzte Kurssturz um 30 Prozent im Jahr 2020 keine Auswirkungen auf den Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen oder die Höhe ihrer Wertschwankungsreserven gehabt zu haben.
Bewährte Autonomie der Kassen
Der Autonomie der Vorsorgeeinrichtungen in Bezug auf die Anlagestrategie hat der Gesetzgeber stets grosse Bedeutung beigemessen. Sie galt jedoch nie als absolut und war daher immer von Gesetzesbestimmungen flankiert.
So haben die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge sicherzustellen, dass die von ihnen verwalteten Vorsorgevermögen zweckgemäss verwendet werden, dass ihre finanzielle Stabilität gewährleistet ist und dass die kollektiven Interessen der Versicherten geschützt sind. Die Hauptverantwortung für die finanzielle Stabilität einer Vorsorgeeinrichtung liegt dabei letztlich beim obersten Organ, das sich paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt. Bei versicherungsmathematischen Fragen und in Sachen Investitionen oder Berichterstattung kann das oberste Organ Expertenwissen beiziehen.
Da das BVG die Verantwortung für die Vermögensverwaltung der Vorsorgeeinrichtung ausschliesslich den Mitgliedern des obersten Organs überträgt, müssen diese vertiefte Kenntnisse der Finanzmärkte besitzen oder erwerben. Um die Steuerungsaufgaben wahrzunehmen, müssen die Mitglieder des obersten Organs die Anlagetätigkeit allenfalls an einen kasseninternen Ausschuss oder an externe Expertinnen oder Experten delegieren. Schliesslich ist das paritätische Organ auch dafür verantwortlich, innerhalb der Einrichtung angemessene Risikomanagement-Strukturen und -Prozesse einzurichten. Zur langfristigen Planung und Steuerung werden entsprechende Informationsgrundlagen geschaffen.
Strikter, aber dynamischer Rechtsrahmen
Die den Pensionskassen auferlegten strengen Regeln betreffend Risikomanagement und Vermögensverteilung setzen Schranken für zu riskante Anlagen und sorgen gleichzeitig für eine sorgfältige Bewirtschaftung sowie ein hohes Mass an Diversifizierung (Art. 50 bis 59 BVV 2). Eine erste Gruppe von Regeln stellt sicher, dass die Anlagen strengen Qualitäts- und Bonitätskriterien genügen und in stabile Märkte mit vorhersehbaren Renditen investiert werden.
Eine zweite Gruppe von Regeln legt für die Verteilung der Investitionen auf die verschiedenen Anlagekategorien Obergrenzen fest. Beispielsweise dürfen Aktien und Aktienfonds maximal 50 Prozent des Gesamtvermögens ausmachen. Die Immobilieninvestitionen sind auf 30 Prozent begrenzt, wobei maximal ein Drittel ins Ausland fliessen darf. Bei alternativen Anlagen gilt eine Obergrenze von 15 Prozent. Neben Einschränkungen bei den zulässigen Anlagekategorien gilt auch eine Begrenzung einzelner Schuldner. Unbegrenzt ist einzig der Anteil, der in Obligationen der höchsten Bonitätsstufe investiert werden darf.
Die Dynamik und Kreativität des Financial Engineering geht mit einer Verdichtung der Regeln für die Pensionskassenanlagen wie auch für die zulässigen Obergrenzen der einzelnen Anlagekategorien einher. Die Subprime-Finanzkrise war Auslöser für die Einführung von Sondervorschriften zur Regulierung alternativer Anlagen. Diese breite Palette an Investitionen umfasst passive oder passiv gemanagte Fonds (ETF), spekulative Fonds (Hedgefonds), verschiedene Arten von Derivaten (z. B. Credit Default Swaps), nicht börsennotierte Forderungen (Private Debt), Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen (Private Equity) und strukturierte Produkte. Künftig muss sich die berufliche Vorsorge möglicherweise auch mit der Regulierung neuer Finanzprodukte wie etwa Kryptowährungen befassen.
Herausforderungen der Zukunft
Die Resilienz der beruflichen Vorsorge angesichts von Schwankungen an den Finanzmärkten bedeutet jedoch nicht, dass auch künftige Krisen den Einrichtungen nichts anhaben können. Die extrem niedrigen Zinsen, die seit der Subprime-Finanzkrise 2008 gang und gäbe sind, strapazieren seit über 20 Jahren die finanzielle Stabilität der beruflichen Vorsorge. Die Rendite zehnjähriger Bundesobligationen lag in den 1990-er Jahren noch bei 4,8 Prozent und ging danach kontinuierlich zurück. 2021 wurden negative Renditen zur Realität. Seitdem bewegen sie sich wieder im positiven Bereich, bleiben aber immer noch weit unter den früheren Werten.
Um ihre finanzielle Situation zu stabilisieren, sahen sich die Vorsorgeeinrichtungen in den letzten Jahren veranlasst, vermehrt auf rentablere Finanzprodukte zu setzen, die jedoch wegen ihrer Volatilität oder Illiquidität mit einem höheren Risiko behaftet sind. Zwar ist es zulässig, die Obergrenze der einen oder anderen Anlagekategorie zu überschreiten, aber die Vorsorgeeinrichtungen müssen dies gegenüber der Aufsichtsbehörde begründen können (Art. 50 Abs. 4 BVV 2).
Tatsache ist indes, dass sich die Risiken an den Finanzmärkten verändert haben. Obligationen der höchsten Bonitätsstufen sind heute riskanter, vor allem bei längerer Laufzeit und weiterhin tiefen Zinsen. Das Risiko erhöht sich noch mehr, wenn die Geldpolitik der Zentralbanken abrupt wechselt. Der fast gleichzeitige Einbruch der Aktien- und Obligationenmärkte birgt zusätzliche Risiken, die bei der Einführung des BVG-Obligatoriums so nicht eingeplant war.
In Zukunft wird es somit umso wichtiger sein, dass die Vorsorgeeinrichtungen die Sicherheit ihrer Anlagen unter Berücksichtigung der gesamten Aktiven und Passiven sowie der Struktur und der künftigen Entwicklung des Versicherten- und des Rentnerbestandes sorgfältig beurteilen.