Bundesratsbericht zu ­Ausbildungs- und Familienzulagen

In einem Bericht von Mitte Februar kommt der Bundesrat zum Schluss, dass sich die Alters­grenze von 25 Jahren für den Bezug von Ausbildungszulagen bewährt hat. Zudem ­können ­erwerbstätige Partner von Funktionären internationaler Organisationen Familien­­zulagen nach Schweizer Recht beziehen, auch wenn die Organisationen eigene ­Familienleistungen an ihre Mitarbeitenden ausrichten.
Yasemin Cevik, Liliane Probst
  |  02. Juni 2017
  • Familienzulagen
  • Sozialpolitik allgemein

Mit dem Postulat «Soziale Auswirkungen der festen Altersgrenze für Ausbildungszulagen»1 beauftragte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats den Bundesrat, die sozialen Auswirkungen der Altersgrenze für Ausbildungszulagen, wie sie im Familienzulagengesetz festgelegt ist, zu analysieren und allfällige Verbesserungen vorzuschlagen. In seinem Bericht, der seit Mitte Februar vorliegt (Bundesrat 2017), beantwortet der Bundesrat auch ein zweites Postulat zum Familienzulagengesetz (FamZG). Im entsprechenden Vorstoss «Ein Kind, eine Zulage»2
 fordert Ständerätin Liliane Maury Pasquier den Bundesrat auf zu prüfen, ob mit einer Anpassung des Bundesrechts der gleichzeitige Bezug von schweizerischen Familienzulagen und Familienleistungen einer internationalen Organisation verhindert werden könnte.

Das Familienzulagengesetz ist seit dem 1. Januar 2009 in Kraft. Es legt insbesondere Mindestbeträge für die Kinder- und Ausbildungszulagen fest und vereinheitlicht die Anspruchsvoraussetzungen. Im Jahr 2015 wurden 1,9 Mio. Familienzulagen in der Höhe von 5,8 Mrd. Franken an 1,1 Millionen Bezügerinnen und Bezüger ausbezahlt (Familienzulagenstatistik 2015).

Ausbildungszulagen im geltenden Recht Die Ausbildungszulagen werden für Kinder in Ausbildung ab dem vollendeten 16. Altersjahr bis zum Abschluss der Ausbildung gewährt, längstens jedoch bis zum Ende des Monats, in dem sie das 25. Altersjahr vollenden. Die Ausbildungszulagen sollen die Kosten, welche den Eltern durch die Ausbildung der Kinder entstehen, teilweise ausgleichen. Sie werden nicht nur für Erstausbildungen, sondern auch für Zweitausbildungen und Weiterbildungen gewährt. Die Ausbildung muss jedoch gewisse Mindestanforderungen erfüllen. Die geltende Altersgrenze ist im schweizerischen Sozialversicherungsrecht koordiniert und gilt z. B. auch bei den Waisen- und Kinderrenten der AHV. Im EU-/EFTA-Raum gehört die in der Schweiz geltende Altersgrenze zu den höchsten.

Situation der Jugendlichen in Ausbildung Ein gewichtiger Teil der Studierenden ist beim Abschluss der Ausbildung auf Tertiärstufe über 25-jährig. Zum Teil haben diese Studierenden zu einem früheren Zeitpunkt bereits eine Ausbildung abgeschlossen. Dies gilt insbesondere für Studierende an einer Fachhochschule. Die meisten der Studierenden ab 26 Jahren können denn auch selber für ihren Unterhalt und die Ausbildung aufkommen. Es gibt aber auch Studierende ab 26 Jahren, die ihre finanzielle Situation als schwierig bezeichnen und von einer Anhebung der Altersgrenze profitieren würden. Dies sind insbesondere Studierende, die Stipendien beziehen.

Mehrkosten einer allfälligen Anpassung der Altersgrenze Die Eltern sind verpflichtet, für eine angemessene Ausbildung ihrer Kinder aufzukommen. In Bezug auf diese elterliche Pflicht kennt das Zivilrecht zwar keine feste obere Altersgrenze, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die meisten jungen Erwachsenen spätestens bis zum 30. Altersjahr eine angemessene Ausbildung erhalten haben. Folglich sind die meisten Eltern ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verpflichtet, für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen. Der Bundesrat hat in seinem Bericht die Mehrkosten geschätzt, die dem Familienzulagensystem bei einer Verlängerung des Anspruchs auf Ausbildungszulagen um maximal fünf Jahre erwachsen würden. Eine Verlängerung um ein Jahr würde Mehrausgaben von 70 Mio. Franken bewirken. Eine Erhöhung der Altersgrenze um zwei Jahre würde 120 Mio. kosten, um drei Jahre 155 Mio., um vier Jahre 185 Mio. und um fünf Jahre 200 Mio. Franken pro Jahr. Da die Familienzulagen überwiegend durch Beiträge der Arbeitgeber und Selbstständigen finanziert werden, hätte eine Verlängerung des Anspruchs zusätzliche Lohnnebenkosten zur Folge.

Haltung des Bundesrats Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine Erhöhung der Altersgrenze bei den Ausbildungszulagen nicht sinnvoll ist. Viele Studierende kämen bei einer Erhöhung der Altersgrenze in den Genuss von Ausbildungszulagen, ohne diese effektiv zu benötigen. Eine Erhöhung der Altersgrenze hätte zudem zur Folge, dass die in EU- oder EFTA-Staaten exportierten Leistungen beträchtlich ansteigen würden. Diese werden für Auszubildende exportiert, die ihren Wohnsitz in einem dieser Staaten haben, und deren Eltern in der Schweiz Anspruch auf Ausbildungszulagen haben. Zudem ist die Altersgrenze 25 im Sozialversicherungsrecht bestens koordiniert.

Regelung der sozialen Sicherheit in den Sitzabkommen mit internationalen Organisationen Zwischen zahlreichen internationalen Organisationen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bestehen sogenannte Sitzabkommen. Diese sehen u. a. vor, dass die von den internationalen Organisationen beschäftigten Funktionäre nicht im schweizerischen Sozialversicherungssystem versichert sind. Daher erhalten die Funktionäre für ihre Kinder keine Familienzulagen nach FamZG. Allerdings legen die Statuten und Reglemente der internationalen Organisationen in aller Regel eigene Leistungen für den Ausgleich der Kosten fest, die ihren Mitarbeitenden durch den Unterhalt ihrer Kinder entstehen.

Arbeitet nun in ein und derselben Familie ein Elternteil für eine internationale Organisation und der andere für einen Arbeitgeber in der Schweiz, kann dies dazu führen, dass das gemeinsame Kind einerseits zu Familienleistungen gemäss dem Reglement der internationalen Organisation berechtigt, andererseits zu Familienzulagen nach dem FamZG.

Rechtsprechung des Bundesgerichts Der gleichzeitige Bezug von Zulagen derselben Art für dasselbe Kind, der sogenannte Doppelbezug, ist unzulässig. Allerdings kam das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 10. April 2014 (BGE 140 V 227) zum Schluss, dass ein gleichzeitiger Bezug von schweizerischen Familienzulagen im Sinne des FamZG und Familienleistungen einer internationalen Organisation kein Doppelbezug und somit zulässig ist, da es sich nicht um Zulagen derselben Art handle. Unter Zulagen derselben Art seien allein die im FamZG vorgesehenen Zulagen zu verstehen, die im Rahmen des Familienzulagensystems finanziert werden. Andere Leistungen, die ein Kanton vorsehen kann (z. B. Ergänzungsleistungen für Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen), oder zusätzliche (freiwillige) Leistungen eines Arbeitgebers für seine Mitarbeitenden mit Kindern, fielen nicht darunter.

Haltung des Bundesrats Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es sich bei den Familienleistungen internationaler Organisationen um Leistungen des Arbeitgebers handelt, die mit den freiwilligen Leistungen vergleichbar sind, wie sie zum Teil auch schweizerische Arbeitgeber ausrichten. Die freiwilligen Leistungen der Arbeitgeber sind ausserhalb des Familienzulagensystems geregelt und finanziert. Entsprechend dürfen die in den Reglementen der internationalen Organisationen vorgesehenen Familienleistungen nicht als Zulagen derselben Art angesehen werden. Ein internationaler Vergleich zeigt zudem, dass auch andere Länder staatliche Familienzulagen an erwerbstätige Partner internationaler Funktionäre auszahlen, die Familienleistungen beziehen. Schliesslich treffen aus Sicht des Bundesrates die Befürchtungen der Postulantin nicht zu, das Bundesgerichtsurteil würde massive Mehrkosten für den Kanton Genf mit seinen zahlreichen internationalen Organisationen zur Folge haben. Schätzungen zufolge betragen die Mehrkosten höchstens 8 Mio. Franken pro Jahr. Dies entspricht lediglich 1 Prozent der Ausgaben für die Familienzulagen im Kanton Genf von 709 Mio. Franken. Der Bundesrat erachtet deshalb eine Gesetzesanpassung als nicht angezeigt.

Materialien

Bundesrat (2017): Altersgrenze bei Ausbildungszulagen und Familienleistungen von internationalen Organisationen. Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Postulate 12.3973 SGK-N vom 12. Oktober 2012 und 14.3797 Maury Pasquier vom 24. September 2014: www.bsv.admin.ch > Publikationen & Service > Medien­informationen > Alle Mitteilungen des BSV >15.02.2017.

Familienzulagenstatistik (2015): Statistik der Familienzulagen 2015: www.bsv.admin.ch > Sozialversicherungen > Familienzulagen > Statistik.

Juristin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung Familie, Generationen und Gesellschaft, BSV.
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