Das BSV trägt zur Umsetzung der Agenda 2030 bei

Géraldine Luisier Rurangirwa
  |  08. Oktober 2021
  • Armut
  • Chancengerechtigkeit
  • Generationen
  • Gesellschaft
  • Sozialpolitik allgemein
Urs Keller, BSV/OFAS

Vor allem mit seinen Aktivitäten in den Bereichen Sozialversicherung, Armutsbekämpfung und Vereinbarkeit von Arbeit und Familie trägt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) entscheidend zur Verwirklichung der zentralen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung wie der Chancengleichheit und des sozialen Zusammenhalts bei.

Auf einen Blick

  • Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt sind zentrale Ziele der schweizerischen Sozialpolitik.
  • Eine nachhaltige Sozialpolitik muss den föderalen Strukturen Rechnung tragen.
  • Das BSV leistet seinen Teil an die Gesamtstrategie des Bundes v.a. bei der Sicherung der Sozialwerke, im Bereich der Armutsbekämpfung und indem es die Vereinbarkeit sowie die Teilhabe fördert.

Obwohl das Wirken des BSV eindeutig in der sozialen Dimension der nachhaltigen Entwicklung verankert ist und zur Chancengleichheit sowie zum sozialen Zusammenhalt beiträgt, nimmt es in der «nationalen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» (SNE 2030: Bundesrat 2021a) nur einen bescheidenen Platz ein, und im Aktionsplan 2021–2023 fehlt es fast gänzlich (Bundesrat 2021b). Die relative Unsichtbarkeit mag überraschen, lässt sich aber teilweise durch das kontinuierliche Engagement des BSV und die föderale Ausgestaltung der Sozialpolitik in der Schweiz erklären.

Ein von Kontinuität und Föderalismus geprägter Beitrag

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) der Agenda 2030 der UNO (United Nations 2015) erheben den Anspruch auf Universalität. Die 169 Unterziele, welche die SDG konkretisieren, widerspiegeln nicht zwingend die Verhältnisse und Anliegen jedes einzelnen Landes.

Die relative Unsichtbarkeit des BSV lässt sich namentlich durch die föderale Ausgestaltung der Sozialpolitik in der Schweiz erklären.

Um dort ihre Wirkung zu entfalten, bedürfen sie sozusagen einer Übersetzung in den lokalen Kontext.

  • Nachhaltigkeit und Kontinuität: In der nationalen Strategie werden mehrere Unterziele umformuliert, damit sie die schweizerischen Verhältnisse abbilden und der Weg ausgehend vom bereits erreichten Stand der ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklung eingeschlagen werden kann. Dies gilt insbesondere für die Unterziele von SDG 1 zur Armutsbekämpfung und sozialen Sicherheit sowie für jene von SDG 10 zur Reduktion von Ungleichheiten. In diesen für das BSV relevanten Bereichen verfügt die Schweiz mit ihren Sozialversicherungen über gut etablierte Institutionen, die eine solide Basis bilden. Ziel ist weder eine Erweiterung noch eine deutliche Erhöhung der sozialen Absicherung, sondern eine Konsolidierung mit der Möglichkeit, gezielte Anpassungen vornehmen zu können, wenn es die gesellschaftliche Entwicklung erfordert. Anpassungen nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit erfolgen nicht im Kern des Systems, sondern vielmehr am Rande und im Sinne der Kontinuität.
  • Föderalismus: Bei der Armutsbekämpfung unterstützt der Bund – abgesehen von den Sozialversicherungen – in erster Linie die Aktivitäten der Kantone und Gemeinden, die für das soziale Engagement und die Prävention in wichtigen Bereichen wie frühe Kindheit, Bildung und Wohnen zuständig sind. Er fördert die fachliche Debatte, die Erarbeitung von Grundlagen sowie den Austausch und unterstützt die Entwicklung von Projekten. Was das internationale Ziel der Armutsreduktion um die Hälfte bis 2030 betrifft (United Nations 2015: SDG 1, Unterziel 1.2), fallen die eigenen Massnahmen des Bundes eher bescheiden aus.
  • Laufende Projekte: Die SNE 2030 (Bundesrat 2021a) und insbesondere der Aktionsplan 2021–2023 (Bundesrat 2021b) wollen weder andere Strategien und Programme verdoppeln noch die bisherigen sektoralpolitischen Entscheide des Bundesrates auflisten. Deshalb gehören wichtige Projekte des BSV nicht zu in diesen Instrumenten obwohl sie zum Schwerpunktthema «Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt» der SNE 2030 beitragen.

Ziel ist weder eine Erweiterung noch eine deutliche Erhöhung der sozialen Absicherung, sondern ihre finanzielle Konsolidierung.

Aktivitäten auf gutem Weg

Auch wenn die laufenden und kürzlich ergriffenen Massnahmen des BSV bei den strategischen Stossrichtungen und Aktivitäten des Bundes im Rahmen der SNE und des Aktionsplans 2030 nicht im Vordergrund stehen, sind sie doch wichtige Beiträge im Hinblick auf die Ziele der Agenda 2030, die der Bundesrat in der SNE 2030 teilweise auf den Schweizer Kontext angepasst hat. Sie werden in die Bestandsaufnahme zur Umsetzung der Agenda 2030 einfliessen, die die Grundlage für den Länderbericht 2022 der Schweiz an das zuständige Gremium der UNO bildet. Sie bewegen sich im Bereich der Sozialversicherungen, der Armutsbekämpfung, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Teilhabe.

Sozialversicherungen

Die laufende Reform der Altersvorsorge (AHV 21: Bundesrat 2019 und BVG 21: Bundesrat 2020), die jüngste EL-Reform (ELG), die Weiterentwicklung der IV (IVG) und die neuen Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG, SR 837.2) haben einen direkten Bezug zu den SDG 1, 8 und 10:

  • SDG 1 «Armut in allen ihren Formen und überall beenden»; insbesondere Unterziel 1.3, gemäss Wortlaut in der SNE 2030: «Die Deckung durch die Sozialversicherungen ist erhalten, diese sind finanziell konsolidiert und an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. Zusammen mit weiteren Bedarfsleistungen der Kantone decken sie soziale Risiken angemessen ab.»
  • SDG 8 «Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.»
  • SDG 10 «Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern.»

Armutsbekämpfung

Die Nationale Plattform gegen Armut 2019–2024 realisiert und publiziert Studien und Praxisleitfäden zu Schwerpunktthemen wie Beteiligung armutsbetroffener Menschen, die Unterstützung gefährdeter Jugendlicher und junger Erwachsener zwischen Schule und Berufsleben sowie die Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener. Sie trägt damit zur Erreichung mehrerer Unterziele von SDG 1, 4 und 10 bei, ebenso wie ab 2022 das nationale Armutsmonitoring.

  • SDG 1 (vgl. oben), insbesondere Unterziel 1.2, angepasst in der SNE 2030: «Der Anteil der Bevölkerung, die unter der nationalen Armutsgrenze lebt, wird reduziert.»
  • SDG 4 «Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern.»
  • SDG 10 (vgl. oben), insbesondere Unterziel 10.2, umformuliert in der SNE 2030: «Die Demokratie wird gestärkt durch die Schaffung von Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten an der gesellschaftlichen Entwicklung und an Entscheidungsprozessen, namentlich für Personen, die vom politischen Entscheidungsprozess ausgeschlossen sind, sowie Kinder und Jugendliche.»

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Das Impulsprogramm zur Schaffung von neuen familienergänzenden Betreuungsplätzen seit 2003 und die neuen Finanzhilfen des Bundes von 2018, das Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung, die Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (EOG, SR 834.1) zur Einführung des Vaterschaftsurlaubs und jene zur Verlängerung der Dauer der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung bei Hospitalisierung, und schliesslich die Erarbeitung einer Botschaft über die Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Bundesbeschluss 2020) sind Schritte in die Richtung von SDG 8 (vgl. oben) und SDG 5:

  • SDG 5 «Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen»; im nationalen Kontext insbesondere Unterziel 5.4 «Erwerbsarbeit und unbezahlte Haus- und Familienarbeit sind ausgewogener auf die Geschlechter verteilt. Frauen und Männer profitieren von den entsprechenden Rahmenbedingungen, welche die Vereinbarkeit von Privat-, Familien- und Erwerbsleben sowie die ausgeglichene Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Haus- und Familienarbeit begünstigen» (SNE 2030).

Teilhabe

Die Inklusion und Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben sind keine neuen Ziele der Sozialpolitik. In Bezug auf SDG 10 Unterziel 10.2 wurde bereits oben auf die zentrale Bedeutung hingewiesen, die die Nationale Plattform gegen Armut der Beteiligung armutsbetroffener Menschen beimisst. Im Rahmen des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes (KJFG; SR 446.1) werden ausserdem Partizipationsprojekte mit Finanzhilfen des Bundes gefördert, namentlich Projekte zur Förderung der politischen Partizipation. Die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung sind alles andere als eine Wunschliste.

Zukunftsorientierte Anstrengungen

Die Umsetzung der Agenda 2030 kann auch in Zukunft als Messlatte für die Nachhaltigkeit der Aktivitäten des BSV und als Orientierungsrahmen für künftige Weiterentwicklungen dienen. Darüber hinaus beteiligt sich das BSV mit anderen Bundesstellen am Monitoring der internationalen Verpflichtungen der Schweiz und anderer Länder im Rahmen der Agenda 2030 und trägt zur Teilnahme der Schweiz an entsprechenden Veranstaltungen bei. Die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung sind gewissermassen ein «operativer Plan» für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Berset Bircher 2021) und somit alles andere als eine Wunschliste.   

Lic. rel. int., stv. Leiterin Bereich Alter, ­Generationen und Gesellschaft, FGG, BSV.
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