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Rente oder Kapital?

Immer mehr Versicherte in der zweiten Säule entscheiden sich dafür, bei der Pensionierung nicht das ganze Altersguthaben als Rente zu beziehen. Unter anderem hat der Beratungsbedarf rund um die Pensionierung zugenommen, wie eine Studie der Pensionskasse Publica zeigt.
Fabio Haufler
  |  01. Juli 2025
    Forschung und Statistik
  • Berufliche Vorsorge
Der Beratungsbedarf vor der Pensionierung hat zugenommen. (Shutterstock)

Auf einen Blick

  • Kapitalbezüge haben auch in der Pensionskasse des Bundes Publica an Bedeutung gewonnen, und es werden noch zwei von drei Franken bei der Pensionierung verrentet.
  • Versicherte mit tieferen Altersguthaben entscheiden sich häufiger für den vollständigen Kapitalbezug als Versicherte mit höheren Altersguthaben.
  • Befragte nennen unterschiedliche Beweggründe für ihren jeweiligen Bezugsentscheid, wobei bei Kapitalbezug mehr als die Hälfte auch steuerliche Überlegungen nennt.

Am Ende des Arbeitslebens stehen versicherte Personen vor einer entscheidenden Frage: Soll das angesparte Altersguthaben vollständig in eine lebenslange Rente umgewandelt werden, als einmalige Kapitalleistung bezogen werden – oder ist eine Kombination beider Varianten sinnvoll?

Die Beantwortung dieser Frage hat sich in den letzten Jahren für viele Personen verändert, und die Rentenoption hat an Zuspruch verloren. Der zunehmende Kapitalbezug bei der Pensionierung beschäftigt Pensionskassen, Medien und Politik gleichermassen.

Der Trend zur Kapitaloption hat sich insbesondere in den letzten Jahren weiter verstärkt. Gemäss der Pensionskassenstatistik des Bundesamts für Statistik (BFS) hat sich das Volumen der Kapitalbezüge in der Schweiz zwischen 2013 und 2023 mehr als verdoppelt: Es stieg von rund 6 Milliarden Franken auf 13 Milliarden Franken. Laut der Neurentenstatistik des BFS bezogen im Jahr 2023 rund 60 Prozent der Versicherten zum Zeitpunkt der Pensionierung eine Kapitalleistung.

Auch die Pensionskasse des Bundes Publica spürt diese Entwicklung: Das Volumen der Kapitalbezüge hat sich zwischen 2013 und 2023 vervierfacht. In einer Studie haben wir deshalb die Hintergründe des Bezugsverhaltens analysiert (Publica 2024). Dabei wurden einerseits die rund 13 000 Pensionierungen bei Publica im Zeitraum von 2013 bis 2023 analysiert, und andererseits wurde eine ergänzende Umfrage mit 1400 Teilnehmenden unter den Pensionierten durchgeführt.

Entwicklung des Pensionierungsverhaltens

Die Studie zeigt: Der Anteil der Versicherten der Publica, die ausschliesslich eine Rente beziehen, ist rückläufig. Während 2013 noch 67 Prozent der pensionierten Personen diese Variante wählten, waren es 2023 nur noch 43 Prozent. Entsprechend gestiegen ist der Anteil der Personen, die sich für eine Kombination aus Rente und Kapital oder für einen vollständigen Kapitalbezug entschieden haben (siehe Grafik 1). Auch wenn der Kapitalbezug an Bedeutung gewonnen hat, beziehen nach wie vor rund 80 Prozent der Neurentnerinnen und -rentner der Publica eine Rente, sei es ausschliesslich oder in Kombination mit einem Teilkapitalbezug.

Die Entwicklung zeigt sich nicht nur in der Bezugsart, sondern auch im Volumen der Kapitalbezüge: Der Anteil des Altersguthabens, der bei der Pensionierung in Kapitalform bezogen wird, ist zwischen 2013 und 2023 von 12 Prozent auf 33 Prozent gestiegen. Dieser Trend wurde unter anderem durch die Senkungen des Umwandlungssatzes in den Jahren 2015 und 2019 sowie durch Vereinfachungen im Bezugsprozess im Jahr 2021 beschleunigt.

Im Jahr 2023 bedeutete dies konkret: Von 3 Franken Altersguthaben, die bei der Publica neu verrentet wurden, wurden 2 Franken in eine Rente umgewandelt und 1 Franken als Kapitalleistung ausbezahlt.

Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die durchschnittlichen Neurenten. Obwohl die Altersguthaben bei der Pensionierung insgesamt gestiegen sind und der Umwandlungssatz seit 2019 konstant geblieben ist, sind die durchschnittlichen Neurenten leicht rückläufig – bedingt durch den höheren Kapitalanteil, der nicht verrentet wird.

Wer bezieht tendenziell eher Kapital?

Die deutlichsten Unterschiede im Bezugsverhalten zeigen sich in Abhängigkeit vom verfügbaren Altersguthaben. Versicherte mit tieferem Altersguthaben entscheiden sich überdurchschnittlich häufig für einen vollständigen Kapitalbezug. Mit zunehmendem Altersguthaben gewinnt hingegen die Kombination aus Rente und Kapital an Bedeutung (siehe Grafik 2). Zudem beobachtet man die Zunahme der Bezugsoptionen Kapital und Kombination beim Vergleich der Zeiträume 2013 bis 2015 und 2021 bis 2023 (Publica 2024: 13).

Bei den 20 Prozent der tiefsten Altersguthaben liegt die Kapitalbezugsquote – gemessen am Verhältnis zum Altersguthaben – 18 Prozentpunkte höher als in den anderen Vermögensgruppen, wie eine Regressionsanalyse zeigt. Männer beziehen dabei einen grösseren Anteil ihres Guthabens als Kapital (+7 Prozentpunkte) als Frauen. Zwischen verheirateten und unverheirateten Personen lässt sich hingegen kein signifikanter Unterschied im Kapitalbezug feststellen.

Die Ergebnisse geben Hinweise auf typische Bezugsmuster, erlauben jedoch keine direkten Rückschlüsse auf die individuellen Beweggründe für die jeweilige Bezugswahl bei der Pensionierung.

Motivationen für die Wahl der Bezugsart

Die Umfrage bei den Pensionierten der Publica hat gezeigt, dass die Zufriedenheit mit der gewählten Bezugsart in allen Gruppen hoch ist – unabhängig davon, ob ausschliesslich eine Rente, eine Kombination aus Rente und Kapital oder nur Kapital bezogen wurde. Über 90 Prozent der Befragten würden sich heute wieder gleich entscheiden.

Diejenigen, die ausschliesslich die Rente gewählt haben, nennen in den offenen Fragen als Beweggründe häufig Sicherheit, ein regelmässiges Einkommen sowie ein fehlendes Interesse an Geldanlagen. Die Kombination aus Rente und Kapital wird häufig gewählt, um steuerliche Vorteile zu nutzen, ein stabiles Einkommen mit mehr Flexibilität zu verbinden oder Hypotheken teilweise zurückzuzahlen. Der alleinige Kapitalbezug geht hingegen vermehrt mit dem Wunsch nach eigenständiger Geldanlage, dem Einkalkulieren eines frühen Todesfalls und dem als ungünstig wahrgenommenen Umwandlungssatz einher.

In allen drei Varianten spielen familiäre Aspekte eine Rolle: Während beim Rentenbezug die Absicherung mit Hinterbliebenenleistungen im Vordergrund steht, ist beim Kapitalbezug der Erhalt des Vermögens für Partner oder Kinder ein häufig genannter Faktor.

Bei den geschlossenen Fragen zu den Beweggründen für einen Kapitalbezug dominiert das Thema Steuern (56%) deutlich. Dahinter folgen die eigene Anlagestrategie (32%), der Finanzbedarf nach der Pensionierung (30%), der Umwandlungssatz (29%), der Zivilstand (20%) sowie Erbschaftsüberlegungen (18%).

Bei der Entscheidungsfindung gewinnt die Beratung an Bedeutung. Der Anteil der befragten Personen, die sich extern beraten liessen, hat sich von 30 Prozent auf 60 Prozent verdoppelt. Besonders Personen mit Kapitalbezug nahmen deutlich häufiger Beratungen in Anspruch als Personen mit einem reinen Rentenbezug.

Während Informationsquellen wie Vorsorgeexperten, Banken und Pensionskassen vor allem mit dem Kapitalbezug oder der Kombination korrelieren, werden die Informationsquellen Arbeitgeber, Freunde, Familie und Arbeitskollegen häufiger im Zusammenhang mit der Wahl einer reinen Rente genannt. Zudem zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen Risikobereitschaft beim Investieren, der Bedeutung von Erbschaften und einem erhöhten Kapitalbezug.

Was passiert mit dem bezogenen Kapital?

Rund 70 Prozent der Befragten geben an, das bezogene Alterskapital eigenständig zu verwalten. Ein grosser Teil des Kapitals wurde bislang nicht konsumiert, sondern investiert oder gespart. Am häufigsten wird das Kapital auf Bank- oder Sparkonten deponiert, dicht gefolgt von Investitionen in Anlagefonds.

Die erwartete Rendite auf das bezogene Kapital variiert deutlich: Ein Drittel der befragten Personen geht von einer Rendite zwischen 0 Prozent und 2 Prozent aus, ein weiteres knappes Drittel erwartet 2 Prozent bis 4 Prozent. 17 Prozent rechnen mit einer Rendite von über 4 Prozent, während 18 Prozent keine Angabe zur erwarteten Rendite machen konnten (siehe Grafik 3). Personen, die das vollständige Alterskapital bezogen haben, erwarten im Schnitt höhere Renditen als Personen, die Kapital in Kombination mit einer Rente bezogen.

Steigender Beratungsbedarf

Zusammenfassend zeigt sich: Die Kapitalbezugsquote nimmt zu – ein Trend, der nur teilweise durch das Angebot der Pensionskassen mit entsprechenden Vorsorgeangeboten beeinflusst werden kann. Viele Beweggründe für einen Kapitalbezug liegen jedoch ausserhalb des direkten Einflussbereichs von Pensionskassen.

Parallel dazu ist der Bedarf an Beratung rund um die Pensionierung gestiegen. Künftig wird eine neutrale, transparente und verständliche Informationspolitik durch die Pensionskassen an Bedeutung gewinnen, um den versicherten Personen fundierte Entscheidungsgrundlagen zu bieten.

Eine besondere Herausforderung besteht darin, technische Parameter wie den Umwandlungssatz oder den impliziten Zinssatz verständlich zu vermitteln. Auch steuerliche Auswirkungen über lange Zeiträume sowie Risikoüberlegungen in Bezug auf Lebenserwartung und Finanzmarktentwicklung sind schwer greifbar.

Die langfristigen gesellschaftlichen Konsequenzen der zunehmenden Kapitalbezüge wird man vermutlich erst in Zukunft abschliessend beurteilen können.

Literaturverzeichnis

Publica (2024). Rente oder Kapital? Studie über die Entwicklung, Determinanten und Hintergründe der Pensionierungsentscheidungen bei Publica.

Dr. sc. ETH, Experte Data Science, Publica
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