Auf einen Blick
- Der Bundesrat hat einen Bericht über die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreformen auf die AHV-Beiträge veröffentlicht.
- Die Auswirkungen auf die sozialabgabepflichtigen Einkommen lassen sich nicht eindeutig beziffern.
- Dennoch braucht es Massnahmen, um die Missbrauchsbekämpfung zu erleichtern.
Aufgrund ihres Doppelstatus können Unternehmer, die Aktien im eigenen Unternehmen besitzen, sich nicht nur einen Lohn, sondern auch Dividenden auszahlen. Betroffen sind vor allem Beteiligte an kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Sie können sich so ihren Lohn zugunsten von Dividendenausschüttungen kürzen. Diese Praxis wirkt sich negativ auf die Finanzierung der Sozialversicherungen aus, da weniger Beiträge anfallen.
Welche Verluste entstehen durch diese Praxis für das Beitragssubstrat der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)? Und welche Korrekturmöglichkeiten können angewendet werden, die über die bisher von den Ausgleichskassen praktizierte «einzelfallgerechte Missbrauchsbekämpfung» hinausgehen? Diese Fragen hat der Bundesrat im Oktober 2025 in einem Bericht beantwortet (Bundesrat 2025). Anlass war ein Postulat der Ständerätin Eva Herzog (SP/BS).
Das Inkrafttreten des Unternehmenssteuerreformgesetzes II (USR II) im Jahr 2009 brachte eine Neuerung für Unternehmer, die eine Mindestbeteiligung von 10 Prozent der Anteile ihrer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder der Aktien ihrer Aktiengesellschaft (AG) halten. Seitdem gilt für diese Unternehmer in allen Kantonen eine privilegierte Besteuerung von Gewinnen, insbesondere von Dividendenausschüttungen.
Die Auswirkungen der Reform wurden mit dem Anfang 2020 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) teilweise abgeschwächt, indem kantonale Mindeststeuersätze eingeführt und der steuerbare Betrag auf Bundesebene leicht angehoben wurde. Trotzdem ermöglicht die privilegierte Besteuerung derzeit noch eine Ermässigung von bis zu 30 Prozent auf Bundesebene und bis zu 50 Prozent auf Kantonsebene.
Diese Steuerreformen haben die Anreize zugunsten von Dividenden verändert: Früher ging es den Unternehmern darum, durch möglichst hohe Löhne eine wirtschaftliche Doppelbelastung auf den Gewinnausschüttungen zu vermeiden – einerseits durch die Einkommenssteuer der Beteiligten und andererseits durch die Gewinnsteuer des Unternehmens. Mit den Reformen hat heute die Gewinnausschüttung anstelle eines Lohns an Attraktivität gewonnen, zumal Gewinnausschüttungen auch nicht sozialversicherungspflichtig sind.
Finanzielle Auswirkungen für die AHV
Im Vorfeld der Volksabstimmung zur USR II im Jahr 2008 schätzte der Bundesrat die kurzfristigen Mindereinnahmen für die AHV auf 86 bis 130 Millionen Franken. Das Referendumskomitee ging von mindestens 150 Millionen Franken aus. Zahlreiche Parlamentarier forderten den Bundesrat nach Inkrafttreten der USR II mehrfach auf, Zahlen zu den Auswirkungen der Unternehmenssteuerreformen auf das AHV-Beitragssubstrat vorzulegen. Der Bundesrat wies indes mehrmals darauf hin, dass dazu einerseits die verwertbaren Daten fehlten und andererseits eine Annahme unterstellt werden müsste, wie sich die Unternehmeraktionäre ohne Steuerreform verhalten hätten (siehe insbesondere die Interpellationen der SP-Fraktion sowie der FDP-Liberale-Fraktion).
Aufgrund des Postulats Herzog hat der Bundesrat nun trotz der schwachen Datenlage eine Analyse gemacht. Da die Höhe der ausgeschütteten Dividenden nicht bekannt ist, kann das Ausmass überhöhter Dividendenzahlungen nach wie vor nicht geschätzt werden. Es zeigt sich aber, dass immer mehr Kapitalgesellschaften gegründet werden, während die Einzelunternehmen stagnieren. Nur in Kapitalgesellschaften besteht die Möglichkeit, gleichzeitig Anteilseigner und Arbeitnehmer zu sein. Entsprechend besteht nur in Kapitalgesellschaften die Möglichkeit, Dividenden anstelle von Lohn zu bezahlen. Der Bundesrat schätzt die Mindereinnahmen für die AHV, die auf die gestiegene Zahl von Kapitalgesellschaften zurückzuführen sind, für das Jahr 2018 auf bis zu 182 Millionen Franken. Weil es für die Wahl der Rechtsform der Kapitalgesellschaft viele verschiedene Gründe gibt (Haftung, Nachfolge, soziale Absicherung usw.), ist es aber nicht möglich, abzuschätzen, welchen Anteil die Steuerreformen an dieser Entwicklung haben.
Echtes Problem oder reine Theorie?
Da die mit den Steuerreformen verbundenen Beitragseinbussen nicht isoliert gemessen werden können, stellt sich die Frage, ob missbräuchliche Dividenden gezahlt werden, und falls ja, ob es Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung braucht. Ist das Problem also real oder bloss Theorie?
Ob die Auswirkungen der Steuerreformen von den anderen Gründen für rückläufige AHV-Beiträge getrennt betrachtet werden können oder nicht, spielt letztlich keine Rolle. Die Feststellungen der Ausgleichskassen in der täglichen Arbeit sowie die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichts lassen keinen Zweifel daran, dass es Missbrauchsfälle gibt, die die Ausgleichskassen und Gerichte regelmässig beschäftigen.
Leider ist die derzeitige Praxis der Missbrauchsbekämpfung lückenhaft, da die Bedingungen, die gemäss Bundesgericht erfüllt sein müssen, zu restriktiv sind. Um überhöhte Dividenden als Lohn zu betrachten, muss insbesondere nachgewiesen werden, dass der den betroffenen Unternehmeraktionären gezahlte Lohn im Vergleich mit den in der entsprechenden Branche üblichen Löhnen unangemessen tief ist. Diesen Nachweis zu erbringen, ist jedoch kein leichtes Unterfangen, da die Kriterien für die Ermittlung eines üblichen Lohns subjektiv sind. Auch wenn zweifellos überhöhte Dividenden ausgeschüttet wurden, sind der Ausgleichskasse die Hände gebunden, solange die Löhne branchenüblich sind.
Bekämpfungsmassnahme mit klaren Kriterien
Für den Bundesrat steht fest: Missbräuche müssen bekämpft werden. Zu diesem Zweck werden im Bericht zwei mögliche Massnahmen geprüft. Die erste besteht darin, alle Allein- oder Mehrheitseignerinnen und ‑eigner als Selbstständigerwerbende zu betrachten. Diese Idee ist nicht abwegig und könnte sich bewähren. Allerdings bestehen zahlreiche Hürden.
So müsste insbesondere das Steuerrecht entsprechend dem Sozialversicherungsrecht angepasst werden. Sonst würde der Status im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht unterschiedlich gehandhabt, was zu zahlreichen Anwendungsproblemen führen würde. Ausserdem wären alle Mehrheitsaktionäre von dieser Massnahme betroffen, also auch diejenigen, die sich selbst keine überhöhten Dividenden ausschütten. Das würde über das gewünschte Ziel, künstlich den Sozialversicherungen entzogene Vergütungen der Sozialversicherungspflicht zu unterstellen, hinausschiessen.
Die zweite vom Bundesrat vorgeschlagene Massnahme entspricht jener, die auch im Postulat erwähnt wird. Sie besteht darin, einen Teil der offensichtlich überhöhten Dividenden, die an Arbeitnehmende einer Kapitalgesellschaft gezahlt werden, die gleichzeitig Beteiligungsrechte am Unternehmen besitzen, als massgebenden Lohn zu betrachten, ohne dass nachgewiesen werden muss, dass ein unangemessen tiefer Lohn gezahlt wurde. Die Massnahme würde von zwei Kriterien flankiert, wobei die genauen Grenzwerte noch festgelegt werden müssten. Das erste Kriterium würde sich auf den Mindestanteil an Beteiligungsrechten beziehen, den die Person halten müsste. Dadurch könnten gezielt nur die von der Problematik betroffenen Unternehmeraktionäre erfasst werden. Beim zweiten Kriterium ginge es um die Renditegrenze, ab der eine Dividende als überhöht zu betrachten ist.
Für den Bundesrat ist die zweite Massnahme grundsätzlich denkbar. Sie würde die bestehenden Hindernisse beseitigen und gleichzeitig klare Kriterien festlegen, wodurch die Rechtssicherheit für Unternehmen erhöht würde. Der Bundesrat will diese Massnahme deshalb im Rahmen der nächsten AHV-Reform eingehender prüfen.
Literaturverzeichnis
Bundesrat (2025). Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates Herzog, 15. Oktober.