Seit dem Inkrafttreten der Weiterentwicklung der IV (WEIV) am 1.1. 2022 umfasst das Bundesgesetz über die Unfallversicherung einen vierten Versicherungszweig: die Unfallversicherung für versicherte Personen in Massnahmen der Invalidenversicherung (IV), kurz UV IV.
Auf einen Blick
- Für versicherte Personen in Massnahmen der IV, die in einem «arbeitsvertragsähnlichen Verhältnis» stehen, besteht neu eine Deckung der Unfallversicherung, die UV IV.
- Die Suva und die IV-Stellen arbeiten eng zusammen, sowohl bei der Unfallmeldung als auch bei der Wiederaufnahme der Massnahme.
- Auch bei einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit begleitet die IV-Stelle im Rahmen der Fallführung die versicherte Person weiter, während die Suva für alle unfallbezogenen Arbeitsschritte verantwortlich ist.
- Der neue Versicherungszweig schafft Rechtssicherheit für die versicherten Personen und die Anbieter von beruflichen Massnahmen. Gleichzeitig wird damit die Integrationsbereitschaft von Arbeitgebern gefördert.
Für versicherte Personen, die im Rahmen von Massnahmen der IV arbeiten und dadurch ein «arbeitsvertragsähnliches Verhältnis» eingehen, wurde mit der Weiterentwicklung der IV (WEIV) ein spezieller Unfallversicherungsschutz eingeführt, die UV IV. Hintergrund dieser Anpassung waren zwei Anliegen: Einerseits soll Rechtssicherheit geschaffen werden. Dies insbesondere für die versicherten Personen in der beruflichen Eingliederung und die Anbieter solcher Massnahmen. Andererseits soll damit die Eingliederung beziehungsweise die Bereitschaft der Arbeitgeber, sich für die Integration von versicherten Personen in den Arbeitsmarkt einzusetzen, gefördert werden.
Die gesetzlichen Grundlagen der UV IV sind im Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IV, SR 831.20, vgl. Art. 11) und im Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UV, SR 832.20, vgl. Art. 1a Abs. 1 Bst. c) sowie in den dazugehörenden Verordnungen zu finden. Der darin definierte Versichertenkreis besteht aus Personen, die in einer Anstalt oder Werkstätte nach Art. 27 Abs. 1 IVG oder in einem Betrieb an Massnahmen der Invalidenversicherung teilnehmen, sofern sie in einem arbeitsvertragsähnlichen Verhältnis stehen.
Doch was ist unter einem «arbeitsvertragsähnlichen Verhältnis» zu verstehen? Dieser Begriff wurde von der Rechtsprechung entwickelt: Wenn eine Person, um des Erwerbes oder der Ausbildung willen für einen Arbeitgeber, mehr oder weniger untergeordnet, dauernd oder vorübergehend tätig ist, ohne ein eigenes wirtschaftliches Risiko zu tragen (vgl. 115 V 55 – Schweizerisches Bundesgericht (bger.ch), besteht demnach ein arbeitsvertragsähnliches Verhältnis.
Unfallversicherungsdeckung im Rahmen von beruflichen Eingliederungsmassnahmen
Bei der Anwendung der Voraussetzung «arbeitsvertragsähnliches Verhältnis» zeigt sich in der Praxis, dass die Mehrzahl der durchgeführten Massnahmen der IV ohne Arbeits-, Lehr- oder Ausbildungsvertrag die definierten Kriterien erfüllen. Folglich besteht für versicherte Personen in den entsprechenden Massnahmen eine Unfallversicherungsdeckung über die UV IV bei der Suva.
Ausgenommen von der UV-IV-Deckung sind Massnahmen mit Arbeits-, Lehr- oder Ausbildungsvertrag sowie Massnahmen, die kein arbeitsvertragsähnliches Verhältnis begründen. Versicherte Personen in solchen Massnahmen sind wie bisher über den Arbeitgeber bzw. dessen Unfallversicherer gegen Unfall versichert. In Einzelfällen kann es zudem vorkommen, dass die Massnahme kein arbeitsvertragsähnliches Verhältnis begründet. Entsprechend muss die versicherte Person die Unfalldeckung beim Krankenversicherer einschliessen.
Die zuständige IV-Stelle prüft bei der Zusprache einer Massnahme einzeln, ob eine UV-IV-Deckung besteht, und informiert die versicherte Person schriftlich über die Deckung bei Unfall. Bei der Vorprüfung der UV-IV-Deckung stützt sich die IV-Stelle auf eine Deckungskaskade ab. Die Suva folgt der Einschätzung der IV-Stelle. Diese Deckungskaskade wurde gemeinsam von der Suva und dem BSV erarbeitet und ist im «Handbuch UV IV» in Kapitel 2 hinterlegt.
Zusammenarbeit zwischen Suva und IV-Stellen
Doch was geschieht nun im konkreten Fall, wenn eine versicherte Person während einer Massnahme mit UV-IV-Deckung einen Unfall erleidet? Für eine effiziente Abwicklung des Falles und die rechtzeitige Auszahlung der Versicherungsleistungen ist es zentral, dass die versicherte Person die IV-Stelle sobald als möglich über das Unfallereignis informiert. Die IV-Stelle übermittelt ihrerseits der Suva umgehend die Unfallmeldung mit allen relevanten Informationen. Weiter informiert die IV-Stelle auch alle beteiligten Akteure über den Unfall, unter anderem den Anbieter der Massnahme wie auch die zuständige Ausgleichskasse. Die Suva prüft den Leistungsanspruch und informiert im Anschluss die versicherte Person sowie die IV-Stelle.
Grundsätzlich hat eine verunfallte Person im Rahmen der UV IV Anspruch auf die regulären UV-Leistungen. Diese umfassen unter anderem Taggelder, Renten, Integritätsentschädigung und Heilbehandlung. Bei der Berechnung des Taggeldes der UV sowie bei der Festlegung des versicherten Verdienstes sind die verschiedenen Eingliederungskonstellationen zu berücksichtigen. So berechnet sich bespielsweise die Höhe des Taggeldes der UV anders, wenn die versicherte Person im Rahmen der Massnahme eine IV-Rente, ein Taggeld der IV oder kein Taggeld der IV bezieht.
Auch bei einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit der verunfallten Person begleitet die IV-Stelle im Rahmen der Fallführung die versicherte Person weiter, während die Suva für alle unfallbezogenen Arbeitsschritte verantwortlich ist. Damit nach einem Unfall die Eingliederung der IV wiederaufgenommen werden kann, ist der gegenseitige Austausch und die Koordination unabdingbar. Hierbei steht das Wohl der versicherten Person und deren berufliche Eingliederung im Zentrum.