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Aufsicht über die AHV-Ausgleichskassen: Verwurzelt im Föderalismus

Die AHV blickt auf eine fast 80-jährige Geschichte zurück – diese ist geprägt von föderalistischer Struktur und klarer Aufgabenteilung. Trotz komplexer Organisation funktioniert das System gut.
Lena Erni
  |  23. Juni 2025
    Recht und Politik
  • Alters- & Hinterlassenenversicherung
Leistungen und Beiträge in der AHV werden über die Ausgleichskassen abgewickelt. Ausgleichskasse Schwyz. (Keystone)

Auf einen Blick

  • Die AHV wird dezentral durch Ausgleichskassen von Verbänden und Kantonen, zwei Ausgleichskassen des Bundes und einer zentralen Ausgleichsstelle durchgeführt.
  • Die Aufsicht über die Ausgleichskassen ist dreigeteilt in fachliche, administrative und finanzielle Kontrolle, wobei das BSV für die einheitliche Gesetzesanwendung sorgt.
  • Ein Bericht des Bundesrats kommt zum Schluss, dass die Aufsicht auch über die Bundesausgleichskassen adäquat gewährleistet ist.

Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) feiert bald ihr 80-jähriges Bestehen. Als organisatorisches und finanzielles Modell diente ihr die während des Zweiten Weltkriegs eingeführte Lohn- und Verdienstersatzordnung (die später zur Erwerbsersatzordnung wurde).

In der Lohn- und Verdienstersatzordnung wurden Einzahlungen und Auszahlungen über Ausgleichskassen der Arbeitgeber durchgeführt, die später durch öffentliche Kassen von Bund und Kantonen ergänzt wurden. Diese Ausgleichskassen zogen die Lohnbeiträge zur Finanzierung der Sozialversicherung ein und zahlten die Taggelder an die Berechtigten aus. Eine zentrale Ausgleichsstelle glich die Differenzen zwischen Beiträgen und Leistungen der einzelnen Kassen über einen Ausgleichsfonds aus.

Diese föderalistische und dezentrale Struktur wurde 1948 für die AHV übernommen. Sie wurde als nationale Institution konzipiert, wird aber dezentral verwaltet – ein Grundprinzip, das bis heute Bestand hat.

Ausgleichskassen sind für Durchführung zuständig

Die Durchführung der AHV erfolgt hauptsächlich durch die AHV-Ausgleichskassen. Neben den kantonalen und Verbandsausgleichskassen gibt es zwei Ausgleichskassen des Bundes: die Eidgenössische Ausgleichskasse (EAK) für das Personal des Bundes und bundesnaher Betriebe sowie die Schweizerische Ausgleichskasse (SAK) für Versicherte im Ausland. Diese Kassen verwalten allerdings kein Vermögen der AHV oder anderer Sozialversicherungen, sondern fungieren als Durchlaufstellen für Beiträge und Leistungen.

Nimmt eine Ausgleichskasse mehr Beiträge ein, als sie Leistungen an Versicherte bezahlt, überweist sie diese Überschüsse an den Ausgleichsfonds (Reservefonds). Umgekehrt erhält sie von diesem die notwendigen Mittel für die Leistungsauszahlung, wenn sie dafür nicht genügend Beiträge einnimmt. Die Abrechnung und die Kontrolle dieser Finanzflüsse übernimmt die Zentrale Ausgleichsstelle.

Verwaltungskosten werden separat erhoben

Im Gegensatz zu zentral organisierten Versicherungen wie der Unfall- oder der Krankenversicherung, bei denen auch Verwaltungskosten aus den Prämieneinnahmen gedeckt werden, dürfen die AHV-Ausgleichskassen die Beitragseinnahmen ausschliesslich zur Finanzierung der versicherten Leistungen verwenden.

Die Verwaltungskosten müssen separat finanziert werden. Die kantonalen Ausgleichskassen und die Verbandsausgleichskassen agieren dabei weitgehend autonom. Als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalten erheben sie für die Deckung der Verwaltungskosten spezifische Beiträge bei den angeschlossenen Arbeitgebern und Versicherten. Auch ihre interne Organisation legen sie selbstständig fest. Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) gibt dazu nur den grundlegenden Rahmen vor.

Anders organisiert sind die beiden Ausgleichskassen des Bundes, die EAK und die SAK. Sie sind Teil der zentralen Bundesverwaltung. Gemeinsam mit der Zentralen Ausgleichsstelle und der IV-Stelle für Versicherte im Ausland bilden sie die Verwaltungseinheit ZAS innerhalb der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV). Die EAK erhebt Verwaltungskostenbeiträge, die von den angeschlossenen Arbeitgebern getragen werden, von denen der Bund der grösste ist. Die SAK und die Zentrale Ausgleichsstelle hingegen werden hauptsächlich direkt aus der AHV finanziert, da sie mit Ausnahme der freiwilligen Versicherung keine Beiträge erheben und dadurch keine eigene Finanzierungsbasis haben, jedoch zentrale Aufgaben für die AHV durchführen.

Fachliche Aufsicht bei BSV

Die dezentrale Struktur der AHV und die unterschiedliche Organisation ihrer Durchführungsstellen bedingen eine differenzierte Aufsicht über Letztere. Grundsätzlich wird zwischen fachlicher, administrativer und finanzieller Aufsicht unterschieden:

Die fachliche Aufsicht liegt beim Bundesrat und wird vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) wahrgenommen. Das BSV sorgt für die einheitliche Anwendung des AHVG und kann allgemeine Weisungen wie zum Beispiel Wegleitungen oder Kreisschreiben erlassen sowie Anweisungen im Einzelfall erteilen.

Wenn Mängel festgestellt werden, kann das BSV beispielsweise die Zuschüsse aus der AHV einstellen oder – bei schweren Pflichtverletzungen – die Kassenleitungen absetzen oder Verbandskassen auflösen.

Das BSV greift für seine Aufsicht auf Revisionsstellen zurück, welche neben der Buchführung auch die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen prüfen. Die Prüfberichte der Revisionsstellen dienen dem BSV als Basis für aufsichtsrechtliche Massnahmen.

Aufsicht über Administration und Finanzen

Die administrative und finanzielle Aufsicht fällt hingegen nicht in den Zuständigkeitsbereich des BSV. Bei den kantonalen und Verbandsausgleichskassen liegt sie bei den jeweiligen Vorständen beziehungsweise Verwaltungskommissionen. Als selbstständige Anstalten unterstehen sie nicht der Weisungshoheit von Kantonen oder von Arbeitgeberverbänden. Das BSV greift nur ein, wenn die finanzielle Stabilität gefährdet ist. Kassenvorstände und Verwaltungskommissionen können wiederum keine materiellen Entscheide treffen; dies ist vielmehr der Kassenleitung vorbehalten, deren Entscheide vor Gericht angefochten werden können.

Eine Ausnahme bilden erneut die EAK und die SAK: Als Teil der zentralen Bundesverwaltung unterstehen sie bezüglich der administrativen und finanziellen Aufsicht der hierarchisch übergeordneten Stelle (der sogenannten Dienstaufsicht). Dies ist zunächst die Direktion der Verwaltungseinheit ZAS, dann die EFV, das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) und schliesslich der Bundesrat. Die Oberaufsicht über die zentrale Bundesverwaltung übt das Parlament aus.

Besonderheit der Verwaltungseinheit ZAS

Diese Konstellation führt nun zu einer besonderen Situation in der AHV: Die EAK und die SAK gehören zur zentralen Bundesverwaltung und darin zur EFV, werden aber gleichzeitig von einer anderen Bundesstelle, dem BSV, fachlich beaufsichtigt. Die administrative und finanzielle Aufsicht der Verwaltungseinheit ZAS mit ihren knapp 800 Vollzeitäquivalenten und spezifischen Aufgaben stellt die EFV dabei vor ressourcentechnische Herausforderungen.

Eine weitere Besonderheit ist, dass die EAK direkt dem Arbeitgeber Bund unterstellt ist, dessen Personal wiederum bei der EAK angeschlossen ist. Zudem entrichtet der Bund Verwaltungskostenbeiträge an die EAK. Die Zentrale Ausgleichsstelle, die EAK und die SAK sind dabei alle unter dem gleichen Dach angesiedelt – bei der Verwaltungseinheit ZAS. Mit anderen Worten: Die Zentrale Ausgleichsstelle, welche die Kontrolle der Finanzflüsse der AHV übernimmt, gehört zur gleichen Verwaltungseinheit wie die zu kontrollierenden Ausgleichskassen EAK und SAK.

Ist die Aufsicht über EAK und SAK noch zeitgemäss?

Kann angesichts dieser speziellen Konstellation zwischen den Durchführungsorganen der AHV und den Aufsichtsbehörden der beiden Ausgleichskassen des Bundes eine adäquate Aufsicht gewährleistet werden? In einem im Juni 2025 veröffentlichten Bericht zu den Durchführungs- und Aufsichtsfunktionen der Verwaltungseinheit ZAS innerhalb der Bundesverwaltung hat der Bundesrat diese Frage mit Ja beantwortet.

Die klare Trennung von fachlicher, administrativer und finanzieller Aufsicht führt auch innerhalb der Bundesverwaltung zu einer Aufsicht, die vergleichbar ist mit jener über die kantonalen und Verbandsausgleichskassen: Das BSV nimmt seine fachliche Aufsicht über alle Ausgleichskassen gleichermassen wahr, unabhängig von ihrer Organisationsform oder Finanzierung. Es hat dafür überall die gleichen Aufsichtsmittel und -befugnisse, welche das AHVG festlegt. Die Aufsicht darüber, dass eine Ausgleichskasse so organisiert und finanziert ist, dass sie ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen kann, liegt nicht beim BSV, sondern bei den jeweiligen Aufsichtsorganen, seien es Kassenvorstände, Verwaltungskommissionen oder die EFV.

Der Bundesrat kommt deshalb in seinem Bericht zum Schluss, dass das dezentrale und historisch gewachsene System der AHV gut funktioniert, und sieht aktuell keinen Bedarf an tiefgreifenden Änderungen zur Verbesserung der Aufsicht oder der Organisation der Verwaltungseinheit ZAS.

Juristin, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
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