Der Bund kann privaten Trägerschaften sowie Kantonen und Gemeinden für die ausserschulische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verschiedene Formen der Finanzhilfe gewähren. Die Grundlage dafür bildet das Bundesgesetz über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendförderungsgesetz, KJFG), das 2011 beschlossen und 2013 in Kraft gesetzt wurde. 1 Auch den Informations- und Erfahrungsaustausch sowie die Kompetenzentwicklung im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik kann der Bund auf dieses Gesetz abstellen: U. a. ermächtigt ihn Art. 26 KJFG, die Kantone noch bis 2022 beim Aufbau und der Weiterentwicklung ihrer Kinder- und Jugendpolitik zu unterstützen. Konzeptionell wird dabei die Kinder- und Jugendpolitik im weiteren Sinn von der Kinder- und Jugendpolitik im engeren Sinn unterschieden. Bei der Kinder- und Jugendpolitik im weiteren Sinn handelt es sich um eine eigentliche Querschnittsaufgabe, die das Ziel hat, die Perspektiven, Anliegen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in die für sie relevanten Politikfelder wie Familien-, Sozial-, Bildungs-, Integrations-, Arbeitsmarkt-, Raumplanungs- und Gesundheitspolitik einzubringen. Dabei ist die politische Partizipation der Kinder- und Jugendlichen sicherzustellen. Die Kinder- und Jugendpolitik im engeren Sinne ist weitestgehend mit der sogenannten Kinder- und Jugendhilfe gleichzusetzen, die Kinder, Jugendliche und ihre Familie nicht nur fördert, sondern auch berät, unterstützt und schützt (Bundesrat 2012, S. 8f., S. 23).
Der Bundesrat hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) für 2017 mit einer Zwischenbilanz der Finanzhilfen nach Art. 26 KJFG beauftragt, die durch das Büro Vatter, Politikforschung & -beratung erarbeitet wurde (Bolliger/Sager 2017).
Zielsetzung und Untersuchungsansatz Alle per 2017 bereits mit Finanzhilfen des Bundes unterstützten sowie die weiteren bereits geplanten kantonalen Programme wurden ausgehend von der jährlichen Berichterstattung der Kantone an das BSV inhaltlich systematisch analysiert. Der hierzu verwendete Analyseraster orientiert sich am Grundleistungskatalog der Kinder- und Jugendhilfe, den der Bundesrat 2012 definiert hat (vgl. Tabelle T1). Für die Untersuchung wurde der Raster mit weiteren Kategorien der Kinder- und Jugendpolitik (Mitwirkung von Kindern, Kinderrechte) ergänzt.
Die Analyse wurde durch eine schriftliche Befragung jener Kantone ergänzt, die bis zum 30. Juni 2017 noch kein Gesuch für Finanzhilfen eingereicht hatten. Hiermit wurde erhoben, ob diese Kantone noch ein Gesuch für Finanzhilfen planen oder aus welchen Gründen sie darauf verzichten.
Stand der Umsetzung Zwischen 2014 und Juni 2017 haben zwölf Kantone Finanzhilfen nach Art. 26 KJFG beansprucht (vgl. Tabelle T2). Für die Perioden 2018–2020 bzw. 2019–2020 haben fünf weitere Kantone ihr Interesse angemeldet und fünf andere gaben in der schriftlichen Befragung an, die Einreichung eines Finanzierungsgesuchs zu prüfen oder ein solches zumindest nicht auszuschliessen. Appenzell Ausserrhoden und Basel-Stadt zeigten kein Interesse daran, der Kanton Glarus brach sein Programm nach einem Jahr ab, der Kanton Zug zog ein bereits eingereichtes Gesuch zurück.
Plattform Kinder- und Jugendpolitik Schweiz (www.kinderjugendpolitik.ch)
Die schweizerische Kinder- und Jugendpolitik wird von zahlreichen Akteuren aller drei Staatsebenen verantwortet. Um die Zusammenarbeit der involvierten Fachpersonen zu erleichtern und um den Informations- und Wissensaustausch zu fördern, betreiben das Bundesamt für Sozialversicherung und die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren seit 2016 die Plattform Kinder- und Jugendpolitik Schweiz. Sie beschreibt u. a. die rechtlichen Grundlagen der Kinder- und Jugendpolitik, benennt Anlaufstellen sowie Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und verweist auf interessante Projekte und Programme von Bund, Kantonen sowie ausgewählten Gemeinden.
Inhaltliche Ausrichtung der kantonalen Programme Alle zwölf der bisher unterstützten kantonalen Programme engagieren sich auf die eine oder andere Weise im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik im engeren Sinn. Zehn der zwölf Programme sind auf die allgemeine Förderung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe ausgerichtet. Hier wiederum fliessen die Bundesmittel am häufigsten der Kinder- und Jugendarbeit zu. Oft werden aber auch Massnahmen zur Beratung und Unterstützung finanziert, während ergänzende Hilfen zur Erziehung wie die sozialpädagogische Familienbegleitung seltener bedacht werden. Mehr als die Hälfte aller Kantone plant oder ergreift Kinder- und Jugendschutzmassnahmen, v. a. in Form von Präventionsprojekten zum Umgang mit Medien, Alkohol und Tabak. Mehrere Kantone ermöglichten die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen an ihrem Programm, indem sie sie bei der Umsetzung konkreter Massnahmen beteiligten, so z. B. bei der Ausarbeitung und Gestaltung von Leitbildern und durch den Einbezug in politische Entscheidungen. In anderen Kantonen bildete die Mitwirkung eine Massnahme des Programms, z. B. durch die Schaffung eines Kinder- oder Jugendparlaments.
Die meisten Kantone nutzen die Finanzhilfen zur Erarbeitung von Grundlagen. Hierbei werden Bestandsaufnahmen beispielsweise der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen, der Beratungsangebote oder des Schutzbedarfs erstellt, die dann der fundierten Erarbeitung von Konzepten für Kinderbetreuungs-, Jugendarbeits- oder Präventionsangebote dienen. Andere Massnahmen dienten der Vernetzung von Akteuren und der Schaffung konkreter Angebote – z. B. Einrichtung eines Schülerrats oder einer interaktiven Wanderausstellung zum Thema Gewalt unter Jugendlichen. Auf der Plattform Kinder- und Jugendpolitik Schweiz werden alle kantonalen Programme beschrieben.
Zielerreichung Bei elf Programmen liessen sich zum Zeitpunkt der Erhebung bereits Aussagen zur Zielerreichung machen. Fünf Kantone haben ihre bis 2016 gesteckten Ziele planmässig erreicht, die anderen sechs mussten vereinzelt Verzögerungen und Zielkorrekturen hinnehmen, sind aber gut auf Kurs. Dabei erweist sich der frühzeitige Einbezug und die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Stakeholdern der Kinder- und Jugendpolitik nach der Einschätzung der kantonalen Programmverantwortlichen als förderlich. Den damit verbundenen erhöhten Koordinationsaufwand empfinden einige Kantone jedoch als Schwierigkeit. Auch die politischen Rahmenbedingungen, insbesondere Entscheidungsprozesse und finanzielle Ressourcen, können die Ausgestaltung und den Verlauf der kantonalen Programme stark beeinflussen. So wurden fehlende finanzielle Ressourcen als wichtigster Grund für den Abbruch, den Rückzug des Gesuchs oder den Verzicht auf ein Programm genannt.
Fazit Die meisten Kantone nutzen die Finanzhilfen nach Art. 26 KJFG oder zeigen Interesse daran. Die Analyse der umgesetzten oder laufenden kantonalen Programme der Kinder- und Jugendpolitik zeigt, dass diese aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen sehr verschieden ausgestaltet sind. Dennoch lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten feststellen. So liegt der inhaltliche Fokus in den meisten Programmen auf der Kinder- und Jugendhilfe. Neben der Erarbeitung von Bestandsaufnahmen und Konzepten ist die Ausgestaltung konkreter Angebote ein wichtiger Bestandteil vieler Programme. Wichtige Faktoren, die den Erfolg oder Misserfolg eines Programms beeinflussen, sind die Zusammenarbeit unter den Stakeholdern und die politischen Rahmenbedingungen, namentlich die Entscheidungsprozesse und die finanziellen Ressourcen.
- Literatur
- Bolliger, Christian; Sager, Patricia (2017): Aufbau und Weiterentwicklung der kantonalen Kinder- und Jugendpolitiken – Stand der Ausrichtung von Finanzhilfen des Bundes gemäss Artikel 26 KJFG; [Bern: BSV]. Beiträge zur Sozialen Sicherheit; Forschungsbericht Nr. 12/17.
- Bundesrat (2012): Gewalt und Vernachlässigung in der Familie: notwendige Massnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und der staatlichen Sanktionierung. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Fehr (07.3725) vom 5. Oktober 2007, Bern.
- 1. SR 446.1.