Auf einen Blick
- Der EO-Ausgleichsfonds belief sich 2024 auf rund 2 Milliarden Franken und könnte bis 2035 auf 6 Milliarden Franken ansteigen.
- Die drei Schlüsselfaktoren für die Finanzen der EO sind die Erwerbsbevölkerung, die Geburtenhäufigkeit und die Lohnentwicklung.
- Schwankungen bei der Geburtenzahl wirken sich direkt auf die Ausgaben für Urlaube für Eltern aus und können das Wachstum des Fonds beschleunigen oder verlangsamen.
Die Erwerbsersatzordnung (EO) ist – was die Ausgaben anbelangt – eine diskrete, aber wichtige Säule der schweizerischen sozialen Sicherheit. Sie garantiert ein Einkommen in bestimmten Lebensphasen: Militärdienst, Zivildienst, Zivilschutz, Mutterschaft, Urlaub des andern Elternteils, Adoption sowie Betreuung eines gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes.
Im Jahr 2024 überstiegen die Einnahmen der Erwerbsersatzordnung gemäss der neusten EO-Statistik die Ausgaben, sodass die Versicherung ein positives Umlageergebnis von 196 Millionen Franken verzeichnete (siehe Grafik 1). Hinzu kamen 125 Millionen Franken aus Kapitalanlagen, womit das Betriebsergebnis bei insgesamt 321 Millionen Franken lag. Der EO-Fonds belief sich auf rund 2 Milliarden Franken, was ungefähr den jährlichen Ausgaben der EO entspricht.
Gemäss den aktuellen Finanzperspektiven dürften die Ausgaben künftig weniger schnell wachsen als die Einnahmen. Folglich fällt das Umlageergebnis in den kommenden Jahren positiv aus und der Fonds wächst kontinuierlich. Demnach werden dem Fonds im Jahr 2035 voraussichtlich rund 6 Milliarden Franken zur Verfügung stehen, was dem dreifachen Betrag einer Jahresausgabe entspricht. Wie in allen Sozialsystemen hängt das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben jedoch von mehreren wirtschaftlichen und demografischen Faktoren ab.
Die wichtigste Ausgabenposten
Im Jahr 2024 beliefen sich die Gesamtausgaben der EO auf 2 Milliarden Franken. Davon entfallen 99 Prozent auf die drei grössten Ausgabenposten:
- Dienstleistende: 42 Prozent (860 Mio. Fr.)
- Mutterschaftsurlaub: 49 Prozent (990 Mio. Fr.)
- Urlaub des andern Elternteils: 8 Prozent (rund 170 Mio. Fr.)
Beim Adoptionsurlaub und beim Betreuungsurlaub für Eltern gesundheitlich schwer beeinträchtigter Kinder ist die Zahl der Begünstigten nach wie vor sehr klein. Ihr Anteil an den EO-Gesamtausgaben fällt entsprechend kaum ins Gewicht.
Ausschlaggebend für die Gesamtkosten jedes einzelnen Urlaubs sind die Anzahl der Begünstigten, die Höhe der Taggelder und die jeweilige Dauer des Urlaubs. Die Entwicklung dieser drei Komponenten bestimmt somit die Entwicklung der EO-Gesamtausgaben.
Die Zahl der Begünstigten steht in engem Zusammenhang mit der Demografie. So hängen die Ausgaben für Dienstleistende von der Anzahl der Schweizer Männer im Alter von 15 bis 50 Jahren ab. Der Mutterschaftsurlaub und der Urlaub des andern Elternteils wiederum sind an die Geburtenzahl und in geringerem Masse an die Erwerbsbevölkerung geknüpft.
Das durchschnittliche Taggeld folgt der Lohnentwicklung, während die durchschnittliche Leistungsdauer, da gesetzlich verankert, relativ stabil bleibt.
Finanzierung über Lohnbeiträge
Die EO wird fast gänzlich über Lohnbeiträge finanziert, die zu gleichen Teilen von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden getragen werden. Der Beitragssatz für die EO liegt bei 0,5 Prozent des Lohnes und generierte im Jahr 2024 Einnahmen in der Höhe von 2,2 Milliarden Franken. Hinzu kommen die Erträge aus Kapitalanlagen, deren Höhe je nach Entwicklung der Finanzmärkte variiert. So wurden 2024 mit den Kapitalanlagen 125 Millionen Franken erwirtschaftet.
Neben diesen Kapitalerträgen hängt die Entwicklung der Einnahmen hauptsächlich vom Lohnwachstum und der Zahl der Erwerbstätigen ab. Für die Finanzen spielen dabei drei Faktoren eine Schlüsselrolle:
- Die Erwerbsbevölkerung beeinflusst sowohl die Zahl der Beitragspflichtigen als auch jene der Leistungsbegünstigten. Somit hat die Zahl der Erwerbstätigen einen direkten Einfluss auf die Einnahmen und Ausgaben der EO.
- Die Geburtenhäufigkeit wirkt sich hauptsächlich auf die Zahl der Leistungsbegünstigten und damit auf die Höhe der Ausgaben aus.
- Die Lohnentwicklung hat Einfluss sowohl auf die Höhe der ausgezahlten Leistungen als auch auf die Höhe der Beitragseinnahmen. Entsprechend beeinflusst sie gleichzeitig Ausgaben und Einnahmen.
Auswirkungen halten sich die Waage
Die wirtschaftliche wie auch die demografische Entwicklung sind immer mit einem gewissen Mass an Unsicherheit verbunden. Die EO weist jedoch eine Besonderheit auf: Bestimmte Auswirkungen gleichen sich automatisch aus. So bewirken höhere Löhne sowohl höhere Leistungen als auch höhere Beitragseinnahmen. Ebenso führt ein Zuwachs bei der Erwerbsbevölkerung zu mehr Leistungsbegünstigten, aber auch zu mehr Beitragszahlenden.
Letztendlich bleibt das Gesamtgleichgewicht trotz Unsicherheiten bei den Wirtschafts- und Bevölkerungsprognosen in der Regel stabil, und das Betriebsergebnis wird nur in geringem Masse tangiert.
Geburtenrate als grosser Unsicherheitsfaktor
Lässt man die Entwicklung der schweizerischen Familien- und Militärpolitik beiseite, bleibt als grösster Unsicherheitsfaktor für die Finanzen der EO die Entwicklung der Geburtenzahl. Eine Schwankung bei der Geburtenzahl wirkt sich direkt auf die Ausgaben für die Urlaube für Eltern aus, ohne unmittelbare Auswirkungen auf die Einnahmen zu haben.
Ein Blick auf die vergangenen 25 Jahre verdeutlicht die Schwankungen bei der Geburtenzahl in der Schweiz: Im Jahr 2001 ging die zusammengefasste Geburtenziffer (ZGZ) in der Schweiz auf 1,38 zurück (siehe Grafik 2). Zwischen 2002 und 2010 stieg die Ziffer kontinuierlich an und erreichte den Wert von 1,52 Kinder pro Frau. Von 2010 bis 2018 blieb der Indikator bei rund 1,53 relativ stabil.
Zwischen 2019 und 2024 sank der Indikator dann rapide von 1,48 auf 1,29. Eine Ausnahme bildet das Jahr 2021, in dem (pandemiebedingt) ein vorübergehender Anstieg auf 1,52 Kinder pro Frau zu beobachten war.
Die künftige Entwicklung der Geburtenhäufigkeit in der Schweiz bleibt somit ungewiss. Die Prognosen fallen je nach Quelle unterschiedlich aus:
- Eurostat (2023) geht für die Schweiz von einem schrittweisen Anstieg der Geburtenziffer auf über 1,5 Kinder pro Frau im Jahr 2035 aus.
- Das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA; 2023) prognostiziert ebenfalls einen Aufwärtstrend bis 2050, gefolgt von einem leichten Rückgang. Eine zusammengefasste Geburtenziffer von 1,5 Kindern pro Frau wird in der Schweiz jedoch erst nach 2040 erreicht.
- Das Bundesamt für Statistik (BFS; 2025) geht in seinem Referenzszenario von einem stabilen Wert von rund 1,4 Kindern pro Frau aus. Im «hohen» Szenario ergibt sich bis 2055 ein Wert zwischen 1,5 und 1,57 und im «tiefen» Szenario ein Wert zwischen 1,3 und 1,26.
Diese Annahmen sind im Vergleich zu den jüngsten Zahlen relativ optimistisch: Im Jahr 2024 lag die zusammengefasste Geburtenziffer bei 1,29, und die vorläufigen Daten für das erste Halbjahr 2025 bestätigen den anhaltenden Geburtenrückgang. So war die Zahl der Geburten deutlich tiefer als im Vorjahr (43 933 Geburten gegenüber 45 610 Geburten).
Geburtenhäufigkeit für EO-Fonds zentral
Für die Schätzung der EO-Ausgaben im Jahr 2025 hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) den Durchschnitt der Geburten der letzten drei Jahre als Basis genommen und anschliessend die Wachstumsraten des BFS-Referenzszenarios darauf angewendet. Die Finanzperspektiven des BSV stützen sich somit auf diesen Annahmen (siehe Grafik 3). Die Linie «tief» entspricht dem BFS-Szenario für geringe Geburtenhäufigkeit, die Linie «hoch» steht für das Szenario mit hoher Geburtenhäufigkeit.
Ein Anstieg der Geburtenziffer von 1,34 auf 1,5 würde ab 2025 zu einem Anstieg der jährlichen Ausgaben von rund 200 Millionen Franken führen, ohne zusätzliche Einnahmen zu generieren. Diese Differenz wirkt sich direkt auf das Umlageergebnis aus und beeinträchtigt die Wachstumsfähigkeit des Fonds. Bis 2035 würde der EO-Fonds in diesem Fall um rund 3 Milliarden Franken schrumpfen und somit rund 50 Prozent seines potenziellen Investitionsvolumens einbüssen.
Läge jedoch die künftige zusammengefasste Geburtenziffer pro Frau zwischen 1,30 und 1,26 Kindern, würden die jährlichen Ausgaben um durchschnittlich 100 Millionen Franken sinken. Der EO-Fonds würde in diesem Fall schneller wachsen und im Jahr 2035 rund 1 Milliarde Franken über dem Referenzszenario liegen.
Langfristig fragiles Gleichgewicht
Die finanzielle Lage der EO ist derzeit ausgeglichen und dürfte dies auch in den kommenden Jahren noch bleiben. Die Einnahmen liegen über den Ausgaben, und der Ausgleichsfonds wächst kontinuierlich an. Dieses Gleichgewicht ist jedoch langfristig fragil, da es von einem nur schwer vorhersehbaren Faktor abhängt: der Geburtenzahl.
Wenn die Geburtenhäufigkeit weiter sinkt, wird der EO-Fonds dank der geringeren Ausgaben für die Urlaube für Eltern schneller wachsen. Umgekehrt wäre ein anhaltender Wiederanstieg der Geburtenrate eine Mehrbelastung und könnte das Wachstum des Fonds verlangsamen. Schliesslich stellt die Entwicklung der Familien- und Militärpolitik einen weiteren Unsicherheitsfaktor dar, der die finanzielle Lage der EO erheblich beeinflussen kann.
Die aktuellen EO-Finanzperspektiven enthalten ein Referenzszenario. Ab nächstem Jahr werden zusätzlich Szenarien «Hoch» und «Tief» zur Verfügung gestellt. Dies erlaubt, die Unsicherheiten besser abzubilden.