Wirtschaftliche Situation von Familien: Geburt als Weichenstellung

Die Geburt des ersten Kindes prägt die Einkommensverläufe von Eltern in der Schweiz langfristig, wie eine Studie im Auftrag des BSV zeigt. Denn die nach der ersten Geburt gewählte Aufteilung von Arbeit und Betreuung wird später meist beibehalten – was bei einer Trennung finanzielle Folgen haben kann.
Severin Bischof, Tabea Kaderli, Jürg Guggisberg, Lena Liechti
  |  24. Februar 2023
    Forschung und Statistik
  • Familie
  • Kinder
Wie Paare nach der Geburt des ersten Kindes die Betreuungs- und Erwerbsarbeit aufteilen, hat langfristige Auswirkungen (Alamy)

Auf einen Blick

  • Die Aufteilung der Betreuungs- und Erwerbsarbeit wird bei der Geburt des ersten Kindes entschieden – von dieser Aufteilung wird anschliessend meist nicht mehr abgewichen.
  • Das Einkommen von Müttern mit älteren Kindern hat sich im Laufe der Zeit nur wenig erhöht: Die jüngeren Generationen der in der Studie betrachteten Mütter verdienten 10 Jahre nach der Geburt nicht viel mehr als Mütter vor ihnen.
  • Trennungen und Scheidungen führen zu prekären finanziellen Situationen, wobei Mütter besonders häufig betroffen sind.

Der Übergang zur Elternschaft geht häufig mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation einher. Dies zeigt eine Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) (Bischof et al. 2023). Die Analysen basieren auf dem Datensatz «Wirtschaftliche Situation von Personen im Erwerbs- und Rentenalter (WiSiER)».

Grund für die schlechtere finanzielle Situation ist einerseits die finanzielle Mehrbelastung durch das Kind. Andererseits sinkt meist das Erwerbseinkommen der Mütter mit der Geburt, weil sie ihr Erwerbspensum reduzieren, sich ganz aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen oder einer Erwerbstätigkeit zu einem tieferen Lohn als früher nachgehen. So hatten ein Jahr nach der Geburt 76 Prozent der Mütter ihr Einkommen um mindestens einen Viertel reduziert. Dabei verringerte sich bei jeder zweiten Mutter das Einkommen sogar um mehr als die Hälfte und jede vierte gab die Erwerbsarbeit ganz auf oder reduzierte diese auf einen kleinen Bruchteil des ursprünglichen Einkommens. Demgegenüber reduzierten lediglich 21 Prozent der Väter ihr Erwerbseinkommen, wobei der Rückgang bei 15 Prozent weniger als einen Viertel beträgt.

Eine wichtige Rolle bei der Reduktion des Arbeitspensums von Müttern spielen demografische und sozioökonomische Faktoren: Frauen in der lateinischen Schweiz, Frauen mit Hochschulabschluss oder solche mit ausländischer Staatsangehörigkeit reduzieren ihr Einkommen gegenüber den entsprechenden Vergleichsgruppen weniger stark. Ob ein Paar verheiratet ist, spielt dagegen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der erwähnten Merkmale keine Rolle. Grundsätzlich gilt: Je tiefer der Anteil des Erwerbseinkommens der Frau am gesamten Haushaltserwerbseinkommen vor der Geburt desto ausgeprägter ist dessen Rückgang nach der Geburt. Ebenfalls eng verflochten mit der Erwerbsintegration nach der Geburt ist die Inanspruchnahme von institutioneller Kinderbetreuung: Mütter aller Einkommensklassen reduzieren das Einkommen deutlich weniger stark, wenn institutionelle Kinderbetreuung genutzt wird.

Einkommen langfristig reduziert

Die beschriebene Einkommensreduktion der Mütter ist kein vorübergehendes Phänomen: Im Durchschnitt haben Mütter, die zwischen 1987 und 2000 ihr erstes Kind geboren haben, ihr Einkommen stark reduziert und in den 10 Jahren danach nur unwesentlich erhöht. Das Erwerbseinkommen der Väter verändert sich mit der Geburt des ersten Kindes hingegen nur marginal. In der Schweiz haben die Mütter gegenüber den Vätern längerfristig eine Einkommenseinbusse von 67 Prozent. Der Wert liegt in Deutschland und Österreich mit 61 Prozent beziehungsweise 51 Prozent tiefer (Kleven et al. 2019).

Es gibt jedoch einen Trend über die Zeit: Der Anteil der Mütter, die ein Jahr nach der Geburt des ersten Kindes erwerbstätig sind, hat sich von 40 Prozent (Geburt zwischen 1987–1990) auf 81 Prozent (2006–2010) verdoppelt. Auch die Häufigkeit und die Dauer der Erwerbsunterbrüche hat abgenommen. Da die zusätzliche Erwerbsbeteiligung der Mütter in erster Linie auf Teilzeitarbeit fusst und auch 2021 rund 80 Prozent der Väter mit Kindern unter 25 Jahren Vollzeit erwerbstätig sind, ist eine gewisse Annäherung, aber keine Angleichung der Einkommen zwischen den Müttern und Vätern festzustellen (siehe Grafik). Ein Vergleich zwischen den verschiedenen Generationen von Müttern zeigt: Wenn auch das Einkommen der Mütter nach der Geburt gestiegen ist, liegt es zehn Jahre nach der Geburt bei jüngeren Generationen von Müttern (Geburt zwischen 2006–2010) nur wenig über dem Einkommen der älteren Generationen (1987–1990). Mütter der älteren Geburtskohorten haben ihr Einkommen zwar stärker reduziert, aber dieses in den Folgejahren eben auch wieder stärker erhöht.

Doch wie verändert sich das Erwerbsverhalten der Mütter, wenn die Kinder älter werden? Betrachtet man Erwerbsverläufe von Müttern, deren jüngstes Kind mindestens 12 Jahre alt ist (letzte Geburt im Jahr 1994), zeigt sich: Mütter, die in den ersten Jahren nach der Geburt ein tiefes Erwerbseinkommen erzielten, verdienten häufig auch später nur relativ wenig.

Somit lässt sich kein «Aufholeffekt» nach der «intensiven» Kinderphase beobachten. Mütter, die ihr Erwerbseinkommen stärker reduziert haben, konnten oder wollten ihr Erwerbseinkommen später nicht entsprechend erhöhen. Eine starke Reduktion der Erwerbsarbeit geht somit langfristig mit einer geringeren Integration auf dem Arbeitsmarkt einher.

Weichen werden früh gestellt

In der Regel legen die Eltern bei der Geburt des ersten Kindes fest, wie sie Betreuungs- und Erwerbsarbeit aufteilen. Teilweise folgen die Paare dabei einer ökonomischen Logik, indem die weniger verdienende Person ihr Erwerbseinkommen reduziert. Kulturelle Normen und Wertvorstellungen spielen jedoch bei diesem Entscheid ebenfalls eine Rolle. So reduzieren die meisten Mütter auch dann ihr Erwerbseinkommen zugunsten der Kinderbetreuung, wenn sie vor der Geburt des ersten Kindes mehr verdienten als ihr Partner. Im Mittel wird von dieser Aufteilung während der gesamten Kinderphase und darüber hinaus, auch mit der Geburt von weiteren Kindern, nicht mehr abgewichen. Ob dies von den Paaren gewünscht ist oder aufgrund fehlender Rahmenbedingungen wie auch einer inadäquaten Integration in den Arbeitsmarkt nach längerer (teilweiser) Absenz nicht gelingt, konnte in dieser Studie nicht untersucht werden.

Trennung erhöht Risiko

Trennungen, also die Auflösung eines gemeinsamen Haushalts, und Scheidungen von Familienhaushalten sind häufig: Rund ein Viertel der Kinder unter 25 Jahren hat getrenntlebende Eltern. Diese Kinder sind mitbetroffen, wenn sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert. Insbesondere Einelternfamilien verfügen häufig über (sehr) geringe finanzielle Mittel (Trennungen im Jahr 2013). Was führt zu diesem Resultat?

Grundsätzlich verschlechtert sich die finanzielle Situation einer Familie nach einer Trennung, da zwei Haushalte finanziert werden müssen. Denn in der Regel sind beispielsweise zwei separate Wohnungen teurer als eine grössere Wohnung. Ist die Mutter die hauptbetreuende Person, was grossmehrheitlich der Fall ist, verschlechtern sich ihre finanziellen Verhältnisse nach einer Trennung meist massiv: Unmittelbar nach der Trennung befindet sich rund die Hälfte der Mütter in einer wirtschaftlich prekären Situation. Wobei sich diese Situation ein bis zwei Jahre nach der Trennung deutlich erholt, zum einen, da das Erwerbseinkommen gesteigert werden kann, und zum anderen, da oft Unterhaltszahlungen fliessen. Die wirtschaftliche Situation bleibt aber verglichen mit vor der Trennung für einen doppelt so hohen Anteil der Mütter prekär. Bei den Vätern bleibt das (im Vergleich zu den Müttern tiefere) Risiko einer finanziell prekären Situation nach der Trennung unverändert.

Frauen steigern Erwerbseinkommen nach einer Scheidung

Eine Scheidung erfolgt oft erst lange nach der Trennung. Das Erwerbseinkommen von Frauen erhöht sich daher in der Regel bereits vor der Scheidung (Scheidungen im Zeitraum 1991–2005). Bei geschiedenen Frauen ohne Kinder ist die Steigerung weniger ausgeprägt als bei geschiedenen Frauen mit Kindern. Dies hängt teilweise mit dem Alter der Kinder und dem damit sinkenden Betreuungsaufwand zusammen.

Um den Trennungseffekt vom Effekt der älter werdenden Kinder zu unterscheiden, wurden die Erwerbsverläufe von Müttern und Vätern in Abhängigkeit davon betrachtet, ob sie sich innerhalb von 15 Jahren nach der ersten Geburt haben scheiden lassen oder nicht. Hier wird deutlich, dass Mütter mit einer Scheidung häufiger erwerbstätig sind und im Mittel ein höheres Erwerbseinkommen haben als Mütter, die verheiratet bleiben. Gemessen am Erwerbseinkommen, das Mütter vor der Geburt des ersten Kindes erzielten, lag das Einkommen von geschiedenen Müttern um rund 25 Prozentpunkte über demjenigen von Müttern, die mit ihrem Ehemann zusammenblieben.

Bei Betrachtung der Väter mit jüngeren Kindern geht die Erwerbstätigenquote nach der Scheidung zwar leicht zurück, verbleibt jedoch auf hohem Niveau. Die Gründe für diese Reduktion konnten im Rahmen der vorliegenden Studie nicht näher beleuchtet werden. Fest steht, dass Elternteile, die nicht denselben Wohnsitz haben wie ihre Kinder, (meist Väter) ebenfalls ein höheres Risiko haben, über sehr geringe finanzielle Mittel zu verfügen.

Nach einer Trennung sind die Möglichkeiten zur Erwerbsintegration von Frauen in der Regel begrenzt. Eine Schlüsselrolle spielt die erwähnte Aufteilung der Betreuungs- und Erwerbsarbeit während der Kinderphase. So gelten die erwähnten Erkenntnisse zu den Auswirkungen einer Geburt nach einer Trennung verstärkt: Eine starke Reduktion der Erwerbsarbeit während der Kinderphase wirkt sich langfristig auf den Einkommensverlauf von Frauen aus und verstärkt so die finanziellen Risiken bei einer Scheidung. Zwar können geschiedene Mütter ihr Erwerbseinkommen steigern, die Erhöhung reicht jedoch in vielen Fällen nicht aus, wie der grosse Anteil dieser Mütter in einer prekären finanziellen Situation zeigt.

Familie als finanzielles Risiko

Insgesamt zeigen die Resultate: Familien befinden sich häufiger in einer prekären Situation als Haushalte ohne Kinder. Bei Familien findet die wichtigste Weichenstellung nach der Geburt des ersten Kindes statt – wenn die Eltern das Erwerbs- und Betreuungsverhältnis festlegen.

Ist das Einkommen der Mutter gering, was meist auch langfristig der Fall ist, befindet sich der Haushalt häufiger in einer prekären finanziellen Situation. Diese tiefen Erwerbseinkommen wirken sich insbesondere bei einer späteren Trennung oder Scheidung stark aus.

Die regionalen Unterschiede bezüglich der Erwerbsreduktion (meistens) der Mütter nach der ersten Geburt verweisen darauf, dass bei dieser Entscheidung nicht nur individuelle Präferenzen, sondern die institutionellen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der kulturelle Kontext eine Rolle spielen.

Literaturverzeichnis

Bischof, Severin; Kaderli, Tabea; Guggisberg, Jürg; Liechti Lena (2023). Die wirtschaftliche Situation von Familien in der Schweiz. Die Bedeutung von Geburten sowie Trennungen und Scheidungen; Studie im Auftrag des BSV. Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht Nr. 1/23.

Kleven, Henrik; Landais, Camille; Posch, Johanna; Steinhauer, Andreas; Zweimüller, Josef (2019). Child penalties across countries: Evidence and explanations. AEA Papers and Proceedings, 109, 122–26.

Ökonom, Bereichsleiter Datenanalysen, Modelle und Prognosen, Büro für arbeits- und sozial-politische Studien (BASS)
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Ökonomin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS)
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Soziologe und Ökonom, Geschäftsführung und Bereichsleiter Arbeitsmarkt, Erwerbssituation, Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS)
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Dr. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS)
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