Auf einen Blick
- Der Bundesrat hat im Dezember 2024 ein Konzept für eine nationale Struktur zur Prävention und Bekämpfung von Armut gutgeheissen.
- Die Struktur umfasst das Armutsmonitoring, eine nationale Armutsstrategie, die Plattform gegen Armut und Partizipationsmöglichkeiten für Betroffene.
- Ein unabhängiger Rat für Armutsfragen wird als Pilot getestet; er soll Menschen mit Armutserfahrungen eine Stimme verleihen.
Kurz vor Weihnachten 2024 hat der Bundesrat ein Konzept für eine nationale Struktur zur Prävention und Bekämpfung von Armut gutgeheissen. Damit berücksichtigt er auch eine Motion der Genfer SP-Nationalrätin Estelle Revaz, welche verlangt, dass die Nationale Plattform gegen Armut weitergeführt und eine Armutsstrategie erarbeitet wird. Für den Betrieb der Plattform und die Umsetzung der Strategie sind gemäss der Motion ausreichende finanzielle Mittel bereitzustellen.
Mit dem Konzept werden die bestehenden Elemente der nationalen Armutspolitik verbunden und in eine stimmige Abfolge gebracht. Mit der Umsetzung hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) betraut.
Eine zentrale Rolle spielt das nationale Armutsmonitoring, dessen erster Bericht Ende 2025 erscheinen wird. Dieser wird anhand von statistischen Indikatoren aufzeigen, wie sich die Armut in der Schweiz entwickelt und welches die zentralen Herausforderungen sind. Auch wird er den Forschungsstand zur Armut und zu den Wirkungen armutspolitischer Massnahmen bilanzieren.
Anhand dieser Ergebnisse wird anschliessend eine nationale Armutsstrategie mit politischen Zielsetzungen erarbeitet. Die Strategie soll dem Querschnittscharakter der Armutspolitik Rechnung tragen, indem sie mögliche Handlungsfelder der Armutsprävention und -bekämpfung umfassend abdeckt. Die Motion Revaz nennt insbesondere die Bereiche Bildung, Gesundheit, Wohnen, Erwerbsarbeit sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Bundesrat soll die Strategie bis Mitte 2027 verabschieden.
Vernetzung auf Plattform
Auch im neuen Konzept dient die Plattform gegen Armut dazu, innovative Ansätze in der Armutspolitik zu verbreiten und die Vernetzung unter den vielfältigen Akteuren zu fördern. Im Unterschied zu Monitoring und Strategie konzentriert sie sich auf ausgewählte Schwerpunktthemen, die sie jeweils für eine begrenzte Zeit verfolgt.
Die Plattform ist seit mehr als einem Jahrzehnt aktiv und hat sich bewährt. Der Bundesrat hat ihre Laufzeit daher bis 2030 verlängert. Im Jahr 2025 wird sie mit einem bis zwei Schwerpunkten starten. Im Vordergrund stehen die Familienarmut und der Nichtbezug von Sozialleistungen. Nach der Verabschiedung der Nationalen Armutsstrategie wird dieses Arbeitsprogramm um weitere Schwerpunkte ergänzt, die es bis 2030 umzusetzen gilt.
Die Plattform ist damit ein wichtiger, aber nicht der einzige Hebel der Armutsstrategie: Ihre Ziele und Massnahmen können auch in anderen Settings verfolgt werden. Dabei ist insbesondere eine enge Zusammenarbeit mit den Strukturen der Interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ) anzustreben.
Zusammenarbeit verstärken
Kantone, Gemeinden und zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich in den vergangenen Monaten mit grosser Vehemenz für die Weiterführung der Plattform ausgesprochen. Es ist nicht bei Worten geblieben: Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) hat einen Beitrag von 50 000 Franken pro Jahr gesprochen, die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) 5000 Franken, und der Schweizerische Städteverband sowie die Städteinitiative haben für die nächsten fünf Jahre insgesamt 40 000 Franken zugesagt.
Diese Mittel fliessen in gemeinsame Projekte, während der Basisbetrieb vom Bund finanziert wird. Aktuell laufen Gespräche mit weiteren Partnern und Finanzierungsstiftungen. Diese Kooperationen haben das Potenzial, neue Impulse in der Armutsprävention zu setzen.
Stimme der Betroffenen
Ein neues Kapitel wird in der Partizipation von Betroffenen aufgeschlagen. Sie wurde bisher im Rahmen einzelner Projekte gewährleistet. Neu sollen Menschen mit Armutserfahrungen ein eigenes und unabhängiges Gremium erhalten – den Rat für Armutsfragen. Er soll die Interessen der Betroffenen vertreten und den Einbezug ihres Erfahrungswissens in die Schweizer Armutspolitik ermöglichen.
Der Rat wird voraussichtlich acht bis zwölf Mitglieder umfassen, die von Fachpersonen und einem Sekretariat unterstützt werden. Angestrebt wird eine Trägerschaft aus zivilgesellschaftlichen Organisationen. Unter dem Vorbehalt verbindlicher Kooperations- und Finanzierungszusagen soll der Rat in den Jahren 2025 bis 2027 in einer Pilotphase getestet werden.
Bilanz Ende 2030
Die neue Struktur ist darauf angelegt, in Zyklen von jeweils fünf Jahren zu arbeiten: Auf die Publikation des neuen Monitoringberichts folgt eine Aktualisierung der Armutsstrategie, danach entwickelt die Plattform ein neues Arbeitsprogramm und setzt dieses um.
Während das Armutsmonitoring auf Dauer angelegt ist, sind die Mittel der Plattform vorderhand für sechs weitere Jahre gesichert. Ende 2030 wird dem Bundesrat über die Umsetzung des Konzepts und die Ergebnisse der Plattform Bericht erstattet.