In Anlehnung an den Einsetzungsbeschluss der nationalen IIZ definieren die meisten Kantone diese als gemeinsame Strategie der beteiligten Akteure, ihre sozialen Sicherungs- und Integrationssysteme so aufeinander abzustimmen, dass sie Menschen in schwierigen Lebenslagen nachhaltig in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren vermögen (EDI, EJPD, WBF 2017; vgl. Kasten). Hierfür ist die konkrete Zusammenarbeit auf der Einzelfallebene zentral. In der Regel beteiligen sich die Institutionen des Systems der sozialen Sicherheit als Partner an der IIZ, namentlich die Arbeitslosenversicherung (ALV), die Invalidenversicherung (IV) und die Sozialhilfe. Während Migrations- und Bildungsbehörden in der IIZ auf nationaler Ebene eine tragende Rolle spielen, sind sie in der kantonalen IIZ nur selten vertreten.
Rolle der kantonalen IIZ-Koordinatorinnen und -Koordinatoren Bereits 2001 empfahl die Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektorinnen und Volkswirtschafsdirektoren (VDK) zusammen mit der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) die Förderung der IIZ zwischen den Institutionen der sozialen Sicherung. Die Empfehlungen wurden sowohl beim Bund als auch in den Kantonen mit Interesse aufgenommen. Der Bund unterstützte die Entwicklung verschiedener Zusammenarbeitsformen zur Förderung der IIZ in den einzelnen Kantonen. Seit 2010 verfügt jeder Kanton über einen IIZ-Koordinator bzw. eine IIZ-Koordinatorin als Verbindungsstelle zur Bundesebene. In gut zwei Fünfteln der Kantone sind die Koordinatorinnen und Koordinatoren beim Arbeitsamt oder beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) angestellt, in manchen Kantonen bei der IV-Stelle und in wenigen Fällen beim Sozialamt.
Im Einsetzungsbeschluss über die nationale Organisation der IIZ vom 29. März 2017 wird Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) wie folgt definiert:
«IIZ umfasst die Zusammenarbeit von zwei oder mehreren Institutionen im Bereich der sozialen Sicherheit, Integration und Bildung (Arbeitslosenversicherung, Invalidenversicherung, Sozialhilfe, Berufsbildung und Ausländerintegration) mit dem übergeordneten Ziel, die Eingliederungschancen von Personen in den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern und die verschiedenen Systeme optimal aufeinander abzustimmen. Die Massnahmen und Angebote der Vollzugsstellen sollen – im Interesse der unterstützten Person und des gezielten staatlichen Mitteleinsatzes – wirksamer und effizienter eingesetzt werden können. Die Zielsetzungen der einzelnen Institutionen, insbesondere die Ausbildungs- und Arbeitsintegration, sollen mithilfe der IIZ unterstützt werden.»
In rund der Hälfte der Kantone sind die Koordinatorinnen und Koordinatoren nicht aktiv in die Abstimmung der beruflichen und sozialen Integrationsbemühungen eingebunden. Manche Befragte dieser Kantone geben an, dass dort die Koordination bilateral zwischen den verschiedenen beteiligten Stellen erfolgt und dass die dafür notwendigen Massnahmen in den strategischen Gremien erarbeitet und mit Projekten auf der operativen Ebene umgesetzt werden.
Während die komplexen Fälle in rund der Hälfte der Kantone also eine Aufgabe der ausführenden Stellen sind, fällt die Koordination der IIZ auf der Ebene des Einzelfalls in manchen Kantonen explizit in die Zuständigkeit der Koordinatorinnen und Koordinatoren. Darüber hinaus zählen die Netzwerkpflege und der Austausch zwischen den Institutionen zu ihrem Aufgabenkreis. Teilweise leisten sie auch Fachberatung zu Fragen der IIZ und unterstützen die ausführenden Stellen
Einzelne Befragte berichten, dass die IIZ in ihrem Kanton kaum existent und verankert ist. Welche Rolle ihr zukommt, ist nicht ersichtlich und die Fallkoordination erfolgt dabei eher zufällig.
Wie gestaltet sich die IIZ in den Kantonen? Obschon die IIZ-Partner in verschiedenen Kantonen noch keine gemeinsame Strategie erarbeitet haben, sind Strukturen zur strategischen Steuerung und operativen Umsetzung dennoch weit verbreitet. In den meisten Kantonen fungiert ein Steuerungsgremium als Überbau der IIZ. Es sorgt für die strategische Ausrichtung, legt Ziele sowie Handlungsfelder fest und erarbeitet Gesetzesgrundlagen oder Vereinbarungen. Besetzt wird das Gremium von den Leitungen der in die IIZ involvierten kantonalen Ämter.
Für die operativen Aufgaben ist in etwa der Hälfte der Kantone eine Geschäfts-, Fach- oder Koordinationsstelle zuständig. Sie umfasst ein Kernteam mit operativer Führung und eine Arbeitsgruppe aus Fachspezialistinnen und Fachspezialisten der Durchführungsstellen. Diese Stelle übernimmt hauptsächlich die Koordination und das Monitoring der Fälle, wenn Menschen mit Schwierigkeiten in mehreren Lebensbereichen betroffen sind.
In rund der Hälfte der Kantone sind die IIZ-Prozesse schriftlich festgehalten: entweder als Abbildung der Strukturen in Form eines Flussdiagramms oder dokumentiert in Vereinbarungen. Die restlichen Kantone verfügen über keine definierten Prozesse, die eine koordinierte Fallarbeit verbindlich festhalten. Am häufigsten orientiert sich der Prozessverlauf an den fünf Phasen des Case Managements mit Anmeldung/Erstgespräch, Situationsanalyse, Zielvereinbarung/Handlungsplan, Monitoring und Fallabschluss.
Wie wird die IIZ zum Ausdruck gebracht? Von einem IIZ-Fall ist gemeinhin in Situationen die Rede, in denen mindestens zwei Institutionen des Systems der sozialen Sicherheit zusammenarbeiten. In der Regel sind dies die ALV beziehungsweise das RAV und die IV oder das RAV und die Sozialhilfe. Diese Basiskonstellation wird je nach Kanton entweder enger oder weiter gefasst. In drei Kantonen muss die betroffene Person zwingend beim RAV angemeldet sein und in zwei Kantonen ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung erforderlich, damit eine Aufnahme in die Strukturen der IIZ erfolgt. In vereinzelten – vor allem kleineren Kantonen – spricht man erst von IIZ, wenn mindestens drei Akteure involviert sind und bei der betroffenen Person eine Mehrfachproblematik vorliegt.
Allen Konstellationen gemeinsam ist die Voraussetzung, dass die betroffene Person sich in einer schwierigen Lebenslage befindet. Mit der IIZ soll verhindert werden, dass sie sich gleichzeitig oder nacheinander auf verschiedenen Ämtern melden muss. Vielmehr sollen die Integrationsleistungen nach Möglichkeit durch eine Hand in Übereinstimmung gebracht werden.
Was macht die IIZ erfolgreich? Wahrnehmung und Bedeutung der IIZ sind kantonal sehr unterschiedlich. Dadurch ergeben sich Chancen, zum Beispiel in der Form von Ausgestaltungs- und Innovationsmöglichkeiten oder bei der Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten. Dennoch ist eine gewisse Harmonisierung der Praxis anhand minimaler normativer, organisatorischer und ressourcentechnischer Kriterien erstrebenswert. Im Rahmen eines durch die nationale IIZ-Fachstelle durchgeführten Webinars diskutierten die Koordinatorinnen und Koordinatoren mögliche Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Verankerung der IIZ und einigten sich im Wesentlichen auf vier Kernelemente: Eine rechtliche Grundlage, ein politisches Commitment (z. B. ein Regierungsratsbeschluss) und eine kulturelle Durchdringung der IIZ auf Ebene der kantonalen Ämter sind wesentliche Voraussetzungen für die institutionelle Verankerung und eine hohe Bedeutung der IIZ bei den Durchführungsstellen.Definierte strategische Strukturen, zum Beispiel in Form eines Steuerungsgremiums, ermöglichen es, Strategien und Zuständigkeiten verbindlich festzulegen. Ausreichende Ressourcen sind für eine erfolgreiche Umsetzung der IIZ zentral. Dazu zählen neben den Finanzmitteln auch personelle, fachliche und materielle Ressourcen. Ein wirksames Prozessmonitoring auf der operativen Ebene in den Kantonen erzeugt Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit und steigert damit letztlich die Bedeutung der IIZ.
Aktuelle Herausforderungen für die IIZ Die Koordinatorinnen und Koordinatoren haben für die IIZ aktuelle Herausforderungen identifiziert. Sie sind vor allem organisatorischer und kultureller Art. Um sie nachhaltig anzugehen, muss es den Beteiligten besser gelingen, über die institutionellen Grenzen und Zuständigkeiten hinaus zu denken und zu handeln:
- Ein eingeschränktes Wissensmanagement zwischen und innerhalb der Institutionen verlangsamt die Zusammenarbeit.
- Eine hohe Personalfluktuation bei den Durchführungsstellen führt zu einem Wissens- und Know-how-Verlust bei den Institutionen und erschwert eine nachhaltige interinstitutionelle Zusammenarbeit.
- Unterschiedliche finanzielle Zuständigkeiten können bei Vorleistungspflichten zu finanziellen Lücken führen und allenfalls die Bereitschaft aller beteiligter Akteure, im Sinne der betroffenen Person nach einer guten Lösung zu suchen, bremsen.
- Institutionelle Abgrenzungen bei der Zuständigkeit erschweren zudem die gemeinsame Finanzierung von Integrationsmassnahmen.
- Unterschiedliche Funktionsweisen und stark prägende Strukturen der einzelnen Institutionen beschränken den institutionenübergreifenden Handlungsspielraum.
- Unterschiedliche Zielsetzungen und Gesetzesgrundlagen können zu Zielkonflikten führen.
Blick in die Zukunft Aktuelle und zukünftige IIZ-Fragestellungen zielen darauf ab, Systemgrenzen zu überwinden. Gleichzeitig findet die gesetzliche und die institutionelle Weiterentwicklung innerhalb der bestehenden Strukturen (Sozialhilfe, IV und Arbeitslosenversicherung) statt. Entsprechend wird die Arbeit der kantonalen IIZ immer anspruchsvoller und komplexer. Die Aufarbeitung und Darstellung von Best Practice, die Erarbeitung von Leitfäden oder erfolgsversprechenden Kriterien durch die nationale IIZ im Austausch mit den Koordinatorinnen und Koordinatoren können zu einer Harmonisierung der Praxis beitragen und die Zusammenarbeit erleichtern. Die nationale IIZ berät und unterstützt die Kantone bei Bedarf bei deren strategischen Entwicklung der IIZ. Schliesslich stellt sie den Austausch zwischen Bund und Kantonen und unter den Kantonen sicher.
Um jedoch Systemgrenzen zu überwinden, braucht es mehr als persönliche Kontakte unter den Akteuren, welche die IIZ durchführen. Voraussetzung für das Gelingen der nachhaltigen sozialen und beruflichen Integration im Sinne der betroffenen Person sind geeignete Rahmenbedingungen, die dezentrale IIZ vereinfachen. Schliesslich ist auch ein starkes Commitment aller Beteiligten zur Zusammenarbeit im Sinne dieses übergeordneten Ziels unabdingbar.
- Literaturverzeichnis
- Ritler, Stefan; Schmidlin, Sabina; Lüthi, Andrea (2020): «Mehrebenen-Governance im Zeichen der beruflichen Integration» in Soziale Sicherheit CHSS, Nr. 3, S. 28–33.
- Kieser, Ueli; Schenk, Carmen (2018): «Arbeitsmarktintegration: Am gleichen Strick ziehen», in Die Volkswirtschaft, Nr. 8–9, S. 48–49.
- Abderhalden, Walter; Kreienbühl, Katja (2017): «Die interinstitutionelle Zusammenarbeit im Kanton St. Gallen» in Soziale Sicherheit CHSS, Nr. 3, S. 29–33.
- Burri, Irene (2017): «Bilaterale Vereinbarungen zur Formalisierung der Zusammenarbeit» in Soziale Sicherheit CHSS, Nr. 3, S. 25–28.
- EDI, EJPD, WBF (2017): Beschluss über die Organisation der Interinstitutionellen Zusammenarbeit vom 29. März 2017; [Bern: EDI, EJPD, WBF]: www.iiz.ch > Organisation > Beschluss über die Weiterentwicklung der nationalen IIZ-Gremien vom 29. März 2017 > Einsetzungsbeschluss vom 29. März 2017 (PDF).
- Locatelli, Silvia; Duding, Laurent (2017): «Von der IIZ zu einem umfassenden Arbeitsintegrationsprojekt» in Soziale Sicherheit CHSS, Nr. 3, S. 19–24.