Die Armutsproblematik ist für die Städte von grosser Bedeutung, weil Armut in urbanen Räumen schneller und stärker sichtbar wird – etwa durch höhere Sozialhilfezahlen, eine grössere Nachfrage bei den Essensabgabestellen und mehr Obdachlosigkeit. Zudem sind in vielen Kantonen die Städte für die Sozialhilfe zuständig.
Damit Armut wirksam bekämpft werden kann, muss das System der sozialen Sicherheit gut funktionieren. Das Engagement des Bundes ist dabei zentral: Mit einem bescheidenen Mitteleinsatz kann er schweizweit den Austausch und die Koordination der Akteure fördern sowie flächendeckende Impulse setzen. Diese Rolle kann kein anderer Akteur übernehmen. Die Städte waren deshalb von Beginn an Partner im Armutsprogramm des Bundes.
Ein Evaluationsbericht hat im Juni 2024 die Wirksamkeit der Nationalen Plattform gegen Armut bestätigt. Allerdings wurde auch festgestellt, dass sie das Wirkungspotenzial Potenzial noch nicht ausgeschöpft hat. Der Städteverband ist deshalb sehr erfreut, dass der Bundesrat vor Weihnachten ein Konzept für eine nationale Struktur zur Prävention und Bekämpfung von Armut verabschiedet hat und damit eine Weiterentwicklung ermöglicht.
Gut abgestimmter Politikzyklus
Mit dem bereits 2021 beschlossenen Armutsmonitoring und den 2024 formulierten Aufträgen zur Weiterführung der Plattform sowie der Erarbeitung einer nationalen Strategie hat das Parlament wichtige Pflöcke eingeschlagen. Das Konzept des Bundesrats führt diese nun zu einem zielgerichteten Ganzen zusammen.
Das Armutsmonitoring ist die Basis, um im Kampf gegen Armut einen Schritt weiter zu kommen. Es hebt die Armutsberichterstattung in der Schweiz auf ein neues Niveau und liefert Grundlagen und Fakten für eine evidenzbasierte Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Armut. Diese übergeordnete nationale Strategie kann Ziele und zusätzliche Koordinationsmöglichkeiten auf allen drei Staatsebenen und in der Zivilgesellschaft aufzeigen. Die Aktivitäten der Plattform werden daraus abgeleitet und stehen damit auf einem soliden datenbasierten und strategischen Fundament.
Neben Fakten und Strategie ist das Erfahrungswissen der Betroffenen ein wichtiges zusätzliches Element für zielgerichtete Aktivitäten, zu welchem der Armutsrat als Partizipationsgefäss beitragen kann. Partizipation ist auf der städtischen Ebene ein Anliegen, und die Städte profitieren von den konkreten Erfahrungen, wenn die nationale Struktur hier eine Vorreiterrolle einnimmt.
Familienarmut und Nichtbezug im Fokus
Die Idee und die angedachten Inhalte der Arbeitsprogramme für die Plattform gegen Armut erscheinen zielführend. Aus Sicht der Städte ist besonders die Absicht zu begrüssen, grössere Impulse in der Praxis auszulösen, indem Kantone, Städte und Gemeinden verstärkt unterstützt werden bei der Lancierung von Pilotprojekten.
Zudem unterstützen die Städte die Wahl der Schwerpunktthemen für die Übergangsfrist bis zum ersten Arbeitsprogramm. Familienarmut und Nichtbezug von Sozialleistungen beschäftigen die Städte stark. Denn die gesellschaftlichen und finanziellen Folgen von Armut sind besonders gravierend, wenn diese wegen des Nichtbezugs von Sozialleistungen nicht bekämpft werden kann und wenn Kinder von Armut und Ausschluss betroffen sind und die Armut im schlimmsten Fall vererbt wird. Insgesamt dürfte es für die Wirksamkeit der Plattform entscheidend sein, mit welchen Ressourcen sie bundesseitig ausgestattet ist. Die Städte bauen dabei auf den parlamentarischen Auftrag, die Plattform bis 2030 mit ausreichenden Mitteln zu versehen.
Städte verstärken ihr Engagement
Aufgrund ihrer besonderen Betroffenheit investieren die Städte viel in die Prävention und Bekämpfung von Armut. So setzen die Städte unter anderem bei der Politik der frühen Kindheit an, um die Chancen- und Bildungsgerechtigkeit zu verbessern. In der Sozialhilfe beraten und unterstützen sie Personen, damit diese nachhaltig aus der Armut finden. Zudem probieren sie neue Ansätze in der Armutsbekämpfung aus, wie beispielsweise die Überbrückungshilfe in der Stadt Bern für Personen ohne oder mit erschwertem Zugang zur Sozialhilfe.
Im Rahmen der nationalen Struktur wird der Städteverband gemeinsam mit der Städteinitiative Sozialpolitik sein bisheriges Engagement verstärken. Wir werden das Expertenwissen der Städte in die verschiedenen Gremien einbringen und uns für die gemeinsame Realisierung von Projekten und Veranstaltungen engagieren.
Der Städteverband und die Städteinitiative nehmen bereits eine zentrale Multiplikatorfunktion wahr und werden darüber nachdenken, wie diese in Zukunft noch gestärkt werden könnte. Zudem stellen sie erstmalig im Rahmen ihrer Möglichkeiten finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Zusammenarbeit von Bund und Städten im Rahmen der Arbeitsprogramme zusätzlich zu stärken und gemeinsame Projekte zu ermöglichen. Der Städteverband freut sich, gemeinsam mit den anderen Akteuren die nationale Struktur zur Prävention und Bekämpfung von Armut weiterzuentwickeln und zu stärken.
«Standpunkt» ist ein Format, in dem Organisationen von ausserhalb der Bundesverwaltung ihre Sichtweise darlegen. Ihre Meinung kann von derjenigen des Bundesrats abweichen.