Änderungen 202
1. Säule
- Finanzierung der AHV; Erhöhung der Beiträge: Die vom Volk am 19. Mai 2019 angenommene Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) tritt am 1. Januar 2020 in Kraft. Die Mehrheit der neuen Bestimmungen betrifft die Unternehmensbesteuerung, drei hingegen verfolgen das Ziel, die AHV-Einnahmen um jährlich rund 2 Milliarden Franken zu erhöhen.
Erstmals in über 40 Jahren wird der AHV-Beitragssatz für Arbeitnehmende um 0,3 Prozentpunkte angehoben und zwar von 8,4 auf 8,7 Prozent. Die Erhöhung wird zur Hälfte von den Arbeitgebern und zur Hälfte von den Arbeitnehmenden getragen (je 0,15 %). Die auf dem Lohn erhobenen AHV/IV/EO/ALV-Beiträge belaufen sich damit 2020 auf 12,75 Prozent (gegenüber 12,45 % im Jahr 2019). Selbstständigerwerbende tragen den Anstieg um 0,3 Prozentpunkte allein. Ihr AHV-Beitrag erhöht sich von 7,8 auf 8,1 Prozent bei Jahreseinkommen über 56 900 Franken. Für tiefere Einkommen gilt eine degressive Beitragsskala, die neu von 7,55 Prozent bis 4,35 Prozent reicht. Bei Jahreseinkommen von 9400 Franken oder weniger bezahlen Selbstständigerwerbende den AHV-Mindestbeitrag, der von 395 auf 409 Franken ansteigt. Für Nichterwerbstätige wird der AHV/IV/EO-Mindestbeitrag von 482 auf 496 Franken pro Jahr erhöht, der Höchstbeitrag von 24 100 Franken auf 24 800 Franken. In der freiwilligen AHV/IV beträgt der Mindestbeitrag neu 950 statt 922 Franken, der Höchstbeitrag 23 750 statt 23 050 Franken. Diese erste Massnahme dürfte der AHV jährliche Mehreinnahmen von rund 1,2 Milliarden Franken generieren.
Die zweite Bestimmung betrifft die vollständige Zuweisung an die AHV des Demografieprozents der Mehrwertsteuer, das seit 1999 erhoben wird. Heute gehen davon 17 Prozent nicht direkt an die AHV, sondern an den Bund, der damit seinen Anteil an den AHV-Ausgaben finanziert. Im Jahr 2020 werden mit dieser Neuverteilung zusätzliche Einnahmen für die AHV in der Höhe von 520 Millionen Franken erwartet.
Drittens wird der Bundesbeitrag an die AHV von heute 19,55 auf 20,2 Prozent der AHV-Ausgaben erhöht. Dies dürfte der AHV 2020 rund 300 Millionen Franken mehr einbringen.
Berufliche Vorsorge
- Mindestzinssatz: Der Mindestzinssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge (BVG) bleibt 2020 unverändert bei 1 Prozent. Der Bundesrat ist der Eidgenössischen BVG-Kommission gefolgt, die sich für die Beibehaltung des bisherigen Satzes aussprach. Der Mindestzinssatz betrifft nur die Guthaben der obligatorischen 2. Säule. Ansonsten steht es den Vorsorgeeinrichtungen frei, eine andere Verzinsung festzulegen. Der seit 2017 geltende Satz von 1 Prozent ist der tiefste in der Geschichte der beruflichen Vorsorge der Schweiz.
- Rentenanpassung: Auf den 1. Januar 2020 werden verschiedene Hinterlassenen- und Invalidenrenten der obligatorischen beruflichen Vorsorge erstmals an die Preisentwicklung angepasst. Renten, die 2016 zum ersten Mal ausgerichtet wurden, erhöhen sich um 1,8 Prozent, Renten der Jahre 2010, 2013 und 2014 um 0,1 Prozent.
Krankenversicherung
- Prämienanstieg: 2020 steigt die mittlere Prämie der obligatorischen Krankenpflegeversicherung um 0,2 Prozent auf 315.14 Franken. Zehn Kantone (AG, BE, BS, LU, SH, SO, SZ, VD, ZG und ZH) verzeichnen eine Entwicklung unter 0 Prozent. In fünf Kantonen (AR, GR, NE, TI und VS) liegt die Zunahme über 1,5 Prozent und in den restlichen elf zwischen 0 und 1,5 Prozent.
- Heilmittel: Ab 2020 gelten neue Regeln zur Integrität und zur Transparenz im Heilmittelbereich. Die geldwerten Vorteile für Ärztinnen und Ärzte oder Apothekerinnen und Apotheker bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente werden weitgehend beschränkt oder gar verboten, wenn sie einen Einfluss auf die Wahl der Behandlung haben könnten.
Preisrabatte und Rückvergütungen beim Kauf von Heilmitteln (Arzneimittel und Medizinprodukte) werden ebenfalls strikter geregelt. Auch sie sind nur zulässig, wenn sie sich nicht auf die Behandlungswahl auswirken. Die Gesundheitsfachleute sind zudem verpflichtet, Rabatte an die Patientinnen und Patienten oder deren Versicherer weiterzugeben. Davon ausgenommen ist ein kleiner Anteil, der für Massnahmen zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden könnte. Gewährte oder erhaltene Vergünstigungen sind auch transparenter auszuweisen. Auf Verlangen müssen Rabatte und Rückvergütungen dem Bundesamt für Gesundheit offengelegt werden, das für die Kontrolle und allfällige Sanktionen zuständig ist.
Diese Änderungen erfolgen im Rahmen der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes, die 2016 vom Parlament verabschiedet wurde. Die beiden dazugehörigen Verordnungen – die Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich und die Verordnung über die Krankenversicherung – treten am 1. Januar 2020 in Kraft.
- Pflegebeitrag: Der Beitrag der Krankenversicherer an die Pflegeleistungen wird ab dem 1. Januar 2020 um jährlich 83 Millionen Franken erhöht. Das Eidgenössische Departement des Innern hat festgestellt, dass das Prinzip der Kostenneutralität – das in der Neuordnung der Pflegefinanzierung von 2011 verankert wurde – nicht mehr eingehalten wird. Es hat sich gezeigt, dass die Pflegebeiträge der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) zu tief angesetzt wurden. Die OKP soll sich daher stärker an den Kosten, insbesondere den Kosten von Alters- und Pflegeheimen, beteiligen, während die Kantone entlastet werden.
Sozial- und Gesundheitspolitik
- Plattform Demenz: Die Nationale Demenzstrategie läuft 2019 nach sechs Jahren aus. 2020 wird sie in eine nationale Plattform überführt. Im Zuge der Strategie wurden 18 Projekte ins Leben gerufen, aus denen Ergebnisse wie Qualitätsstandards für die Diagnostik, Sensibilisierungsmassnahmen für die breite Bevölkerung oder medizinisch-ethische Richtlinien für die Betreuung und Behandlung von Menschen mit Demenz hervorgingen. Mehrere Kantone haben inzwischen eine eigene Demenzstrategie entwickelt.
Bund und Kantone lancieren die Nationale Plattform Demenz mit dem Ziel, den im Rahmen der Nationalen Strategie unterstützten Projekten eine nachhaltige Wirkung zu verschaffen. Die verschiedenen Aktivitäten im Zusammenhang mit Demenz werden auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene koordiniert, was auch deren Sichtbarkeit erhöht.
Wichtigste laufende Projekte 2020
Organspende 2020 wird der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft über die Änderung des Transplantationsgesetzes unterbreiten. Die Ende 2019 in die Vernehmlassung geschickte Gesetzesvorlage sieht die Einführung einer Widerspruchslösung vor: Hat sich eine verstorbende Person nicht zu Lebzeiten ausdrücklich dagegegen ausgesprochen, dürfen ihr nach dem Tod Organe und Gewebe entnommen werden. Die Angehörigen sollen aber weiterhin miteinbezogen werden. Der Gesetzesentwurf wurde als Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» erarbeitet, die am 22. März 2019 eingereicht worden war.
Reformen der Altersvorsorge Nach dem Scheitern der Altersvorsorge 2020 hat sich der Bundesrat entschieden, die 1. und die 2. Säule getrennt voneinander zu reformieren. Die Reform zur Stabilisierung der AHV (AHV 21) wurde Ende August 2019 an das Parlament überwiesen. Sie sieht vor, das Referenzalter für Frauen – begleitet von Ausgleichsmassnahmen – auf 65 Jahre anzuheben, den Altersrücktritt zu flexibilisieren und die Mehrwertsteuer zur Finanzierung der AHV zu erhöhen. Die Massnahmen der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) werden Ende 2019 / Anfang 2020 bekannt sein, wenn die Vorlage in die Vernehmlassung geht.
Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose Das neue Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose könnte im ersten Halbjahr 2020 unter Dach und Fach gebracht werden. Die Botschaft wurde am 30. Oktober 2019 vom Bundesrat verabschiedet und das Parlament hat die Diskussionen bereits aufgenommen. Gemäss Gesetzesentwurf sollen Personen, die nach dem 60. Altersjahr ausgesteuert werden, unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen erhalten, bis sie das ordentliche Rentenalter erreichen.
Revision der Arbeitslosenversicherung Das Parlament wird 2020 weiter über die Revision der Arbeitslosenversicherung debattieren, die 2021 in Kraft treten könnte. Der Nationalrat hat bereits grünes Licht gegeben für eine Vorlage, die insbesondere Massnahmen zur Erleichterung der Kurzarbeit vorsieht. So sollen Kurzarbeitende beispielsweise nicht mehr verpflichtet sein, während Kurzarbeit- oder Schlechtwetterperioden eine Zwischenbeschäftigung zu suchen oder anzunehmen.