Auf einen Blick
- In seiner Digitalisierungsstrategie der ersten Säule und der Familienzulagen setzt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf «digital first».
- Die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) stellt die Umsetzung der Digitalisierungsprojekte in enger Zusammenarbeit mit den Durchführungsstellen sicher.
- Alle digitalen Dienste entsprechen den nationalen Anforderungen an die Informationssicherheit und den Datenschutz.
Eine digitale Transformations- und Innovationsstrategie (DTI) für die öffentlichen Verwaltungen und damit auch die Sozialversicherungen ist heute unverzichtbar. Als Regulierungs- und Aufsichtsorgan hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) unter anderem dafür zu sorgen, dass das System wirksam und effizient ausgestaltet ist und die Erwartungen von Versicherten und Dritten (Unternehmen, Ärzteschaft, medizinische Fachpersonen der Invalidenversicherung usw.) an digitale Dienstleistungen erfüllt.
Das BSV entwickelt die digitalen Angebote in enger Zusammenarbeit mit der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) und den Durchführungsstellen. Was beinhaltet die Digitalisierungsstrategie der ersten Säule und der Familienzulagen? Was ist neu? Welche Auswirkungen hat die Strategie auf die Aufsicht und die Durchführung? Welche Herausforderungen sind damit verbunden?
«Digital first»
Die digitale Transformation der ersten Säule und der Familienzulagen beruht auf vier grundlegenden Anforderungen:
- «Digital first»: Der Informationsaustausch mit Versicherten und Dritten erfolgt vorzugsweise über digitale Kanäle. Die Art der Kommunikation (Sprache, Format, Kanal) richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen, den Ansprüchen und dem Wissen der Personen und Organisationen, mit denen eine Geschäftsverbindung besteht.
- Einfache, automatische und zuverlässige Bearbeitung: Die Geschäftsprozesse werden im Rahmen von Digitalisierungsprojekten optimiert, um eine möglichst einfache und zuverlässige Bearbeitung der Sozialversicherungsleistungen zu gewährleisten.
- Schlanke, effiziente Leistungserbringung: Die Kosten für die Bereitstellung digitaler Dienste werden aus öffentlichen Mitteln und durch die AHV-Beitragspflichtigen finanziert (Beitragszahlungen für die Verwaltungskosten der Ausgleichskassen). Die Dienste sollen so effizient und wirtschaftlich wie möglich sein. Die Kostentransparenz muss gewährleistet sein.
- Informationssicherheit und Datenschutz: Der Schutz der persönlichen Informationen und der Integrität der verarbeiteten Daten sind zentral.
Laufende Projekte
Zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie wurden mehrere Projekte lanciert – mit dem Ziel, die nationalen Informationssysteme der ersten Säule und der Familienzulagen auszubauen und den Bedürfnissen von Versicherten und Dritten zu entsprechen.
Bereits umgesetzt sind kantonale Online-Plattformen zur Bearbeitung von Rechnungen der Invalidenversicherung (IV): Zusätzlich zu den Papierformularen können die IV-Versicherten neu kantonale Zugangsportale nutzen, über die sie ihre Rückerstattungsanträge für individuelle Leistungen (Hörgeräte, Reisekosten usw.) einreichen. Mit den Online-Portalen konnten die Rückerstattungsfristen von zwei Monaten auf eine Woche verkürzt werden. Zudem hat sich der administrative Aufwand der IV-Stellen und der ZAS, die für die Zahlungen zuständig ist, verringert.
Für die Leistungsabrechnung im Bereich der Erwerbsersatzordnung (EO) tauschen sich Versicherte und Arbeitgeber mit den Ausgleichskassen aus. Im Rahmen des laufenden Digitalisierungsprojekts wird Versicherten und Arbeitgebern künftig eine Online-Lösung mit einer digitalen Identifikation (E-ID) angeboten. Darüber können sie Auskünfte einholen und sich mit den für die Erwerbsausfallentschädigung zuständigen Stellen austauschen. Dadurch entfällt der Papieraustausch zwischen den Akteuren. Der elektronische Austausch erhöht die Bearbeitungsqualität und senkt sowohl die Kosten als auch die Bearbeitungsfristen.
Im Bereich der AHV-Beiträge sollen Versicherte eine bessere Übersicht über die eingezahlten Beiträge erhalten. Das Projekt Mosar sieht dazu einen Online-Zugang zu den Auszügen aus den individuellen Konten vor (siehe Kasten).
Ebenfalls in der Pipeline ist eine digitale Plattform für den Austausch zwischen den IV-Stellen und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Dadurch sollen die Kommunikation verbessert und die Dossierbearbeitung beschleunigt werden.
Ein weiteres Beispiel ist das Projekt für eine elektronische Sozialversicherungsplattform. Über eine künftige «Online-Plattform Sozialversicherungen» werden Versicherte und Dritte anhand einer eindeutigen digitalen Identität mit allen Sozialversicherungen der ersten Säule und den für die Familienzulagen zuständigen Kassen interagieren können. Dank der E-ID werden künftig alle verfügbaren oder sich in Entwicklung befindenden digitalen Dienste der einzelnen Durchführungsstellen unter einem Dach vereint sein. Das System wird den Antrag automatisch an die zuständige Durchführungsstelle weiterleiten, die ihn bearbeitet und den Austausch mit Versicherten und Dritten übernimmt. Mit der Finanzierung durch die von Bund und Kantonen getragene Zusammenarbeitsorganisation «Digitale Verwaltung Schweiz» konnte bereits ein Prototyp für den Austausch zwischen dem zentralen Portal und dem Portal der Ausgleichskassen entwickelt werden.
Um die unterschiedlichen Anforderungen dieser Digitalisierungsprojekte zu erfüllen, werden die Gesetzesgrundlagen, die die digitale Kommunikation in den Sozialversicherungen der ersten Säule und den Familienzulagen regeln, angepasst. Die Anpassungen sind Gegenstand einer Gesetzesrevision.
Online-Zugang zu Auszügen der individuellen Konten (Projekt Mosar)
Aktuell wird für jede beitragspflichtige Person in der AHV ein individuelles Konto geführt. Dort sind Einkommen und Beitragszeiten eingetragen, die als Grundlage für die Berechnung einer Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente dienen. Derzeit führen schweizweit über 70 Ausgleichskassen für jede versicherte Person ein individuelles Konto. Aufgrund dieser dezentralen Struktur kann die Erstellung eines Auszugs mehrere Tage in Anspruch nehmen. Weil eine Onlinelösung zur Identifizierung und Authentifizierung fehlt, werden die Auszüge heute in Papierform per Post verschickt.
Um diesen Prozess zu digitalisieren, hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in Zusammenarbeit mit den Ausgleichskassen und der Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) ein Projekt lanciert. Über eine zentrale, von der ZAS geführte Kopie sollen die Inhalte der individuellen Konten schneller zusammengeführt werden können. Sobald die Daten zentralisiert sind, kann die versicherte Person mittels einer digitalen Identität (E-ID) online sicher auf ihre Daten zugreifen.
Darauf aufbauend will das Bundesamt für Sozialversicherungen künftig weitere digitale Dienste anbieten – beispielsweise die Online-Vorausberechnung der Rente. Mit ähnlichen Überlegungen befasst sich auch ein Innosuisse-Projekt der Fachhochschule Genf, an dem sich das BSV beteiligt: Auf einer Plattform will die Fachhochschule die Entwicklung des Altersguthabens anhand verschiedener Szenarien – etwa aufgrund sich verändernder Lebenssituationen – projizieren. Mit solchen Angeboten könnten beispielsweise junge Eltern für das Thema Altersvorsorge sensibilisiert werden.
Rolle des BSV
Mit den vom Parlament im Rahmen der «Modernisierung der Aufsicht» in der ersten Säule genehmigten Gesetzesanpassungen erhält das BSV folgende angepassten beziehungsweise neuen Aufgaben:
- Finanzierung der gemeinsamen Informationssysteme der ersten Säule und der Familienzulagen: Die geltende Gesetzesgrundlage zur Finanzierung gemeinsamer Informationssysteme wurde angepasst (vgl. 95 Abs. 3 Bst. a E-AHVG). Neu können zulasten des AHV-Ausgleichsfonds nur noch gesamtschweizerisch anwendbare Informationssysteme finanziert werden, die durch die ZAS entwickelt und betrieben werden. Die Durchführungsstellen werden eng in die Entwicklung und den Betrieb der Informationssysteme einbezogen. Die Einbettung der einzelnen Projekte in eine übergeordnete Strategie zur Steuerung der gesamtschweizerischen Informationssysteme ist damit gewährleistet. Mit der neuen Bestimmung können künftig nicht nur die Entwicklung, sondern auch der Betrieb von gesamtschweizerischen Informationssystemen finanziert werden.
- Elektronischer Datenaustausch: Im Bereich der ersten Säule und der Familienzulagen erhält das BSV die Kompetenz zur Regelung des elektronischen Datenaustauschs der Durchführungsstellen untereinander, mit anderen Versicherungen und (wie heute bereits) mit der ZAS. Damit soll sichergestellt werden, dass der elektronische Datenaustausch effizient, sicher und wirtschaftlich ist und von den beteiligten Parteien akzeptiert wird (vgl. 76a E-AHVG).
- Informationssicherheit und Datenschutz: Die Durchführungsorgane sorgen dafür, dass ihre Informationssysteme die erforderliche Stabilität aufweisen und die Informationssicherheit und der Datenschutz gewährleistet sind. Dazu erhält die Aufsichtsbehörde die Kompetenz, einschlägige Vorgaben zu erlassen und deren Einhaltung zu überprüfen.
In diesem Zusammenhang ist das BSV dafür zuständig, die Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten und deren Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit der ZAS und den Durchführungsstellen zu steuern und zu kontrollieren.
Rolle der ZAS und der Durchführungsstellen
Im Jahr 2022 hat die ZAS – das zentrale Vollzugsorgan des Bundes im Bereich der ersten Säule – ihre Digitalisierungsstrategie überarbeitet. Die ZAS will sich künftig als nationaler digitaler Leistungserbringer für die Sozialversicherungen der ersten Säule und der Familienzulagen positionieren.
Die Durchführungsstellen stehen weiter mit Versicherten und Dritten in Kontakt und bearbeiten nach wie vor deren Anträge. Mit den zentralen, standardisierten digitalen Diensten können die Durchführungsstellen ihre administrativen Kosten optimieren und sich innovativ zeigen, indem sie neue Dienste in ihre Dienstleistungsportale aufnehmen.
Komplexe Struktur
Abschliessend lässt sich sagen: Die dezentrale Organisation der ersten Säule stellt für die Digitalisierung eine grosse Herausforderung dar – insbesondere aufgrund der hybriden IT-Finanzierung und der vielfältigen Kompetenzen der Akteure. So läuft der Vollzug der Sozialversicherungen über verschiedene öffentliche oder private Organisationen, die ihre Aufgaben parallel oder subsidiär wahrnehmen. Für die Koordination und Umsetzung gemeinsamer Aufgaben schliessen sie sich oft in Dachorganisationen und/oder Verbänden zusammen. Die komplexe Organisation stellt im Hinblick auf die Erreichung der gemeinsamen Ziele eine grosse institutionelle Herausforderung dar.